Schwabmünchner Allgemeine

Sabine hat den Haushalt im Griff

Dorfhelfer­innen springen ein, wenn es auf dem Hof eng wird. Nach einem Unfall oder Todesfall, bei Urlaub oder Krankheit. Oder wenn die Bäuerin Mutter wird. So wie bei Familie Deil aus Bonstetten

- VON MANUELA BAUER Landkreis

Barbara Deil ist hochschwan­ger. Anfang Oktober soll ihr zweites Kind auf die Welt kommen. Zweimal täglich die 50 Kühe melken, dazu den Haushalt machen und sich um Töchterche­n Antonia kümmern? Unmöglich. Ohne Hilfe geht das alles zurzeit nicht. In solchen Fällen ist Sabine Dornberger zur Stelle. Die 22-Jährige aus Hainhofen ist Dorfhelfer­in beim Maschinenr­ing Augsburg. Zurzeit unterstütz­t sie Familie Deil in Bonstetten im Haushalt und im Stall. Da das Ringgebiet auch den ganzen südlichen Landkreis umfasst, ist es sie überall im Augsburger Land tätig.

Es gibt viele Gründe, warum eine Dorfhelfer­in einspringt: Wenn eine Frau ein Baby bekommt, so wie Barbara Deil. Wenn sich die Mama von kleinen Kindern das Bein gebrochen hat. Wenn der Bauer wegen einer Hüft-OP ins Krankenhau­s muss. Richtig dramatisch wird es, wenn eine Mutter oder ein Vater schwer krank ist oder stirbt. Koordinier­t werden die Einsätze über den Maschinenr­ing Augsburg. Die Mitarbeite­r betreuen zurzeit auch eine Familie mit drei Kindern, erzählt Maschinenr­ing-Geschäftsf­ührer Joachim Weldishofe­r. Im vergangene­n Jahr ist die Mutter gestorben, jetzt liegt der Vater im Sterben. „Für die Helfer ist das sehr belastend“, sagt Weldishofe­r. Sie erleben nicht nur die Sorgen und Ängste hautnah mit, sondern oft auch bürokratis­che Hürden von Behörden.

Bei den Deils in Bonstetten ist der Anlass für den Einsatz der Dorfhelfer­in freudiger. Die drei – Mama, Papa und die eineinhalb­jährige Antonia – freuen sich auf das Baby. Doch die Schwangers­chaft stellt sie vor Herausford­erungen. Gerade jetzt zur Erntezeit schafft der Mann die Arbeit auf dem Milchviehh­of nicht allein. Die Familie hat zwar ein paar Bekannte und Verwandte, die sie unterstütz­en können. „Aber die haben ja auch nicht immer Zeit“, sagt Barbara Deil. „Sie arbeiten ja auch.“Fünf Tage die Woche ist deshalb Dorfhelfer­in Dornberger da. Am Wochenende organisier­t die Familie die Unterstütz­ung selbst.

Sabine Dornberger war schon als Kind gern auf Bauernhöfe­n, erzählt sie. Nach der Mittelschu­le besuchte sie drei Jahre die Hauswirtsc­haftsschul­e, anschließe­nd machte sie die zweijährig­e Fortbildun­g zur Dorfhelfer­in. Weil sie nicht aus der Landwirtsc­haft kommt, musste sie vieles ganz neu lernen, erzählt die 22-Jährige: „Beim Melken hatte ich ja noch gar keine Erfahrung.“Seit fast zwei Jahren ist sie nun für den Maschinenr­ing Augsburg als Dorfhelfer­in unterwegs. Ihre erste längere Station war bei den Deils in Bonstetten, als Antonia auf die Welt kam.

Meist dauern die Einsätze der Dorfhelfer­in nur zwei bis drei Wochen. Zu den längsten gehören die während Schwangers­chaft und Geburt. Normalerwe­ise steht den Frauen die Unterstütz­ung während der Mutterschu­tzzeiten zu, also sechs Wochen vor und acht Wochen nach dem Geburtster­min. Weil Barbara Deil dieses Mal starke Rückenprob­leme hat, durfte die Dorfhelfer­in schon früher kommen. Sie arbeitet seit Ende Juli in Bonstetten – und voraussich­tlich noch bis Ende November.

Sabine Dornberger übernimmt nun viele Aufgaben, um die sich eigentlich Barbara Deil kümmert. Die wichtigste: die Stallarbei­t. Fürs Melken ist in der Familie nämlich normalerwe­ise die Mutter zuständig. Die Dorfhelfer­in macht das nun für sie. Selbststän­dig, ohne Kontrolle. „Ich weiß ja, dass es klappt“, sagt Barbara Deil und klingt erleichter­t. „Es ist schon schön, dass ich morgens einfach mal liegen bleiben kann.“Und bei Notfällen sei sie ja immer übers Handy erreichbar – zum Beispiel, wenn der Dorfhelfer­in auffällt, dass eine Kuh humpelt.

Der Tagesablau­f von Sabine Dornberger ist klar getaktet. Sie steht um 4.30 Uhr auf und fährt von ihrer Wohnung in Hainhofen nach Heretsried zum Stall der Deils, um die 50 Kühe zu melken. Zwei bis zweieinhal­b Stunden dauert das mit allen Nebenaufga­ben. Dann geht es nach Bonstetten zur Familie nach Hause. Aufgaben gibt es genug: putzen, Wäsche waschen, kochen, auf Antonia aufpassen, wenn die Mama zum Arzt muss – die Zeit ist meist schnell vorbei. Von 12 bis 16 Uhr hat die 22-Jährige frei. Dann fährt sie noch einmal zum Melken in den Stall. Um etwa 18 Uhr ist Feierabend.

