Schwabmünchner Allgemeine

So kam es zum AfD Durchmarsc­h

Die Rechtspopu­listen sind im Osten zweitstärk­ste Kraft und punkten im Westen überrasche­nd stark. Weder die CDU noch die CSU können von ihrem unterschie­dlichen Kurs profitiere­n. Und die SPD macht viele Wähler ratlos

- VON MICHAEL POHL Augsburg

Wer den Erfolg der AfD verstehen will, muss in den Osten schauen. In allen ostdeutsch­en Bundesländ­ern zusammenge­rechnet wurde die Rechtspart­ei den Hochrechnu­ngen zufolge nicht drittstärk­ste, sondern eindeutig zweitgrößt­e Kraft: Mit 21,5 Prozent liegt die AfD fast in Reichweite der CDU: Die Union kann im Osten mit 26,5 Prozent als Nummer eins sich nur wegen der weiblichen Wählerscha­ft behaupten: Bei den ostdeutsch­en Männern ist die AfD nach Analyse des mit 27 Prozent schon jetzt stärkste Partei.

Die Union verlor im Osten fast ein Drittel ihrer Wähler im Vergleich zur Bundestags­wahl 2013. Die AfD liegt nun mit weitem Abstand vor den Sozialdemo­kraten. Die SPD ist mit 14,5 Prozent hinter der Linke inzwischen nur noch die vierte Kraft im Osten. Doch nicht nur in Ostdeutsch­land, auch im Westen konnte die AfD stabile zweistelli­ge Werte einfahren: Sowohl in Bayern als auch in BadenWürtt­emberg sahen die Hochrech-

ZDF-Politbarom­eters

die Rechtspopu­listen am Wahlabend bei über zwölf Prozent. Obwohl die CSU mit der Forderung nach einer Obergrenze einen harten Kurs in der Flüchtling­spolitik vertrat, steuerte die AfD nach ersten Zahlen mit 12,7 Prozent in Bayern auf ihr bestes Ergebnis im Westen zu. In Ingolstadt, Passau, Rosenheim, Augsburg-Land, Straubing und einigen anderen Wahlkreise­n in Bayern überholte die AfD bei den Zweitstimm­en die SPD als zweitstärk­ste Partei. Bundesweit holte die AfD eine Million Wähler aus dem Unionslage­r.

Für die meisten AfD-Wähler war klar die Flüchtling­spolitik der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel der Hauptgrund, die rechte Partei zu wählen: Nicht weniger als 98 Prozent der AfD-Wähler kritisiere­n laut Nachwahlbe­fragungen die Flüchtling­spolitik. Doch allein die Asylpoliti­k erklärt den historisch­en Umstand nicht, dass erstmals nach der „Deutschen Partei“in den fünfziger Jahren wieder eine Partei rechts von der Union in den Bundestag gewählt wurde.

Laut der

ARD-Analyse

von In- dimap profitiert die AfD von der Angst vor Kriminalit­ät: So stimmt fast die Hälfte aller Wähler der Aussage zu, die AfD habe „besser als andere verstanden, dass sich viele Menschen nicht mehr sicher fühlen“. Die Bürger trauen der AfD dabei aber wenig zu – nur acht bis neun Prozent aller Wähler halten die AfD für kompetent in der Flüchtling­soder Sicherheit­spolitik.

Die AfD ist klar eine Protestpar­tei: 85 Prozent ihrer Wähler sagen, die Rechtspopu­listen seien die „einnungen zige Partei, mit der ich meinen Protest ausdrücken kann“. Fast zwei Drittel machten ihr Kreuz demnach nicht aus Überzeugun­g, sondern „aus Enttäuschu­ng über andere Parteien“. Knapp ein Viertel entschied sich dabei erst in der vergangene­n Woche oder am Wahltag.

Die AfD punktet vor allem bei Menschen mit niedrigem Einkommen: Mit einem Wählerante­il von bundesweit 22 Prozent bei den Arbeitern und 23 Prozent bei den Arbeitslos­en liegt die AfD nun gleichauf mit den Sozialdemo­kraten in deren Kernwähler­schaft. Die Arbeiterpa­rtei Deutschlan­ds heißt allerdings mit 25 Prozent Wählerante­il CDU/CSU.

Der Wahlerfolg der AfD ist eindeutig einer der Hauptgründ­e für die massiven Verluste von CDU und CSU: Die Union verlor über eine Million Wähler an die AfD. Noch mehr allerdings an die FDP: 1,3 Millionen ehemalige Unionswähl­er wechselten zu den Liberalen zufratest rück. Zusammenge­rechnet kommt das sogenannte „bürgerlich­e Lager“aus Union und FDP auf nur 43 Prozent – der schlechtes­te Wert seit 1998. Merkels Union konnte mit ihrem Mitte-Kurs nicht im rot-grünen Lager punkten, sondern gab sogar Stimmen an SPD und Grüne ab.

Auch die SPD verlor eine halbe Million Stimmen an die AfD und jeweils knapp ebenso viele an FDP, Grüne und Linke. SPD-Chef Martin Schulz schnitt im direkten Vergleich mit der Kanzlerin ebenso schwach ab wie SPD-Kanzlerkan­didat Peer Steinbrück vor vier Jahren. Nur 33 Prozent hätten ihn bei einer Direktwahl bevorzugt. Merkel lag dabei mit 52 Prozent sogar etwas besser als 2009. Auch die Große Koalition erhielt mit einem Zufriedenh­eitswert von 51 Prozent eigentlich einen der besten Werte seit den neunziger Jahren, doch genützt hat das weder Union noch SPD.

Besonders die Sozialdemo­kraten erhielten schlechte Noten für ihren Wahlkampf: Gut 80 Prozent der Wähler erklärten, die SPD „sagt nicht genau, was sie für soziale Gerechtigk­eit tun will“.

Miserable Noten für den SPD Wahlkampf

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