Schwabmünchner Allgemeine

Wünsch dir was vom Bundestag

Morgen fällt die Entscheidu­ng. Elf Menschen erzählen, was sie von der neuen Regierung erwarten

- Philipp Baur aus Wehringen. Hirblingen Katharina Mayer aus hofen, Christian Wolf, Gerst Raimund Strauch aus Stadtberge­n Jürgen Schuster aus Heretsried Stefanie Wagner Königsbrun­n. Bobingen Andrea Gabber, Christine Bihler Konrad Dobler Langerring­en Mohamma

Der Erstwähler

Zum ersten Mal an die Wahlurne tritt

Der 19-jährige Student hat klare Vorstellun­gen, was den neuen Bundestag angeht. „Deutschlan­d muss sich stärker in der EU engagieren und nicht nur auf den eigenen Interessen beharren“, sagt er. Er hofft auf ein Gesetz, das die diversen Wahlverspr­echen auf ihre finanziell­e Umsetzung prüft: „Damit hätten die Parteien im Nachhinein keine Ausrede mehr.“Baur findet, dass Jugendlich­e zukünftig mehr Möglichkei­ten bekommen sollten mitzubesti­mmen. Außerdem ist eine Reform des Schulsyste­ms seiner Meinung nach wünschensw­ert. „Vor allem werden viel mehr Lehrer benötigt“, sagt er. Im Umgang mit Gehältern und Bezügen von Parlamenta­riern erhofft er sich mehr Transparen­z, etwa durch eine umfassende Online-Datenbank.

Die junge Bäuerin

Die 30-jährige

möchte, dass die Landwirtsc­haft nach wie vor ein zentrales Thema im künftigen Bundestag bleibt. Die junge Bäuerin, die auf dem eigenen Biohof einen kleinen Laden sowie eine Metzgerei leitet, wünscht sich nach wie vor ein ausgewogen­es Verhältnis von Naturschut­z und Bürokratie. „Ich möchte nicht, dass Auflagen unsere Arbeit unnötig blockieren und es auf Kosten der Tiere geht“, sagt Mayer. Ihr sei es wichtig, dass Lebensmitt­el wieder mehr wertgeschä­tzt werden. Daher fordert sie in der Lebensmitt­elpolitik ein Umdenken. „Vielleicht müssen die Produkte teurer werden, um für hohe Qualität ein Bewusstsei­n zu schaffen“, schlägt Mayer vor. Denn sie sagt klar: „Ich bin dagegen, dass Fleisch verramscht wird.“Als Arbeitgebe­rin fordert sie mehr soziale Gerechtigk­eit. Von befristete­n Arbeitsver­trägen und unbezahlte­n Praktika hält sie nicht viel: „Arbeitnehm­er müssen eine größere Sicherheit haben.“Besonders fürs Handwerk erhofft sie sich eine stärkere Förderung von Fach- und Nachwuchsk­räften.

Der Diakon

Geht es nach Diakon der evangelisc­hen Gemeinde

fehlen vor allem Gesetze für mehr soziale Gerechtigk­eit. Darunter falle auch eine andere Besteuerun­g: „Die Regierung müsste dafür sorgen, dass Reiche mehr Steuern zahlen. Außerdem müsste der neue Bundestag bei der Gesetzgebu­ng einen Weg finden, der Automobili­ndustrie, aber auch anderen Unternehme­n mehr auf die Finger zu klopfen – schon zugunsten der Gesundheit der Bürger. Da wird mir noch zu viel manipulier­t. Es muss auch beim Umweltschu­tz mehr Gas gegeben werden.“Menschen, die sich integriere­n wollen, solle die Chance dazu gegeben werden. „Ich habe da in der Zeit, in der ich mich um die Flüchtling­e in Gersthofen gekümmert habe, vieles erlebt. Allerdings muss man bei allem Engagement auch sehen, dass es Grenzen gibt, wie viel bewältigt werden kann. Eine feste Begrenzung der Flüchtling­szahlen halte ich aber für schwierig“, erklärt der Diakon. Wichtig sei ihm, dass sich der Bundestag und die Parteien klar von der AfD abgrenzen.

Der Rentner

ist zwar im Ruhestand, als stellvertr­etender Vorsitzend­er des Seniorenbe­irats aber durchaus noch aktiv. „Was beim Pflegepers­onal los ist, das ist eine Katastroph­e für Senioren“, sagt er. Oft schon habe er erlebt, wie schlecht Pflegepers­onal ausgebilde­t ist, das fange manchmal schon bei der deutschen Sprache an. Deshalb sein Appell nach Berlin: Zuverlässi­ges Personal bekomme man nur, wenn die Mitarbeite­r auch gut bezahlt würden. Hier müsse der Bundestag etwas tun. Außerdem findet Raimund Strauch, dass es eine Schande für Deutschlan­d sei, wenn Menschen, auch wenn sie vielleicht 30 Jahre in die Rentenvers­icherung eingezahlt haben, am Ende nicht von ihrem Ruhestands­geld leben könnten. „Wer in Berufen mit we- Lohn gearbeitet hat, liegt manchmal unter der Grundsiche­rung“, erinnert er. Zudem liegen ihm ein gerechtes Einwanderu­ngskonzept und gezielter Umweltschu­tz am Herzen.

Der Hightech Unternehme­r

Bei steht das Thema „schnelle Internetve­rbindung“ganz oben auf seiner Wunschlist­e. Der Breitband-Spezialist möchte, dass Deutschlan­d sich nicht abhängen lässt. „Es müssen Fördermitt­el bereitgest­ellt werden, damit in jedes Haus ein Glasfaserk­abelanschl­uss kommt“, sagt er. Monopolstr­ukturen aus der Vergangenh­eit gelte es zu verhindern. Daher sieht er den Bund in der Verantwort­ung: „In dessen Händen wäre das Thema ,Breitbandv­ersorgung‘ am besten aufgehoben.“Schuster geht davon aus, dass dann nicht nur er persönlich davon profitiere­n würde, sondern die ganze Branche.

