Wünsch dir was vom Bundestag
Morgen fällt die Entscheidung. Elf Menschen erzählen, was sie von der neuen Regierung erwarten
Der Erstwähler
Zum ersten Mal an die Wahlurne tritt
Der 19-jährige Student hat klare Vorstellungen, was den neuen Bundestag angeht. „Deutschland muss sich stärker in der EU engagieren und nicht nur auf den eigenen Interessen beharren“, sagt er. Er hofft auf ein Gesetz, das die diversen Wahlversprechen auf ihre finanzielle Umsetzung prüft: „Damit hätten die Parteien im Nachhinein keine Ausrede mehr.“Baur findet, dass Jugendliche zukünftig mehr Möglichkeiten bekommen sollten mitzubestimmen. Außerdem ist eine Reform des Schulsystems seiner Meinung nach wünschenswert. „Vor allem werden viel mehr Lehrer benötigt“, sagt er. Im Umgang mit Gehältern und Bezügen von Parlamentariern erhofft er sich mehr Transparenz, etwa durch eine umfassende Online-Datenbank.
Die junge Bäuerin
Die 30-jährige
möchte, dass die Landwirtschaft nach wie vor ein zentrales Thema im künftigen Bundestag bleibt. Die junge Bäuerin, die auf dem eigenen Biohof einen kleinen Laden sowie eine Metzgerei leitet, wünscht sich nach wie vor ein ausgewogenes Verhältnis von Naturschutz und Bürokratie. „Ich möchte nicht, dass Auflagen unsere Arbeit unnötig blockieren und es auf Kosten der Tiere geht“, sagt Mayer. Ihr sei es wichtig, dass Lebensmittel wieder mehr wertgeschätzt werden. Daher fordert sie in der Lebensmittelpolitik ein Umdenken. „Vielleicht müssen die Produkte teurer werden, um für hohe Qualität ein Bewusstsein zu schaffen“, schlägt Mayer vor. Denn sie sagt klar: „Ich bin dagegen, dass Fleisch verramscht wird.“Als Arbeitgeberin fordert sie mehr soziale Gerechtigkeit. Von befristeten Arbeitsverträgen und unbezahlten Praktika hält sie nicht viel: „Arbeitnehmer müssen eine größere Sicherheit haben.“Besonders fürs Handwerk erhofft sie sich eine stärkere Förderung von Fach- und Nachwuchskräften.
Der Diakon
Geht es nach Diakon der evangelischen Gemeinde
fehlen vor allem Gesetze für mehr soziale Gerechtigkeit. Darunter falle auch eine andere Besteuerung: „Die Regierung müsste dafür sorgen, dass Reiche mehr Steuern zahlen. Außerdem müsste der neue Bundestag bei der Gesetzgebung einen Weg finden, der Automobilindustrie, aber auch anderen Unternehmen mehr auf die Finger zu klopfen – schon zugunsten der Gesundheit der Bürger. Da wird mir noch zu viel manipuliert. Es muss auch beim Umweltschutz mehr Gas gegeben werden.“Menschen, die sich integrieren wollen, solle die Chance dazu gegeben werden. „Ich habe da in der Zeit, in der ich mich um die Flüchtlinge in Gersthofen gekümmert habe, vieles erlebt. Allerdings muss man bei allem Engagement auch sehen, dass es Grenzen gibt, wie viel bewältigt werden kann. Eine feste Begrenzung der Flüchtlingszahlen halte ich aber für schwierig“, erklärt der Diakon. Wichtig sei ihm, dass sich der Bundestag und die Parteien klar von der AfD abgrenzen.
Der Rentner
ist zwar im Ruhestand, als stellvertretender Vorsitzender des Seniorenbeirats aber durchaus noch aktiv. „Was beim Pflegepersonal los ist, das ist eine Katastrophe für Senioren“, sagt er. Oft schon habe er erlebt, wie schlecht Pflegepersonal ausgebildet ist, das fange manchmal schon bei der deutschen Sprache an. Deshalb sein Appell nach Berlin: Zuverlässiges Personal bekomme man nur, wenn die Mitarbeiter auch gut bezahlt würden. Hier müsse der Bundestag etwas tun. Außerdem findet Raimund Strauch, dass es eine Schande für Deutschland sei, wenn Menschen, auch wenn sie vielleicht 30 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben, am Ende nicht von ihrem Ruhestandsgeld leben könnten. „Wer in Berufen mit we- Lohn gearbeitet hat, liegt manchmal unter der Grundsicherung“, erinnert er. Zudem liegen ihm ein gerechtes Einwanderungskonzept und gezielter Umweltschutz am Herzen.
