Das tägliche Zahnputz-Drama
Wie schwierig das mit Kindern und der Mundhygiene sein kann. Und warum Eltern trotz aller Tricks letztendlich hilflos sind
Kindern kann ja so viel Schreckliches widerfahren. Sie können beim Klettern vom Baum fallen, sich das Bein brechen und dann wochenlang zum Stillsitzen verdammt sein. Sie können schon in der dritten Klasse durchfallen. Oder einen wochenlangen Streit mit der besten Freundin haben. Aber das Allerschrecklichste, was einem Kind passieren kann, ist: Zähne putzen.
Jedenfalls entsteht bei uns zu Hause jeden Morgen und jeden Abend dieser Eindruck.
Für einen normalen Erwachsenen ist es nicht nachzuvollziehen, was daran so schlimm ist, sich wenigstens zweimal täglich für drei Minuten mit einer kleinen Bürste ein wenig die Zähne zu schrubben. Für ein normales Kind ist es allerdings nicht nachzuvollziehen, was daran so wichtig ist. Zähne putzen ist für Kinder reine Zeitverschwendung.
Das sieht man daran, was ihnen alles stattdessen einfällt. Kaum ist die Zahnbürste im Mund, muss gesungen, getanzt oder „über was gaaanz Wichtiges“geredet werden. Oder es wird lustlos auf der Bürste herumgekaut. Oder über die Schärfe der Zahnpasta debattiert. Oder weggelaufen. Die Szenen, die sich abspielen, sind zum Schreien komisch. Und manchmal nur zum Schreien. Denn was tun, wenn die Saubande trotz EisköniginnenElektrobürste und Handspiegel-Trick nicht putzt?
Neulich stürzte ich mich voller
Hoffnung auf einen Text mit der Überschrift „Zähne putzen mit Kindern. Vier wichtige Tipps“. Ernüchternd. Der Experte wusste nicht, ob eine elektrische Bürste oder eine Handzahnbürste besser ist, bei der Auswahl der Zahnpasta riet er, auf genug Fluorid zu achten und die Frage nach Tricks beantwortete er doch tatsächlich mit: „Eltern können auf den Gewöhnungseffekt hoffen“. Hat wohl keine Kinder, der Mann. Über die Jahre habe ich ein Muster erkannt. Es ist die Eskalation des Zähneputzens in fünf Stufen.
1. Eltern putzen: Wenn die Kinder noch klein sind, schrubben die Eltern am besten selbst, schon allein, um das gewünschte Ergebnis zu bekommen. Zu jener Zeit tröstete man sich noch damit, dass die Kinder zu klein sind, wenn sie sich wie Schlangen wanden.
2. Erklären: Ab einem gewissen Alter hofft man darauf, dass sie nun verstehen: Das ist wichtig, wenn Du später schöne Zähne haben willst.
3. Mahnen: Dann wird es ungemütlicher, denn so langsam hat man die Faxen dicke.
4. Schimpfen: „Putz jetzt, sonst ...“Ja, was eigentlich?
5. Ignorieren: Letzte Eskalationsstufe. Zitat: „Weißt Du was, mir ist es jetzt egal, ob Du Karies bekommst“.
Ist es natürlich nicht. Weil man das ja nicht will und die Zahnarztbehandlung bezahlen müsste. Also Rückkehr zu Stufe 1. Und auf den Gewöhnungseffekt hoffen.
47, hat eine Tochter, 6, und einen Sohn, 8. Und gute Zähne.
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