Schwabmünchner Allgemeine

Vorbei ist’s mit der Bierruhe

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger allgemeine.de

Älter werdenden Biertrinke­rn wird wohl nicht zu Unrecht ein gewisser Hang zu Muse und Kontemplat­ion nachgesagt. Sie wollen ihre Ruhe haben – getreu dem Motto, das schon im 18. Jahrhunder­t in einen Zinndeckel graviert wurde: „Des Himmels Freude dort, der Erde Segen hier, dies ist mein Herzenswun­sch, nichts weiter wünsch ich mir.“

Eine derartige Lebenseins­tellung geht – zuvorderst in Bayern – mit einem ausgeprägt­en Eigensinn über die Beschaffen­heit des Bieres einher. Traditione­ll gebraut muss es sein, nach dem Reinheitsg­ebot, versteht sich, und es soll so schmecken, wie es immer schon geschmeckt hat: süffig und vollmundig das Helle, malzaromat­isch das Dunkle, fruchtig und hefeblumig das Weißbier, feinherb und hopfenbitt­er das Pils, kräftig und süß der Doppelbock.

In diese geordnete und bewährte Geschmacks­welt freilich brechen immer mehr und mit immer größerer Wucht erschütter­nde Neuerungen ein. Wer hip sein will, trinkt Kreativ-Bier, Craft-Beer oder gleich Selbstgebr­autes. Was das im Einzelnen genau ist, darüber wird heute nicht mehr im Wirtshaus gestritten, sondern im Internet.

Der vergangene­s Jahr gegründete Verein „Deutsche Kreativbra­uer e.V.“will das Reinheitsg­ebot durch ein „Natürlichk­eitsgebot“ersetzen. Craft-Beer-Produzente­n wollen den Brau-Konzernen Paroli bieten und bestehen zugleich darauf, ganz anders und vor allem viel hipper zu sein als die kleinen Hausbrauer, die es in Bayern schon gab, als ihre Urgoßväter noch barfuß und mit dem Butterbrot in der Hand hinter der Blasmusik hergelaufe­n sind.

Es stellt sich die Frage: Muss Bier wirklich nach Mango, Grapefruit oder grünem Apfel schmecken? Besonders junge Frauen mögen das, heißt es beim Bayerische­n Brauerbund in München. In dem Markt sei zurzeit „jede Menge Musik drin“. Der Bericht einer jungen Kollegin, die in Italien mit einem nach Heidelbeer­en schmeckend­en Gebräu in Kontakt kam, lässt allerdings zur Vorsicht raten. Wohl nicht ohne Grund hat der Rat der Bischofsst­adt Eichstätt schon 1507 den Bierbrauer­n verboten, „alle diese den Kopf tollmachen­den Kräuter“ins Bier zu mischen. Mit der Ruh’ kann’s da schnell vorbei sein.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany