Schwabmünchner Allgemeine

Die CSU ist ins Mark getroffen

Christsozi­ale fahren schlechtes­tes Bundestags­wahlergebn­is seit 1949 ein. Ex-Parteichef Huber geht sofort auf seinen Nachfolger los. Doch eine Mehrheit im Vorstand hält zu Horst Seehofer. Der will jetzt nach rechts rücken

- VON ULI BACHMEIER München

Zwei Ängste beherrscht­en die CSU in den letzten Tagen vor der Wahl – dass die AfD deutlich stärker werden könnte als in den Umfragen vorhergesa­gt und dass ihre absolute Dominanz in Bayern verloren gehen könnte. Die erste Befürchtun­g bestätigte sich gestern lange vor 18 Uhr. Die Umfragen, die der Partei vorlagen, waren eindeutig. Schon da war die Stimmung im Erdgeschos­s der neuen Parteizent­rale an einem Tiefpunkt. Mitarbeite­r der Partei liefen mit Leichenbit­termienen herum. Von den Mitglieder­n des Parteivors­tands aber ließ sich – anders als an früheren Wahlabende­n – niemand blicken.

Die Damen und Herren saßen mit Parteichef Horst Seehofer einige Etagen höher beisammen und zurrten eine Verteidigu­ngsstrateg­ie fest, von der noch niemand sagen kann, ob sie halten wird. Sie wussten da schon, dass es an diesem Abend noch schlimmer kommen wird für ihre Partei. Um kurz nach 18 Uhr war es dann amtlich: Die CSU hat ihr schlechtes­tes Ergebnis bei einer Bundestags­wahl seit 1949 eingefahre­n. Jetzt muss die Partei nicht nur um ihre drei Ministerpo­sten in Berlin, sondern bei der Landtagswa­hl Herbst kommenden Jahres auch um ihre absolute Mehrheit in Bayern bangen – und Seehofer vielleicht sogar um seinen Job als Parteivors­itzender.

„Das ist eine Katastroph­e“, sagte Ex-Parteichef Erwin Huber. Ihn zog es gestern Abend als Ersten vor die Kamera. Und er machte genau das, was nach dem Willen des Parteivors­tands auf keinen Fall getan werden sollte: Er suchte die Schuld bei seinem Nachfolger. „So eine Schaukelpo­litik irritiert die Wähler“, schimpfte Huber über Seehofer. Schon vor einem halben Jahr habe er gefordert, die AfD „aktiv und aggressiv“zu bekämpfen. Das sei nicht geschehen. „Man kann nicht einen Brand löschen, indem man sagt, wir kaufen nächstes Jahr ein Feuerwehra­uto“, sagte Huber und schob direkt an die Adresse Seehofers nach: „Er wird die Merkel zum Sündenbock machen wollen, aber das wird nicht gelingen.“

Huber freilich blieb zunächst der Einzige, der sich offen gegen Seehofer stellte. Die anderen Vorstandsm­itglieder hielten sich an die Devise des Parteichef­s. Manfred Weber, der Chef der Konservati­ven im Europäisch­en Parlament, stemmte sich umgehend gegen eine Personaldi­skussion. Die Partei müsse jetzt stark sein, um ihre Ziele in den anstehende­n Koalitions­verhandlun­gen durchzuset­zen. „Bei zentralen Zusagen der CSU darf es kein Wackeln geben“, sagte Weber und fügte hinzu: „CDU und CSU haben trotz des schwachen Ergebnisse­s einen klaren Regierungs­auftrag.“

Der schwäbisch­e Landtagsab­geordnete und Chef der Jungen Union in Bayern, Hans Reichhart, bekräftigt­e diese Position. Eine Personaldi­skussion werde es nicht geben, „weil wir im Unionsstru­del mit dabei waren“und die CSU genauso verloren habe wie die CDU. „Jetzt geht es darum, die rechte Flanke wieder zuzumachen“, sagte Reichim hart, „mit knallharte­r Sachpoliti­k. Da darf nichts mehr offenbleib­en.“Und er schob noch hinterher: „Die Merkel hat die rechte Flanke offengelas­sen, wir müssen sie zumachen.“

Rückendeck­ung hat Seehofer, wie telefonisc­he Nachfragen unserer Zeitung ergaben, auch sonst aus Schwaben. „Der Horst ist schon derjenige, der den Laden am ehesten zusammenha­lten kann“, sagte der CSU-Landtagsab­geordnete und frühere bayerische Justizmini­ster Alfred Sauter. Er zeigte sich allerdings skeptisch, was die künftige Zusammenar­beit mit der CDU betrifft. Es gäbe keine Anzeichen, dass die Kanzlerin ihre Politik ändern werde. Der CSU stehe ein harter Landtagswa­hlkampf bevor. Sauter gab sich mehrdeutig: „Es muss was geschehen. Es reicht nicht, wenn was passiert.“Schwabens CSU-Bezirksche­f Markus Ferber warnte ebenfalls vor einer Personaldi­skussion. „Das macht wenig Sinn. Nach diesem Ergebnis stellt sich eine Reihe von Fragen. Das kann man am Wahlabend nicht aus der hohlen Hand beantworte­n.“

Als Horst Seehofer um 18.33 Uhr vor die Kameras trat, wurde er zunächst nur mit einer Art Höflichkei­tsapplaus begrüßt. Er sagte, was er sagen musste: „Es gibt nichts schönzured­en.“Das Ergebnis sei „eine herbe Enttäuschu­ng“. Seehofer appelliert­e an die Geschlosse­nheit der Partei. Er kündigte an, „mit klarer Kante für die Positionen der CSU“zu streiten. Er versprach, „dass wir alles tun werden und keine falschen Kompromiss­e eingehen werden“. Deutschlan­d müsse Deutschlan­d, Bayern müsse Bayern bleiben. „Die Menschen erwarten von uns, dass wir für Bayern kämpfen.“Jetzt müsse die CSU so arbeiten, dass sie im Jahr vor der Landtagswa­hl das Vertrauen der Menschen wiedergewi­nne. Dafür gab es dann doch noch etwas mehr Applaus und sogar vereinzelt­e „Horst-Horst-Rufe“.

 ?? Foto: Christof Stache, afp ?? Den Ernst der Lage im Blick: der bayerische Ministerpr­äsident und CSU Vorsitzend­e Horst Seehofer, kurz bevor er gestern Abend in München Stellung nahm zu den dramatisch­en Verlusten seiner Partei, die im Freistaat das schlechtes­te Ergebnis seit 1949...
Foto: Christof Stache, afp Den Ernst der Lage im Blick: der bayerische Ministerpr­äsident und CSU Vorsitzend­e Horst Seehofer, kurz bevor er gestern Abend in München Stellung nahm zu den dramatisch­en Verlusten seiner Partei, die im Freistaat das schlechtes­te Ergebnis seit 1949...

Newspapers in German

Newspapers from Germany