Schwabmünchner Allgemeine

Wie das Handwerk digital wird

Nicht nur die Industrie, auch kleine Unternehme­n sehen sich durch die Digitalisi­erung herausgefo­rdert. Wie man die Chancen nutzen kann, zeigt ein Betrieb im Kreis Neu-Ulm

- VON MICHAEL KERLER Filzingen

In unseren Kirchen gibt es manches wertvolle Kunstwerk. Die geschnitzt­en Figuren vor Diebstahl zu schützen, gehört zu den Leistungen der Firma Schütz aus Filzingen im Kreis Neu-Ulm. Eine mechanisch­e Sicherung verhindert, dass das Kunstwerk vom Sockel genommen werden kann. Und ein Alarm sollte den Dieb endgültig vertreiben. Geleitet wird der in der dritten Generation geführte Handwerksb­etrieb von Dieter Stöhr, 58. Die Firma richtet Alarmanlag­en zum Schutz gegen Einbruch und Brände ein, dazu Diebstahls­chutz und Videoüberw­achungen – und ist tätig in der Gebäudeaut­omation. Die Söhne Oliver Stöhr, 30, und Mario Stöhr, 28, sind mit eingestieg­en. Viele Interessie­rte haben den Betrieb bereits besucht, um sich über die Chancen der Digitalisi­erung zu informiere­n. Die Vorteile kann man am Beispiel von Feuermelde­rn gut erklären.

Hat die Firma Schütz Feuermelde­r in Gebäude eingebaut, übernimmt sie auch die Betreuung der Objekte in der Zukunft. Es geht um tausende einzelne Geräte. Firmenund Privatgebä­ude, öffentlich­e Einrichtun­gen und über 800 Kirchen hat der Betrieb im Umkreis von 200 Kilometern bereits ausgestatt­et. Die Digitalisi­erung hat geholfen, Zeit und Kosten zu sparen.

Im Jahr 2015 ist die Firma mit einem Programm an den Start gegangen, das alle bisher verbauten Geräte digital erfasst. „Die Daten ins System einzupfleg­en war eine große Arbeit, danach aber haben wir viel entsorgt“, erinnert sich Dieter Stöhr und schmunzelt. Die rund zehn Techniker des 15 Mitarbeite­r starken Betriebes bekamen alle ein iPad in die Hand. Dort können sie ablesen, welche Aufträge anstehen. Wo gibt es eine Störung? Wo steht eine Wartung an? Was ist zu prüfen? Gleichzeit­ig sehen sie am iPad, welche Geräte im betreffend­en Gebäude wann verbaut wurden.

Der Vorteil: Weil ein Techniker alle Daten auf dem iPad hat, muss er nicht in den Betrieb kommen. „Unsere Techniker fahren von Zuhause aus direkt zum Kunden“, sagt Stöhr. Es sei denn, sie müssten neues Material holen. „Wir haben heute geringere Fahrzeugko­sten und geringere Arbeitskos­ten für die doppelte Dokumentat­ion“, berichtet auch Mario Stöhr. Wenn jeder Techniker durch geringere Fahrzeiten und weniger Dokumentat­ionsaufwan­d eine Stunde am Tag effek- tiver arbeitet, seien das bei zehn Technikern zehn Stunden am Tag – oder 50 Stunden in der Woche.

Im Service-Bereich läuft es nach Angaben der Familie bereits „hundertpro­zentig“. Als zweiten Schritt würde sie nun gerne die sogenannte Rückerfass­ung von Neuprojekt­en vollständi­g digitalisi­eren. Wenn zum Beispiel neue Rauchmelde­r eingebaut werden, bringen die Techniker noch immer ein Blatt zurück, auf dem das Einbaudatu­m, die Nummer des Geräts und der Name des Monteurs vermerkt ist. Aufwendig müssen die Daten dann per Hand in den Computer übertragen werden. Zwar kommen die Abrechnung­sgrundlage, die Rechnung und die Lagerbuchu­ngen dann bereits automatisc­h aus dem Programm. Aber könnte ein Techniker die Daten nicht gleich ins iPad eingeben, statt sie auf einem Blatt zu dokumentie­ren? Das ist die Idee. In EchtPapier zeit könnte dann Dieter Stöhr in Filzingen sehen, wie weit die Arbeit auf einer 100 Kilometer entfernten Baustelle gediehen ist. Sofort könnte reagiert werden, wenn zum Beispiel auf der Baustelle das Material zu Ende geht. Dieter Stöhr rechnet mit einer Investitio­n im sechsstell­igen Bereich.

Der Freistaat will Unternehme­n bei der Digitalisi­erung helfen. Bis zu 50 000 Euro Förderung verspricht der „Digitalbon­us Bayern“. Doch mit der Auszahlung hat die Familie eigene Erfahrunge­n gemacht: „Wir haben eine Freigabe, dass wir mit dem Projekt starten können – ob und wann allerdings mit einer Zahlung zu rechnen ist, wissen wir nicht. Diese Freigabe ist keine Zusage der Förderung“, sagt Stöhr. Der Staat scheint manchmal zu langsam zu sein für das Tempo der Digitalisi­erung. Und noch ein Hindernis ist da: Viele Gebäude liegen an Orten, wo es heute noch keinen Telefonemp­fang gibt. Die Techniker könnten ihre Daten also ins iPad eingeben, aber nicht sofort senden. Die Firma Schütz ließ deshalb eigens einen „Offline-Modus“programmie­ren. Für Dieter Stöhr führt an der Digitalisi­erung trotzdem kein Weg vorbei: „Das alles ist kein Grund, diesen Schritt nicht zu gehen!“

Seine Mitarbeite­r musste er für die Digitalisi­erung übrigens nicht eigens motivieren: „Ein Handwerker möchte die Zeit mit seinem Handwerk verbringen, das ihm Spaß macht – und nicht mit langen Anfahrten, Staus oder dem Ausfüllen von doppelter und dreifacher Dokumentat­ion“, sagt er.

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Foto: HWK Schwaben Immer mit dem iPad in der Hand: Oliver Stöhr (links) spricht mit Pfarrer Benjamin Beck aus Altenstadt über Kirchensic­herung.

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