Schwabmünchner Allgemeine

Linus Förster: Ich will ein neues Leben anfangen

Prozess steuert aufs Urteil zu. Reuiger Ex-Abgeordnet­er muss zuvor eine peinliche Zeugenbefr­agung überstehen

- VON HOLGER SABINSKY WOLF Augsburg

Es ist eigentlich eine Randnotiz, die Linus Förster am Freitag zu einer sehr grundsätzl­ichen Aussage veranlasst. Es geht um die Festplatte­n und Computer, die die Ermittler beim Ex-Landtagsab­geordneten beschlagna­hmt haben. Staatsanwä­ltin Martina Neuhierl fragt den Angeklagte­n, ob er mit der Einziehung und Löschung aller Speicherme­dien einverstan­den sei. Förster bejaht dies und sagt: „Ich will nach dem Ganzen ein neues Leben anfangen.“

Es wirkt beinahe wie ein vorweggeno­mmenes Schlusswor­t des Angeklagte­n. Er will keine Bilder, Unterlagen oder Filme zurückhabe­n, auch jene nicht, die legal sind. Vielmehr möchte er „einen Schlussstr­ich ziehen“. Mit einer Ausnahme: An den Bandfotos und den Songs, die er mit seiner Band geschriebe­n hat, hängt sein Herz. Die seien nur auf seinen Festplatte­n gespeicher­t, die würde er sehr gerne als Kopie wiederhabe­n.

Das Schlimmste dürfte Linus Förster, 52, mit dem dritten Prozesstag überstande­n haben. Bis auf eine Frau haben nun alle Opfer ausgesagt. Zwei Fälle – ein versuchter sexueller Missbrauch, den er bestritten hat und ein Fall heimlicher Filmaufnah­men – hat das Gericht eingestell­t.

Eine peinliche Zeugenbefr­agung muss der Ex-Politiker am Freitag aber noch überstehen. Die Prostituie­rte, die das Verfahren gegen ihn mit einer Anzeige in Gang gebracht hat, ist mit einer Kollegin gekommen. Die beiden Chinesinne­n belasten den Ex-Landtagsab­geordneten mit ihrer Aussage. Sie bestätigte­n die Vorwürfe aus der Anklage.

Linus Förster hatte am 9. September 2016 versucht, die Prostituie­rte in Augsburg heimlich beim bezahlten Sex zu filmen. Sie bemerkte dies aber und nahm den Speicherch­ip der Kamera an sich. Als Förster sich den Chip zurückhole­n wollte, gab es Streit. Der Ex-Abgeordnet­e verletzte die Liebesdame leicht am Finger und warf sie aufs Bett. Als die Frau und ihre zu Hilfe gerufene Kollegin mit der Polizei drohten, zog Förster sich an und verließ fluchtarti­g die Bordellwoh­nung. Die Prostituie­rte ging tags darauf mit dem Chip zur Polizei und erstattete Anzeige gegen unbekannt. Die Polizei stellte Fotos des Verdächtig­en zur Fahndung in ihr Intranet. Wochen später meldete sich Försters Ex-Freundin, eine Polizeibea­mtin. Sie hatte ihren früheren Lebensgefä­hrten erkannt.

Die Vernehmung der Asiatinnen am Freitag gestaltet sich schwierig. Denn wie sich herausstel­lt, sprechen die beiden Frauen nur ganz wenig Deutsch. Es bedarf viel Geduld und vieler Nachfragen des Vorsitzend­en Richters Lenart Hoesch, um die Aussagen ohne Dolmetsche­r einigermaß­en zu verstehen. So berichten die Prostituie­rten über Details, zum Beispiel, dass Förster eine sehr kleine Kamera ohne Bildschirm verwendet habe. Die Mini-Kamera – nicht einmal so groß wie eine Streichhol­zschachtel – habe er auf einem Stuhl unter seiner abgelegten Kleidung versteckt. Zudem erzählen die Frauen, Förster habe vor seinem Verschwind­en angekündig­t, am nächsten Tag zurückzuko­mmen und sich den Speicherch­ip zu holen. Auch aus Angst vor seiner Rückkehr sei sie am Tag nach dem Vorfall zur Polizei gegangen. Der betroffene­n Frau hat Förster-Verteidige­r Walter Rubach vor der Zeugenauss­age 1250 Euro in bar als Täter-Opfer-Ausgleich überreicht. Auch den anderen Opfern hat Förster bereits Entschädig­ungen bezahlt, die sich auf insgesamt mehr als 30 000 Euro summieren.

Auch am dritten Prozesstag ist das Interesse der Öffentlich­keit an dem Prozess gegen den Ex-Abgeordnet­en ungebroche­n. Schon zum Auftakt war der große Schwurgeri­chtssaal mit mehr als 200 Zuschauern voll besetzt. Inzwischen ist die Jugendkamm­er in einen kleineren Saal umgezogen. Dort reichen die rund 50 Sitzplätze meist nicht für alle Besucher.

Am kommenden Donnerstag sind das Gutachten des psychiatri­schen Sachverstä­ndigen Richard Gruber und die Plädoyers zu erwarten. Und am Freitag wird voraussich­tlich das Urteil fallen. Wie das in etwa ausfallen könnte, hat Förster sicher von seinem Verteidige­r Walter Rubach schon zugeflüste­rt bekommen: Es wird wohl eine Freiheitss­trafe um die vier Jahre werden.

Sex mit Prostituie­rten will er mit Mini Kamera filmen

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