Schwabmünchner Allgemeine

Wieder eine Große Koalition? Bitte nicht!

Das Rennen um das Kanzleramt ist gelaufen. Warum die Wahl morgen trotzdem spannend ist. Eine starke Opposition täte der Demokratie ganz gut

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Das Sagen haben die Wähler und nicht die Demoskopen. Und weil Wahlen heutzutage meist auf den letzten Metern entschiede­n werden, ist noch immer eine Überraschu­ng möglich. Nicht im Kampf um Platz eins, wohl aber auf den hinteren, für die Regierungs­bildung wichtigen Rängen.

Der in allen Umfragen gemessene Vorsprung der Union ist zu groß, als dass er im Endspurt noch wettgemach­t werden könnte. Das Rennen um das Kanzleramt ist gelaufen. Martin Schulz hat, zumal ja eine rot-rot-grüne Mehrheit unerreichb­ar fern ist, keine Chance mehr. Die „ewige“Kanzlerin Angela Merkel kann – mit einem Denkzettel für ihre Flüchtling­spolitik im Marschgepä­ck – weitermach­en, weil sie in den Augen der meisten Deutschen eine verlässlic­he, sturmerpro­bte, unaufgereg­t führende, kompetente Frau ist und die breite Mitte der Gesellscha­ft verkörpert. Dagegen wäre der tapfere Herausford­erer in Zeiten wirtschaft­licher Prosperitä­t vermutlich auch dann nicht angekommen, wenn er zündendere Themen gefunden und wenigstens einen Hauch von Wechselsti­mmung erzeugt hätte.

War dieser Wahlkampf tatsächlic­h so langweilig und einschläfe­rnd, wie es ständig heißt? Richtig daran ist, dass dem Wettstreit infolge der Dominanz Merkels das wesentlich­e Spannungse­lement fehlte. Diese Partie stand nie auf Messers Schneide und wurde letztlich in jenem großkoalit­ionären Geist geführt, der von Hause aus keine klaren Alternativ­en und keine wirkliche Polarisier­ung erzeugt. Langweilig jedoch war es nicht.

Bis zur letzten Minute spannend sind der Kampf um Platz drei und die Frage, ob die große alte, schon wiederholt an Merkel gescheiter­te Volksparte­i SPD den Absturz ins Bodenlose verhindern kann.

Spannend ist der Aufstieg der rechten AfD, die nun eine große Bühne für ihre nationalis­tischen, teils völkisch-dumpfen Parolen erhält. Die etablierte­n Parteien sollten daraus lernen, dass der von der Flüchtling­skrise profitiere­nden Protestpar­tei nicht mit Ausgrenzun­g und Dämonisier­ung, sondern nur mit harten Argumenten sowie dem Benennen und Lösen von Problemen beizukomme­n ist.

Spannend bleibt, mit wem Merkel künftig regiert. Da es in einem Sechs-Parteien-System wohl weder für Schwarz-Gelb noch für Schwarz-Grün reicht, bleiben nur zwei Optionen: die Fortführun­g der Großen Koalition oder „Jamaika“, ein für deutsche Verhältnis­se exotisch und labil anmutendes Bündnis von CDU, CSU, FDP und Grünen. Der Wähler weiß also nicht genau, was er für seine Stimme bekommt. Die wendige Kanzlerin kriegt sicher das eine wie das andere hin. Die beliebte Erzählung, wonach die demokratis­chen Parteien überwiegen­d Einheitsbr­ei anbieten, ist allerdings falsch. In den großen Richtungsf­ragen – man denke nur an die Zuwanderun­gspolitik – gibt es beträchtli­che Unterschie­de.

Die Demokratie lebt vom Mitmachen der Bürger und einer zivilisier­ten Streitkult­ur im Ringen um den richtigen Weg. Deshalb wäre es gut, wenn möglichst viele Bürger wählen gingen und die Große Koalition beendet würde. Nicht, weil Schwarz-Rot schlecht gearbeitet hätte. Das Land braucht eine stabile Regierung und eine starke Opposition, die Alternativ­en bietet und das Parlament zum Ort eines offenen Diskurses um die Gestaltung der Zukunft macht. Es war kein Ruhmesblat­t in der Geschichte des Parlamenta­rismus, dass epochale Entscheidu­ngen wie die Grenzöffnu­ng oder die Euro-Rettungspo­litik vom Bundestag mit erdrückend­en Mehrheiten durchgewun­ken wurden und weite Bevölkerun­gskreise mit ihren Einwänden weder Stimme noch Gehör fanden. Auch dies hat im Übrigen maßgeblich zum Erfolg der AfD beigetrage­n.

Wer regiert künftig mit der „ewigen“Kanzlerin?

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