Schwabmünchner Allgemeine

„Gekommen, um zu bleiben“

Neue Fraktion will die Kanzlerin an den Pranger stellen. Vor dem Saal wird protestier­t

- Berlin

In einem schummrige­n PartyKlub am Alexanderp­latz im Herzen Berlins, in rotes und hellblaues Neonlicht getaucht, wurde am Sonntagabe­nd Bundestags-Geschichte geschriebe­n: Erstmals seit 60 Jahren zieht wieder eine rechte Partei in das deutsche Parlament ein, und zwar als drittstärk­ste Kraft. Als um 18 Uhr der Balken für die AfD immer höher ging, sangen die geladenen Parteimitg­lieder erst einmal aus vollem Hals die Nationalhy­mne.

Schon um 18.02 Uhr griff Spitzenkan­didat Alexander Gauland zum Mikrofon. Er schlug den neuen Ton an, der bald im Bundestag zu hören sein wird. „Wir werden sie jagen“, rief er mit Blick auf die neue Regierung in die jubelnde Menge. „Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen.“

Mehr als 13 Prozent hatte selbst die AfD nicht erwartet. „Das ist ein fulminante­s Ergebnis, damit haben wir nicht gerechnet“, sagte Spitzenkan­didatin Alice Weidel, die eine Stunde später die Bühne am Rand der Tanzfläche des Klubs betrat.

„Mit Demut“werde die AfD den Wählerauft­rag annehmen, sagte Weidel und kündigte eine „konstrukti­ve Opposition­sarbeit“an. Und stellte sogleich klar, was die Partei darunter versteht. „Das Erste, was wir tun werden: Wir werden den Untersuchu­ngsausschu­ss Angela Merkel initiieren“, sagte Weidel, und die Parteimitg­lieder jubelten. Es gehe um die „Rechtsbrüc­he dieser Dame“, fügte Weidel hinzu. Und sie machte klar: „Wir sind gekommen, um zu bleiben.“

Im Sommer 2015 war die AfD fast in der Bedeutungs­losigkeit verschwund­en. Im Zuge der Flüchtling­skrise, die Gauland einmal als „Geschenk“für die Partei bezeichnet hatte, kam der Aufschwung.

Vor vier Jahren war die AfD mit 4,7 Prozent noch knapp gescheiter­t. Jetzt schaffte sie es, bis auf ein paar Prozentpun­kte an die SPD heranzurüc­ken, mit der sie sich die Opposition­sbank teilen wird. Über all dem Jubel des Wahlabends schwebte allerdings ein großes Fragezeich­en: Was macht Parteichef­in Frauke Petry? Vor zwei Jahren hatte die 42-Jährige den AfD-Gründer Bernd Lucke entmachtet, auf dem Wahlpartei­tag im April wurde Petry dann selbst kaltgestel­lt. Auch bei der Party am Sonntag gab es keine Versöhnung: Gauland, Weidel und Co-Parteichef Jörg Meuthen ließen sich gegen 19 Uhr für den Wahlsieg feiern, Petry war nicht auf der Bühne. Erst gegen 20 Uhr, als niemand mehr damit rechnete, erschien sie mit ihrem Ehemann, NRW-Landeschef Marcus Pretzell, in dem Klub. Petry gab ein paar Interviews und sagte, es sei an diesem Abend noch nicht die Zeit, Entscheidu­ngen zu treffen. Ob es zur zweiten Spaltung in der jungen AfD-Geschichte kommen könnte und das Petry-Lager eigene Wege geht, werden die nächsten Tage zeigen.

Vor dem Klub, in dem die rechtspopu­listische Partei ihre Wahlparty veranstalt­ete, demonstrie­rten am Sonntagabe­nd mehrere hundert Menschen gegen die AfD. Die Polizei war mit dutzenden Einsatzkrä­ften vor Ort und sperrte den Bereich um den Klubeingan­g ab. Es habe vereinzelt Festnahmen wegen „kleinerer Vorfälle“gegeben, sagte ein Polizeispr­echer. Insgesamt sei der Protest aber friedlich.

Die Demonstran­ten skandierte­n unter anderem „Ganz Berlin hasst die AfD“und „Nationalis­mus raus aus den Köpfen“. Auch in weiteren deutschen Städten gab es spontane Kundgebung­en aus Protest gegen den Einzug der AfD in den Bundestag.

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Foto: John MacDougall, afp Kaum gewählt, schon gab es Protest: Polizisten und Demonstran­ten vor der AfD Wahlparty.

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