So kam es zum AfD Durchmarsch
Die Rechtspopulisten sind im Osten zweitstärkste Kraft und punkten im Westen überraschend stark. Weder die CDU noch die CSU können von ihrem unterschiedlichen Kurs profitieren. Und die SPD macht viele Wähler ratlos
Wer den Erfolg der AfD verstehen will, muss in den Osten schauen. In allen ostdeutschen Bundesländern zusammengerechnet wurde die Rechtspartei den Hochrechnungen zufolge nicht drittstärkste, sondern eindeutig zweitgrößte Kraft: Mit 21,5 Prozent liegt die AfD fast in Reichweite der CDU: Die Union kann im Osten mit 26,5 Prozent als Nummer eins sich nur wegen der weiblichen Wählerschaft behaupten: Bei den ostdeutschen Männern ist die AfD nach Analyse des mit 27 Prozent schon jetzt stärkste Partei.
Die Union verlor im Osten fast ein Drittel ihrer Wähler im Vergleich zur Bundestagswahl 2013. Die AfD liegt nun mit weitem Abstand vor den Sozialdemokraten. Die SPD ist mit 14,5 Prozent hinter der Linke inzwischen nur noch die vierte Kraft im Osten. Doch nicht nur in Ostdeutschland, auch im Westen konnte die AfD stabile zweistellige Werte einfahren: Sowohl in Bayern als auch in BadenWürttemberg sahen die Hochrech-
ZDF-Politbarometers
die Rechtspopulisten am Wahlabend bei über zwölf Prozent. Obwohl die CSU mit der Forderung nach einer Obergrenze einen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik vertrat, steuerte die AfD nach ersten Zahlen mit 12,7 Prozent in Bayern auf ihr bestes Ergebnis im Westen zu. In Ingolstadt, Passau, Rosenheim, Augsburg-Land, Straubing und einigen anderen Wahlkreisen in Bayern überholte die AfD bei den Zweitstimmen die SPD als zweitstärkste Partei. Bundesweit holte die AfD eine Million Wähler aus dem Unionslager.
Für die meisten AfD-Wähler war klar die Flüchtlingspolitik der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel der Hauptgrund, die rechte Partei zu wählen: Nicht weniger als 98 Prozent der AfD-Wähler kritisieren laut Nachwahlbefragungen die Flüchtlingspolitik. Doch allein die Asylpolitik erklärt den historischen Umstand nicht, dass erstmals nach der „Deutschen Partei“in den fünfziger Jahren wieder eine Partei rechts von der Union in den Bundestag gewählt wurde.
Laut der
ARD-Analyse
von In- dimap profitiert die AfD von der Angst vor Kriminalität: So stimmt fast die Hälfte aller Wähler der Aussage zu, die AfD habe „besser als andere verstanden, dass sich viele Menschen nicht mehr sicher fühlen“. Die Bürger trauen der AfD dabei aber wenig zu – nur acht bis neun Prozent aller Wähler halten die AfD für kompetent in der Flüchtlingsoder Sicherheitspolitik.
Die AfD ist klar eine Protestpartei: 85 Prozent ihrer Wähler sagen, die Rechtspopulisten seien die „einnungen zige Partei, mit der ich meinen Protest ausdrücken kann“. Fast zwei Drittel machten ihr Kreuz demnach nicht aus Überzeugung, sondern „aus Enttäuschung über andere Parteien“. Knapp ein Viertel entschied sich dabei erst in der vergangenen Woche oder am Wahltag.
Die AfD punktet vor allem bei Menschen mit niedrigem Einkommen: Mit einem Wähleranteil von bundesweit 22 Prozent bei den Arbeitern und 23 Prozent bei den Arbeitslosen liegt die AfD nun gleichauf mit den Sozialdemokraten in deren Kernwählerschaft. Die Arbeiterpartei Deutschlands heißt allerdings mit 25 Prozent Wähleranteil CDU/CSU.
Der Wahlerfolg der AfD ist eindeutig einer der Hauptgründe für die massiven Verluste von CDU und CSU: Die Union verlor über eine Million Wähler an die AfD. Noch mehr allerdings an die FDP: 1,3 Millionen ehemalige Unionswähler wechselten zu den Liberalen zufratest rück. Zusammengerechnet kommt das sogenannte „bürgerliche Lager“aus Union und FDP auf nur 43 Prozent – der schlechteste Wert seit 1998. Merkels Union konnte mit ihrem Mitte-Kurs nicht im rot-grünen Lager punkten, sondern gab sogar Stimmen an SPD und Grüne ab.
Auch die SPD verlor eine halbe Million Stimmen an die AfD und jeweils knapp ebenso viele an FDP, Grüne und Linke. SPD-Chef Martin Schulz schnitt im direkten Vergleich mit der Kanzlerin ebenso schwach ab wie SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück vor vier Jahren. Nur 33 Prozent hätten ihn bei einer Direktwahl bevorzugt. Merkel lag dabei mit 52 Prozent sogar etwas besser als 2009. Auch die Große Koalition erhielt mit einem Zufriedenheitswert von 51 Prozent eigentlich einen der besten Werte seit den neunziger Jahren, doch genützt hat das weder Union noch SPD.
Besonders die Sozialdemokraten erhielten schlechte Noten für ihren Wahlkampf: Gut 80 Prozent der Wähler erklärten, die SPD „sagt nicht genau, was sie für soziale Gerechtigkeit tun will“.
Miserable Noten für den SPD Wahlkampf