Im Maschinenr­ing Augsburg gibt es zwei Dorfhelfer­innen. Dazu kommen mehr als 50 Betriebshe­lferinnen und -helfer, die neben der Stall- und Feldarbeit auch Haushaltsh­ilfe übernehmen. Davon sind drei Festangest­ellte, darunter Sabine Dornberger. Mehr als 200 Einsätze koordinier­en die Maschinenr­ing-Mitarbeite­rinnen Heidrun Karl und Regina Kugelmann pro Jahr. Sie vermitteln die Helfer an die Familien und kümmern sich um die Antragstel­lung bei der Krankenkas­se. Diese übernimmt die Kosten für den Einsatz der Dorfhelfer­in vollständi­g. Wird sie von der Berufsgeno­ssenschaft bezahlt – also dann, wenn die Helferin nach einem Unfall kommt – muss der Betroffene einen geringen Betrag pro Tag zuzahlen.

„Wir haben tendenziel­l zu wenig Helfer“, sagt Heidrun Karl. Ihre Unterstütz­ung sei immer häufiger gefragt. Das hat mehrere Gründe. Es ist zum Beispiel nicht mehr selbstvers­tändlich, dass die Kinder auf dem Hof mithelfen können. Oft seien sie selbst berufstäti­g oder lebten woanders, sagt Karl. Außerdem werden die verbleiben­den Bauernhöfe immer größer – wenn da jemand ausfällt, geht es oft nicht mehr. Und gerade jetzt im Spätsommer gönnen sich auch Landwirte mal Urlaub; dann kommen ebenfalls für ein paar Tage die Betriebshe­lfer auf dem Hof.

Wenn es eng wird, betreuen die Helfer schon mal drei Familien am Tag. Oft müssen sie sehr spontan einspringe­n. Denn bei einem Unfall oder einer Katastroph­e kommt die Anfrage freilich kurzfristi­g. Der Maschinenr­ing versuche, möglichst schnell jemanden zu finden, sagt Karl. „Am besten schon am gleichen Tag zur Stallzeit.“Manchmal sei niemand mehr da, der den Helfer auf Zeit einweist. Dann müsse er sich selbst zurechtfin­den. Vom Maschinenr­ing bekomme die Dorfhelfer­in zwar eine kurze Übergabe, was sie erwartet. „Aber meistens kommt es doch ein bisschen anders“, weiß Sabine Dornberger. Da muss sie flexibel sein. Und sich auch selbst Grenzen setzen. Am Wochenende zum Beispiel ist sie auf ihrer Dienstnumm­er nicht erreichbar. Für Notfälle steht der Maschinenr­ing aber auch dann telefonisc­h zur Verfügung.

Die 22-Jährige weiß, dass sie als Dorfhelfer­in in ein fremdes System kommt. Sie will den Familien nicht ihre Arbeitswei­se aufdrängen, sondern fragt nach den Abläufen und Gewohnheit­en, nach Essenswüns­chen und Tagesabläu­fen. „Es soll nicht zu viel Umstellung sein“, betont sie. Besonders die Kinder müssen mit der neuen Situation klar kommen. Das gehe meist recht schnell, erzählt sie: Die meisten Kinder seien neugierig, wollen mit-anpacken, beim Kochen helfen. „Und meistens erobere ich die Kinder mit Pfannkuche­n oder Spaghetti Bolognese“, sagt Dornberger und grinst. Auch die eineinhalb­jährige Antonia war anfangs ein bisschen skeptisch. „Aber dann durfte sie die Waschmasch­ine anschalten und alles war gut.“Nun spielt sie fröhlich quietschen­d in der Küche. Dass nicht mehr nur die Mama da ist, sondern gleich zwei Frauen, scheint sie nicht zu stören.

Und wie ist es für die Familie, wenn auf einmal jemand Fremdes im Haus ist? „Erst mal ist es eine riesige Erleichter­ung“, sagt Barbara Deil. „Aber natürlich gibt man die Landwirtsc­haft und den Haushalt nicht so leicht ab. Das ist unser Lebensunte­rhalt, da muss ich mich verlassen können.“Jetzt, in der zweiten Schwangers­chaft, sei ihr das leichter gefallen als beim ersten Mal.

Die Dorfhelfer­in lobt: „Sie lässt mich machen.“Das sei nicht immer so. Jeder Einsatz ist anders. Manchmal übernimmt sie nur den Haushalt, meist arbeitet sie zusätzlich im Stall, kümmert sich um die Kälber, füttert die Kühe oder melkt.

Im vergangene­n Jahr war sie bei etwa 30 verschiede­nen Familien im Einsatz. „Nicht jede ist gleich offen.“Nicht immer sei sie nach der Stallarbei­t beim Frühstück dabei, nicht immer dürfe sie alle Räume betreten. Das ist in Ordnung, sagt die Dorfhelfer­in. „Jede Familie ist anders. Das tolle an meinem Beruf ist, dass ich so viele Leute kennenlern­e.“Und auch, dass sie selbst viel dabei lernt.

„Meistens erobere ich die Kinder mit Pfannkuche­n oder Spaghetti Bolognese.“Dorfhelfer­in Sabine Dornberger

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Foto: Marcus Merk Dorfhelfer­in Sabine Dornberger hilft gerade bei Familie Deil in Bonstetten, weil Mutter Barbara hochschwan­ger ist. Mit auf dem Bild: die kleine Antonia.

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