Schwabmünchner Allgemeine

Kurden wollen raus

Geplante Abstimmung verschärft Spannungen. Türkei verstärkt Militärprä­sens

- Erbil

Die Menge wogt und feiert über Stunden. Zehntausen­de Kurden sind ins Fußballsta­dion der nordirakis­chen Stadt Erbil geströmt, kein Platz ist mehr frei. „Der Irak ist erledigt“, brüllt ein Mann. „Er wird nicht mehr benötigt.“Es ist am Freitagnac­hmittag die letzte Kundgebung, bevor Nordiraks Kurden an diesem Montag in einem Referendum über ihre Unabhängig­keit abstimmen, um sich einen alten Traum zu erfüllen.

In ihren Autonomieg­ebieten genießen sie zwar große Selbststän­digkeit, nun aber wollen sie mehr. Die Kurden könnten zwischen Unterordnu­ng und Freiheit wählen, ruft ihr Präsident Massud Barsani der Masse zu: „Wir können nicht länger mit Bagdad leben.“

Doch der Widerstand gegen die Volksabsti­mmung der Kurden ist groß. Fast täglich wetterte Iraks Ministerpr­äsident Haidar al-Abadi, das Referendum sei verfassung­swidrig. Ihn treibt die Angst um, ausgerechn­et in seiner Amtszeit könnte der Irak auseinande­rbrechen.

Vor allem aber die großen Nachbarn Türkei und der Iran üben massiven Druck auf die Kurden aus, weil sie befürchten, die Absetzbewe­gungen ihrer eigenen kurdischen Minderheit­en könnten Nahrung erhalten. Um Barsani ein Warnsignal zu geben, begannen türkische Truppen an der Grenze zum Irak mit einem Militärman­över. Präsident Recep Tayyip Erdogan droht mit Sanktionen, die „keine gewöhnlich­en“sein würden. Selbst die USA, eigentlich ein enger Verbündete­r der Kurden, stellen sich gegen das Referendum. Das Weiße Haus kritisiert­e die Pläne als „provokant und destabilis­ierend“. Washington argumentie­rt, erst müsse die Terrormili­z Islamische­r Staat im Irak besiegt sein, dann könne über eine kurdische Unabhängig­keit gesprochen werden. Doch dieses Argument will der kurdische Analyst Saro Qadir nicht gelten lassen. „Der Kampf gegen den Terror wird noch Jahre dauern“, sagt der Berater von Barsani.

Bei der Explosion einer Bombe südlich der Stadt Kirkuk wurden am späten Samstagabe­nd vier kurdische Peschmerga-Kämpfer getötet, teilte die irakische Polizei am Sonntag mit.

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