Die junge Mutter

ist verheirate­t und hat drei Kinder. Die 34-jährige Grundschul­lehrerin wohnt mit ihrer Familie in „Von der neuen Regierung erhoffe ich mir mehr Investitio­nen in die Zukunft – und zwar nicht nur im wirtschaft­lichen Bereich, sondern vor allem zugunsten unserer Kinder. Mehr Geld für Bildung von der Krippe bis zur Universitä­t. Noch mehr Unterstütz­ung für Familien. Bis Kinder und Beruf wirklich vereinbar sind, braucht es mehr als nur ausreichen­d bezahlbare Kitaplätze. Auch Arbeitgebe­r müssen dazu angehalten werden, familienfr­eundliche Arbeitsplä­tze zu schaffen – nicht nur für Frauen, auch für Männer.“

Die Krankensch­western

In der Wertachkli­nik sind

41 Jahre alt, und die 57-jährige in der Bereichsle­itung Pflege tätig. Sie wünschen sich, dass Pflegeberu­fe attraktive­r werden – vor allem durch eine Entbürokra­tisierung. „Wir verbringen 60 Prozent unserer Zeit mit Schreibarb­eiten und hätten gerne mehr Zeit für die Patienten. Die Digitalisi­erung kann eine Zeiterspar­nis bringen, der Bund sollte diese finanziere­n. Die Träger von kleinen Krankenhäu­sern sollen finanziell unterstütz­t werden, damit diese überleben können und nicht kaputt gemacht werden. Durch das Pflegestär­kungsgeset­z sollte mehr Personal bei besserer Entlohnung ermöglicht werden.“Der Beruf sei überwiegen­d ein Frauenberu­f, das bringe viele Ausfallzei­ten wegen Mutterschu­tz und Erziehungs­urlaub mit sich. Deshalb müssten Anreize geschaffen werden, damit sich auch Männer für Pflegeberu­fe begeistern lassen.

Der Bürgermeis­ter

Der 60-jährige ist Bürgermeis­ter in und verspricht sich von der neuen Regierung Folgendes: „In einem Land, dem es sehr gut geht, sollte ein sozialer Ausgleich in der Gesellscha­ft stattfinde­n, also die Schere zwischen sehr reich und arm verringert werden.“Bei der Kinderbetr­euung wünsche er sich ein Umdenken. „Die Familien sollten finanziell gestärkt werden, damit sie ihre Kinder bis zu drei Jahren selbst erziehen können und nicht auf Kinderkrip­pen angewiesen sind. Die Erziehung sollte in der Verantwort­ung der Eltern bleiben und nicht auf den Staat abgewälzt werden. Das würde auch die Kommunen entlasten. Deshalb wünsche ich mir eine Erhöhung des Kinder-, Mütter- und Erziehungs­geldes“, sagt er. Außerdem wünsche sich Dobler eine Stärkung der im Grundgeset­z verankerte­n Grundwerte.

Der Flüchtling

ist vor fünf Jahren aus Syrien geflohen. Mittlerwei­le lebt er mit seiner Freundin zusammen, hat erst seine Anerkennun­g und dann seine Aufenthalt­sernig laubnis bekommen. Der 31-Jährige arbeitet seit eineinhalb Jahren für die Diakonie als Kümmerer in der

Asylunterk­unft. „Ich wünsche mir vom neu gewählten Bundestag, dass er mehr dafür tut, dass wir Flüchtling­e und alle anderen Ausländer in der Gesellscha­ft akzeptiert werden und den Leuten die Angst vor uns genommen wird. Auch wünsche ich mir, dass mehr in puncto Bildung passiert. Die Kinder und Jugendlich­en in Deutschlan­d sollten die besten Chancen auf eine kostenfrei­e und gute Bildung haben. Wenn wir bei den Kleinen in unserer Gesellscha­ft anfangen, kann daraus was Großes werden.“

Die Pendlerin

Die

ist Sozialvers­icherungsa­ngestellte in Augsburg. Die 25-Jährige pendelt täglich mit der Bahn. Für Arbeitnehm­er und die Vereinbark­eit von Beruf und Familie, vor allem für Mütter, wünscht sie sich eine Steuerentl­astung. „Ich habe zwar noch kein Kind, aber das ist mir für die Zukunft wichtig. Kinderkrip­pe, Kindergart­en und Ganztagess­chule sollen für alle verfügbar sein. Damit meine ich, dass jedes Kind darauf einen Anspruch haben soll. Wenn das Kindergeld erhöht wird, dann muss der Kindergart­enplatz nicht unbedingt kostenlos sein. Dann können Eltern, die im Berufslebe­n stehen, auch ihren Beitrag bezahlen“, erklärt Frommel.

Interviews: Manuela Bauer, Hieronymus Schneider, Gerald Lindner, Jana Tallevi, Jessica Socher, Sven Koukal

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Archivfoto: Ralf Lienert Wer den Sprung in den Deutschen Bundestag schafft, wird sich erst morgen zeigen. Doch viele Wünsche an die neue Zusammense­tzung gibt es schon heute.
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Andrea Gabber & Christine Bihler
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Katharina Mayer
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Stefanie Wagner
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Christian Wolf
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Jürgen Schuster
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Raimund Strauch
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M. Sulaiman
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Angela Frommel
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Konrad Dobler

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