Der Hightech Unternehmer
Bei steht das Thema „schnelle Internetverbindung“ganz oben auf seiner Wunschliste. Der Breitband-Spezialist möchte, dass Deutschland sich nicht abhängen lässt. „Es müssen Fördermittel bereitgestellt werden, damit in jedes Haus ein Glasfaserkabelanschluss kommt“, sagt er. Monopolstrukturen aus der Vergangenheit gelte es zu verhindern. Daher sieht er den Bund in der Verantwortung: „In dessen Händen wäre das Thema ,Breitbandversorgung‘ am besten aufgehoben.“Schuster geht davon aus, dass dann nicht nur er persönlich davon profitieren würde, sondern die ganze Branche.
Die junge Mutter
ist verheiratet und hat drei Kinder. Die 34-jährige Grundschullehrerin wohnt mit ihrer Familie in „Von der neuen Regierung erhoffe ich mir mehr Investitionen in die Zukunft – und zwar nicht nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern vor allem zugunsten unserer Kinder. Mehr Geld für Bildung von der Krippe bis zur Universität. Noch mehr Unterstützung für Familien. Bis Kinder und Beruf wirklich vereinbar sind, braucht es mehr als nur ausreichend bezahlbare Kitaplätze. Auch Arbeitgeber müssen dazu angehalten werden, familienfreundliche Arbeitsplätze zu schaffen – nicht nur für Frauen, auch für Männer.“
Die Krankenschwestern
In der Wertachklinik sind
41 Jahre alt, und die 57-jährige in der Bereichsleitung Pflege tätig. Sie wünschen sich, dass Pflegeberufe attraktiver werden – vor allem durch eine Entbürokratisierung. „Wir verbringen 60 Prozent unserer Zeit mit Schreibarbeiten und hätten gerne mehr Zeit für die Patienten. Die Digitalisierung kann eine Zeitersparnis bringen, der Bund sollte diese finanzieren. Die Träger von kleinen Krankenhäusern sollen finanziell unterstützt werden, damit diese überleben können und nicht kaputt gemacht werden. Durch das Pflegestärkungsgesetz sollte mehr Personal bei besserer Entlohnung ermöglicht werden.“Der Beruf sei überwiegend ein Frauenberuf, das bringe viele Ausfallzeiten wegen Mutterschutz und Erziehungsurlaub mit sich. Deshalb müssten Anreize geschaffen werden, damit sich auch Männer für Pflegeberufe begeistern lassen.
Der Bürgermeister
Der 60-jährige ist Bürgermeister in und verspricht sich von der neuen Regierung Folgendes: „In einem Land, dem es sehr gut geht, sollte ein sozialer Ausgleich in der Gesellschaft stattfinden, also die Schere zwischen sehr reich und arm verringert werden.“Bei der Kinderbetreuung wünsche er sich ein Umdenken. „Die Familien sollten finanziell gestärkt werden, damit sie ihre Kinder bis zu drei Jahren selbst erziehen können und nicht auf Kinderkrippen angewiesen sind. Die Erziehung sollte in der Verantwortung der Eltern bleiben und nicht auf den Staat abgewälzt werden. Das würde auch die Kommunen entlasten. Deshalb wünsche ich mir eine Erhöhung des Kinder-, Mütter- und Erziehungsgeldes“, sagt er. Außerdem wünsche sich Dobler eine Stärkung der im Grundgesetz verankerten Grundwerte.
Der Flüchtling
ist vor fünf Jahren aus Syrien geflohen. Mittlerweile lebt er mit seiner Freundin zusammen, hat erst seine Anerkennung und dann seine Aufenthaltsernig laubnis bekommen. Der 31-Jährige arbeitet seit eineinhalb Jahren für die Diakonie als Kümmerer in der
Asylunterkunft. „Ich wünsche mir vom neu gewählten Bundestag, dass er mehr dafür tut, dass wir Flüchtlinge und alle anderen Ausländer in der Gesellschaft akzeptiert werden und den Leuten die Angst vor uns genommen wird. Auch wünsche ich mir, dass mehr in puncto Bildung passiert. Die Kinder und Jugendlichen in Deutschland sollten die besten Chancen auf eine kostenfreie und gute Bildung haben. Wenn wir bei den Kleinen in unserer Gesellschaft anfangen, kann daraus was Großes werden.“
Die Pendlerin
Die
ist Sozialversicherungsangestellte in Augsburg. Die 25-Jährige pendelt täglich mit der Bahn. Für Arbeitnehmer und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, vor allem für Mütter, wünscht sie sich eine Steuerentlastung. „Ich habe zwar noch kein Kind, aber das ist mir für die Zukunft wichtig. Kinderkrippe, Kindergarten und Ganztagesschule sollen für alle verfügbar sein. Damit meine ich, dass jedes Kind darauf einen Anspruch haben soll. Wenn das Kindergeld erhöht wird, dann muss der Kindergartenplatz nicht unbedingt kostenlos sein. Dann können Eltern, die im Berufsleben stehen, auch ihren Beitrag bezahlen“, erklärt Frommel.
Interviews: Manuela Bauer, Hieronymus Schneider, Gerald Lindner, Jana Tallevi, Jessica Socher, Sven Koukal