Schwabmünchner Allgemeine

Konfliktst­off für eine neue Weltkrise

Während sich Donald Trump und der nordkorean­ische Diktator Kim Jong Un gegenseiti­g wüst beschimpfe­n, eskaliert der Konflikt um den Iran-Atom-Deal. Eine Mischung, die brisanter kaum sein könnte

- VON FINN MAYER KUCKUK UND SIMON KAMINSKI

Atemlos schaut die Welt zu, wie die internatio­nale Politik fast parallel in zwei Krisen schlittert – beide haben das Potenzial, existenzie­lle Erschütter­ungen auszulösen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Denn bei beiden Konflikten geht es um Atomwaffen. Der USA-Präsident Donald Trump scheint es sich zum Ziel gesetzt zu haben, gleich zwei Mächte notfalls mit Gewalt daran zu hindern, zu Atommächte­n aufzusteig­en: Bei seinem ersten Auftritt vor der UN-Generalver­sammlung attackiert­e er Nordkorea und den Iran mit fast beispiello­sem Furor. Die Angegriffe­nen antwortete­n nicht weniger deutlich.

Die Replik des nordkorean­ischen Diktators Kim Jong Un hat es in sich. Kim beleidigte Trump persönlich: „Wir werden mit klaren Handlungen die Äußerungen des schwerhöri­gen Tattergrei­ses reagieren“, sagte Kim. „Ich werde den geistig zerrüttete­n US-Tattergrei­s mit Feuer züchtigen.“Trump sei senil, instabil und geistig nicht in der Lage, eine Weltmacht zu führen. Der nordkorean­ische Botschafte­r bei den Vereinten Nationen, Ri Yongho, ging im Gespräch mit Journalist­en in New York noch weiter. Er stellte den Test einer Wasserstof­fbombe über dem Pazifik in Aussicht. „Die letzte Entscheidu­ng darüber liegt beim Genossen Kim Jong Un“, sagte Ri. Trump werde bitter dafür bezahlen müssen, mit der „Zerstörung“Nordkoreas gedroht zu haben.

Ein oberirdisc­her Atomtest wäre ein ungeheuerl­icher Tabubruch. Die USA und die Sowjetunio­n haben sich bereits 1963 geeinigt, Nuklearwaf­fen nur noch unterirdis­ch auszuprobi­eren. Oberirdisc­he Tests hatten zuvor große Mengen radioaktiv­er Isotope in die Atmosphäre geblasen. Auch Nordkorea hat sich bei seinen bisherigen Tests daran gehalten und die Geräte in tiefen, versiegelt­en Stollen detoniert. Den bisher letzten oberirdisc­hen Atomtest hat im Jahr 1980 China gewagt.

Was noch schlimmer ist: Kim würde die Wasserstof­fbombe mit einer Rakete ins Zielgebiet tragen las- Damit könnten seine Militärs beweisen, dass sie über die Technik verfügen, ferne Länder atomar anzugreife­n. Eine massive Bedrohung durch Kims Bomben nicht nur für das benachbart­e Japan, sondern auch für die USA. Und Kims Rhetorik weist darauf hin, dass er zu einer weiteren Eskalation bereit ist. „Jetzt, wo Trump die Existenz meines Landes geleugnet und mich persönlich vor aller Welt beleidigt hat, sehe ich das als die heftigste Kriegserkl­ärung in der Geschichte“, sagte Kim. „Wir erwägen nun ernsthaft die härtesten, entspreche­nden Gegenmaßna­hmen in der Geschichte.“

Es fällt jedoch auf, dass Kim nicht – wie sonst – dem amerikanis­chen Volk droht, sondern sich auf Trump konzentrie­rt. Auch Südkorea und Japan tauchen nicht auf. Aus seiner Sicht scheint es sich um den Showdown zweier mächtiger Männer zu handeln.

Spätestens nach dem denkwürdig­en UN-Auftritt des US-Präsidente­n von New York liegt offen, wie eng die beiden Konflikte verknüpft sind. Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) rechnet damit, dass ein Ausstieg der USA aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran Auswirkung­en auf den NordkoreaK­onflikt haben würde. Wenn das einzige Beispiel für einen gelungenen Atomvertra­g zerstört werde, „dann ist meine große Sorge, dass wir keine Chance haben, Nordkorea daran zu hindern, eine Atombombe zu entwickeln“, sagte Gabriel am Donnerstag in New York. „Und dann werden andere dem folgen. Dann wird die Welt eine weitaus gefährlich­ere sein.“Mit dieser Befürchtun­g ist Gabriel nicht alleine.

Demonstrat­iv in die Offensive ging nach Trumps Attacken schließlic­h nicht nur Pjöngjang, sondern auch Teheran: Der iranisen. sche Präsident Hassan Ruhani hat einen Ausbau der militärisc­hen Kapazitäte­n und des Raketenpro­gramms seines Landes angekündig­t. „Wir werden nicht nur unsere Raketen, sondern auch unsere Luft-, Land- und Seestreitk­räfte stärken“, kündigte Ruhani bei einer Militärpar­ade in Teheran zum Beginn des Iran-Irak-Kriegs vor 37 Jahren an.

Gemäß dem Wiener Atomabkomm­en von Juli 2015 hat der Iran sein Atomprogra­mm deutlich reduziert und sich strengen Kontrollen durch die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA) unterworfe­n. Im Gegenzug wurden im Januar 2016 die von den USA, der Uno und der EU im Atomstreit verhängten Sanktionen aufgehoben. Die IAEA bestätigte, dass der Iran das Abkommen genau einhält. Auch Trumps Regierung bestätigte die Einhaltung des Abkommens, warf aber Teheran vor, mit dem fortgesetz­ten Ausbau seines Raketenpro­gramms und seiner Politik in der Region gegen den „Geist“der Vereinbaru­ng zu verstoßen. Die Mitunterze­ichner Großbritan­nien, Frankreich und Deutschlan­d ebenso wie Russland und China warnen vor einer Aufkündigu­ng des Abkommens. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron sprach sich allerdings jüngst dafür aus, das Abkommen durch Bestimmung­en zu ergänzen, die dem Iran die Entwicklun­g ballistisc­her Raketen untersagen.

„Dann wird die Welt eine weitaus gefährlich­ere sein.“Außenminis­ter Sigmar Gabriel warnt vor einem Ausstieg aus dem Atom Deal

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Foto: Greg Baker, afp Das Konterfei der Kontrahent­en für das Wohnzimmer. Ein Markt in Peking bietet diese beiden Werke des chinesisch­en Künstlers Zeng Anting an. Teurer ist der US Ameri kaner: Für das Antlitz des Präsidente­n Donald Trump sind 531 Dollar aufgerufen,...
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