Ein Ohrwurm ist selten große Kunst
Es gibt Stücke, die einem tage-, wochen-, monatelang nicht aus dem Ohr gehen. Sie müssen nicht von Mozart, Beethoven und Bruckner komponiert sein. Manchmal wird man Opfer der einfachsten musikalischen Tricks – etwa einer Liedzeile. „Holland ist die geilste Stadt der Welt“ist so ein Titel. Witzig, überdreht und irgendwie wahr. Als Titeltrack eines Silvesterfests war der Song perfekt.
Nun erreichte die Redaktion eine Nachricht, die die deutsche Musikwelt wohl nicht erschüttern, in Augsburg aber den einen oder anderen Plärrer-Fan nachdenklich stimmen wird: Die Isartaler Hexen gehen 2018 auf Abschiedstournee – dann fliegen sie auf ihren Besen davon. Die Hexen? Ja, das sind acht Frauen, die bestens die Klaviatur einer ausufernden Bierzelt-Party beherrschen, die ein paar eigene Nummern spielen, vor allem aber den richtigen Hit zum richtigen Zeitpunkt eines Abends. Über sich selbst singen sie: „Brave Mädchen kommen in den Himmel … doch die Bösen kommen überallhin!“Auf dem Augsburger Plärrer haben die Hexen die Dienstage in einen handfesten Partytag verwandelt.
Nun langt es Ulla, der Bandleaderin. 18 Jahre lang war sie als Oberhexe auf Tournee. Ein Fulltime-Job, ein Knochenjob, schließlich spielen sie an den Abenden oft vier oder fünf Stunden Programm. Jetzt will Ulla die Beine hochlegen. Für Sängerin Susal alias Susanne Franz ist das der Moment, sich auf eine Solokarriere zu konzentrieren, ihre erste eigene Schlager-Auskopplung heißt „Neubeginn“. Das klingt erst einmal nicht mehr nach Bierzelt und „Die Maßen hoch“. Man kann schon jetzt sagen: Liebe Hexen, auf dem Plärrer werdet ihr eine Lücke hinterlassen. Und: Kein Publikum ist wendischer als ein Bierzeltpublikum.
Da fällt mir ein legendärer Abend in Thüringen ein. Michelstadt, Rennsteiglauf, großes Bierzelt, abends wollen 5000 Besucher feiern. Es tritt aber nicht die ursprünglich vorgesehene Band auf, die Band, die auch die Rennsteighymne eingespielt hat, sondern eine andere. Diese andere Band will um 18 Uhr loslegen, hat aber Probleme mit dem Sound. Das Bierzelt tobt. Ein Pfeifkonzert schlägt den Musikern entgegen. Vor der Bühne schimpfen Fans der RennsteigHymnenband: „Zieht Leine, haut ab, ihr habt hier nichts zu suchen“. Die Bierzeltbesucher fangen ohne Band zu singen an: die RennsteigHymne, den Holzmichl. Gegen das Pfeifkonzert und ein buhendes Publikum legen nun die Musiker los: die Rennsteig-Hymne und den Holzmichl, immer im Wechsel, drei Mal hintereinander. Und weil schon genügend Bier im Spiel ist, singen bei der zweiten Wiederholung alle mit. Der Abend endet spät.
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„Intermezzo“ist unsere KulturKolumne, in der Redakteure schreiben, was ihnen die Woche über aufgefallen ist.
Sie schreitet unerbittlich voran – die Zeit, wer hält sie fest? Doch bleiben Erinnerung und Überlieferung. Genau dies thematisiert die neue Ausstellung des Berufsverbands Bildender Künstler in der Galerie im Abraxas. Zum Beispiel das (echte!) Fenster in die Familiengalerie von Liliana Mesmer. In Leporellos purzeln Fotos heraus aus ihrer Kindheit in Temesvar und von ihren Vorfahren; alte Zeiten bestürmen das Gedächtnis und fordern Aufmerksamkeit.
Unter dem Motto „Bewahren und Loslassen“versammelt der BBK die Arbeiten von 52 Künstlern aus Schwaben und aus dem KunstBund Chemnitz. Es ergab sich nämlich, dass beide Vereinigungen 2016 fast themengleiche Ausstellungen