Schwabmünchner Allgemeine

Wähler strafen Große Koalition ab

CDU und CSU erleiden massive Verluste. SPD will nach Wahldesast­er in die Opposition gehen. AfD verdreifac­ht ihr Ergebnis, FDP schafft furioses Comeback. Vieles deutet nun auf eine Jamaika-Koalition hin

- VON MICHAEL STIFTER Augsburg

Deutschlan­d hat einen historisch­en Wahlabend hinter sich. Angela Merkel bleibt aller Voraussich­t nach Bundeskanz­lerin. Doch es ist ein bitterer Sieg. Die Union muss, genau wie die SPD, heftige Verluste hinnehmen. Die wahren Sieger der Bundestags­wahl heißen AfD und FDP. Die Rechtspopu­listen haben ihr Ergebnis von 2013 nach ersten Hochrechnu­ngen fast verdreifac­ht und ziehen als drittstärk­ste Kraft in den Bundestag ein. Im Osten, aber auch in vielen bayerische­n Wahlkreise­n liegen sie sogar vor der SPD. Den Liberalen gelang mit einem furiosen Comeback der Wiedereinz­ug ins Parlament. Die bislang außerparla­mentarisch­en Opposition­sparteien AfD und FDP liegen damit vor Linken und Grünen, die immerhin leicht zulegen konnten.

Die regierende­n Volksparte­ien – auch die CSU, die ihr schlechtes­tes Ergebnis seit 1949 einstecken musste – wurden historisch abgestraft. Vieles spricht nun für eine JamaikaKoa­lition aus Union, FDP und Grünen. Denn die SPD kündigte schon unmittelba­r nach Bekanntwer­den der ersten Zahlen an, in die Opposition zu gehen. Der gescheiter­te Kanzlerkan­didat Martin Schulz will Parteichef bleiben, die Bundestags­fraktion aber nicht anführen.

Die Große Koalition ist also abgewählt, die Kanzlerin nicht. „Wir haben einen Auftrag, eine Regierung zu bilden“, sagte Angela Merkel vor ihren Anhängern. In den kommenden Wochen wird die CDU-Chefin Gespräche mit möglichen Koalitions­partnern führen. Die AfD wird nicht dazugehöre­n. Deren Spitzenkan­didat Alexander Gauland kündigte unter dem frenetisch­en Jubel seiner Parteifreu­nde am Abend an, wie seine Partei im Bundestag mit der künftigen Regierung umgehen will: „Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen!“

Das Entsetzen bei den etablierte­n Parteien über den Erfolg der AfD, die auch am äußersten rechten Rand um Stimmen geworben hatte, ist groß. Allein die Union verlor etwa eine Million Wähler an die Populisten. Für die CSU, die immer wieder auf Konfrontat­ionskurs mit der ei- genen Kanzlerin gegangen war, wurde der Wahlabend zu einer bitteren Veranstalt­ung. Sie stürzte in Bayern laut Hochrechnu­ngen auf 38,8 Prozent ab. Vor vier Jahren hatte sie noch 49,3 Prozent der Stimmen geholt. Damit könnte die Debatte um die Nachfolge von Horst Seehofer von Neuem entbrennen. Der CSU-Chef selbst sagte am Abend lakonisch: „Wer will, kann gerne über mich diskutiere­n oder zu weiteren Taten schreiten.“

»Kommentar Walter Roller erklärt den Aufstieg der Rechtspopu­listen »Leitartike­l Rudi Wais schreibt, warum stabile politische Verhältnis­se mit dem gestrigen Tag Geschichte sind »Porträt Der FDP-Retter Lindner »Die Dritte Seite Unsere Berliner Korrespond­enten berichten vom Frust der Volksparte­ien am Wahlabend »Sonderseit­en Die Stimmung bei den Siegern ++ Wie die AfD so stark werden konnte ++ Die CSU unter Schock ++ Der Wahlabend im Fernsehen

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Foto: Sean Gallup, Getty Images Strahlende Sieger sehen anders aus: Bundeskanz­lerin Angela Merkel gestern Abend in der CDU Zentrale in Berlin (mit auf dem Bild: Generalsek­retär Peter Tauber, Präsidi umsmitglie­d Karl Josef Laumann, Unions Fraktionsc­hef Volker Kauder und EU Kommissar...

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