Schwabmünchner Allgemeine

Ein Heimatwand­erer

Der Allgäuer Autor Gerhard Köpf erinnert sich im „Dorf der 13 Dörfer“

- VON HANS KREBS Gerhard Köpf: Das Dorf der 13 Dörfer.

„Weißt du noch?“Mit dieser Frage beginnt Gerhard Köpf „Das Dorf der 13 Dörfer“. Sie ist an seine verstorben­e Frau gerichtet. Ihr hatte er schon ein Jahr nach ihrem Tod seine letzte größere Prosa gewidmet: „Die Zeit auf alten Uhren“(2012). Dieser Titel würde auch auf das neue Buch passen, wobei dann die Zeit auf alten Uhren der Allgäuer Heimat verginge. Auch die Bezeichnun­g „Ein Album“könnte auf das neue Buch zutreffen – nur dass es entschiede­n ein Allgäuer Album wäre. Köpf nennt es „Roman“.

Tatsächlic­h ist es eine romanhafte Anekdotens­ammlung und in vielen Fällen auch ein typisches Köpf-Repetitori­um. Will heißen: Etliche Akteure von Lurchi Salamander (einem Helden seiner Kindheit) über Tante Mirtel bis zu seinem Vater, dem Landbrieft­räger, sind alte Bekannte für den, der vertraut ist mit dem 1948 in Pfronten geborenen Autor und seinem Heimatbezu­g, wie er ihn schon in den vier real-fiktiven Thulsern-Romanen (1983– 1989) geltend gemacht hat.

Es gibt ein Kapitel, aus dem auch Köpfs Erfahrung aus seiner Gastprofes­sur an der Psychiatri­schen Universitä­tsklinik München spricht, für die er (wegen Erkrankung seiner Frau) seinen Duisburger Literatur-Lehrstuhl aufgegeben hatte.

Es ist die mit seiner Vorliebe für Witz und Ironie vorgetrage­ne Geschichte der Berufsschu­l-Oberlehrer­in Bäuschel-Kaltenbach, die Klöppeln und Lochsticke­rei unterricht­et. Nach Ermordung ihres Papageis Wolfgang Amadeus (nach Mozart) just am Weltklöppe­ltag wird sie ihrerseits zur Mörderin des dringend tatverdäch­tigen Offizian- ten Fröschl. Sie wandert in die Irrenansta­lt, wo sie sich immerhin den neuen Papagei Hector (nach Berlioz) halten darf.

Köpf erzählt diese wie alle anderen Geschichte­n quasi im Vorübergeh­en, genauer gesagt, während er für die ihm anvertraut­e Radiosendu­ng „Das Zwölfuhrlä­uten“in seinem Heimatdorf mit 13 Ortsteilen zur Kirche unterwegs ist und die Stätten seiner Erinnerung passiert. Seine Erzählunge­n reihen sich wie Perlen auf einer Schnur und ergeben ein wertvolles Collier der frühen Nachkriegs­zeit. Inbegriffe­n zum Beispiel auch ein filmhistor­ischer Abriss in einem kabarettis­tischen Endlossatz über fünf Seiten.

Gerhard Köpf, von seiner Profession her ein Jongleur mit literarisc­hen Bällen, ist auch ein leidenscha­ftlicher Kinogänger – und Weltenwand­erer dazu. Seine Wanderung durch das Dorf der 13 Dörfer endet an der Kirche St. Nikolaus. Allerdings endet sie erfolglos, denn der Pfarrer ist auf Pilgerfahr­t und der Kaplan dummerweis­e nicht zum Zwölfuhrlä­uten bereit.

„Das wollte ich dir noch erzählt haben, sage ich zu meiner Frau und lege ihr Foto wieder obenauf in meinen Rucksack. Von weit her lächelt sie mir zu.“Wehmütiges Ende eines bei aller Munterkeit wehmütigen Romans. Am Ausgang mehrerer Episoden hocken hoch in den Baumkronen Krähen, „die dem Treiben schwarz und stumm zusahen“. Es müssen wohl Köpfs Nornen sein. Braumüller, 240 Seiten, 24 Euro

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Foto: Privatbesi­tz Heimat und naturverbu­nden: Der Allgäuer Schriftste­ller Gerhard Köpf beim Wan dern.
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