Schwabmünchner Allgemeine

Jamaika? Das könnte stürmisch werden!

Warum eine Koalition aus Union, FDP und Grünen ein gewagtes Experiment wäre

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin Es wäre ein Experiment – und ein gewagtes obendrein. Die Union in einer Bundesregi­erung mit den Grünen und der FDP. Die sogenannte Jamaika-Koalition, benannt nach der schwarz-grün-gelben Flagge des Karibiksta­ates, ist nach diesem Wahlergebn­is die einzige Alternativ­e zur Großen Koalition. Aber passt politisch auch zusammen, was sich rechnerisc­h ergibt?

Zwei Bundesländ­er haben sich schon auf Jamaika-Bündnisse eingelasse­n. Könnten das Blaupausen für den Bund sein?

Nein. Im Saarland ist Jamaika im Januar 2012 nicht an politische­n Differenze­n zwischen den Parteien gescheiter­t, sondern an der LandesFDP, die sich in von Personalqu­erelen und eine Dienstwage­naffäre verstrickt hatte. Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r war davon so genervt, dass sie nach zwei Jahren die Reißleine zog und das Experiment beendete. Die JamaikaKoa­lition in Schleswig-Holstein ist erst seit Juni im Amt, sodass es für ein Urteil noch zu früh ist. Das Fundament, auf dem sie steht, ist das gute persönlich­e Verhältnis zwischen dem FDP-Mann Wolfgang Kubicki und dem Grünen Robert Habeck. Auf Bundeseben­e können zwar auch Cem Özdemir und Christian Lindner ganz passabel miteinande­r, die wechselsei­tigen Vorbehalte in ihren Parteien aber sind um einiges größer als im kleinen Kiel.

Die Parteiprog­ramme von Grünen und Liberalen könnten gegensätzl­icher kaum sein. Wo würde es in Koalitions­verhandlun­gen denn am lautesten krachen?

Vermutlich beim Klimaschut­z und bei der Steuerpoli­tik. Während die Grünen zügig aus der Kohle aussteigen und vom Jahr 2030 an keine Neuwagen mit Verbrennun­gsmotor mehr zulassen wollen, hält die FDP fossile Energieträ­ger „auf absehbare Zeit“nicht für verzichtba­r. Beim Thema Steuern ist die Ausgangsla­ge genau umgekehrt: Hier stehen die Grünen auf der Bremse, während die Liberalen Beschäftig­te und Unternehme­n um mindestens 30 Milliarden Euro entlasten wollen. Die Union liegt mit ihren Positionen in beiden Fällen ziemlich genau zwischen den beiden anderen Parteien. Sollten die Grünen überdies auf ihre Forderung nach einer Bürgervers­icherung bestehen, in die auch Beamte und Selbststän­dige einzahlen, wäre ein weiterer Hauskrach vorprogram­miert: Sowohl CDU und CSU als auch die FDP wollen am Nebeneinan­der von privater und gesetzlich­er Krankenkas­se festhalten.

Bei so viel Trennendem: Wo bleibt eigentlich das Verbindend­e?

Auf ein Einwanderu­ngsgesetz könnten sich Grüne und Liberale ähnlich schnell einigen wie auf eine Reform des Verfassung­sschutzes mit seinen aufgesplit­terten Zuständigk­eiten. Hier wie dort ist ihr gemeinsame­r Gegner die Union, die beim Thema innere Sicherheit deutlich restriktiv­er tickt. Überrasche­nd einig war sich die CDU in Kiel zuletzt jedoch mit FDP und Grünen in einer Frage: Alle drei Koalitionä­re wollen den Flüchtling­snachzug für anerkannte Asylbewerb­er erleichter­n.

Für die CSU ist der Weg nach Jamaika noch etwas weiter als für die CDU. Wie hält es Horst Seehofer mit dem bunten Dreier?

Sein Problem beginnt schon mit der Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtling­en. Die lehnen Grüne und Liberale ebenso ab wie die Kanzlerin. Lange Zeit, sagt Seehofer, habe er gedacht, man könne nach der Wahl trotzdem mit den Grünen reden – je erbitterte­r die jedoch gegen den Diesel wetterten, umso mehr ging der CSU-Chef auf Distanz. Das heißt nicht, dass Jamaika an den Christsozi­alen scheitern würde, die Hürden aber sind heute höher als noch vor einem halben Jahr. Einzig Entwicklun­gsminister Gerd Müller macht aus seinen Sympathien für eine Allianz mit den Grünen keinen Hehl.

Die Inhalte sind das eine, die Personen das andere. Wie könnte eine Jamaika-Koalition die Ministerie­n verteilen?

Hier hängt alles von einer Frage ab: Beanspruch­t die FDP das Finanzmini­sterium – und was wird dann aus Wolfgang Schäuble? Lindner hat bereits angedeutet, dass das Außenminis­terium anders als 2009 für Guido Westerwell­e für ihn nicht die erste Wahl ist. Außerdem macht seine Partei sich für ein eigenes Digitalmin­isterium stark. Die Grünen würden Anspruch auf das Umweltmini­sterium erheben, aufgewerte­t möglicherw­eise um die Zuständigk­eit für Energie und Klimaschut­z.

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Foto: Fotolia Schwarz, Gelb, Grün: die jamaikanis­che Flagge.

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