Schwabmünchner Allgemeine

Ein Theater ist besetzt

Eskalation im Streit um Volksbühne Berlin

- Berlin

Der Streit um den Intendante­nwechsel an der Berliner Volksbühne ist heillos eskaliert: Seit Freitag haben Sympathisa­nten des geschieden­en Intendante­n Frank Castorf und seines Theaterver­ständnisse­s das Haus am Rosa-LuxemburgP­latz besetzt. Die Leitung der Volksbühne um Intendant Chris Dercon will das seit gestern nicht länger hinnehmen: „Wir fordern, dass die Politik jetzt dringend ihrer Verantwort­ung nachkommt und handelt“, erklärten Intendant Chris Dercon und Programmdi­rektorin Marietta Piekenbroc­k in einer Mitteilung. Womit letztlich die Räumung des Theaters von den Besetzern gefordert sein dürfte.

Bei der Berliner Kulturverw­altung hatte es zuvor geheißen, es gebe weitere Gespräche mit den Hausbesetz­er-Aktivisten; eine Räumung sei jedoch noch nicht angedacht. Eine Reaktion auf die direkte Forderung Dercons blieb bis zum Sonntagnac­hmittag aus.

Die Volksbühne besetzt hält das Künstlerko­llektiv „Staub zu Glitter“. Ihre Übernahme sei als „darstellen­de Theaterper­formance“zu betrachten. „Wir wollen mit unserer transmedia­len Theaterins­zenierung ein Zeichen setzen gegen die aktuelle Kultur- und Stadtentwi­cklungspol­itik“, schreiben die Aktivisten.

Stadtpolit­ische und soziale Themen seien zwar wichtig für die Hauptstadt, erklärten dazu Dercon und Piekenbroc­k. „Aber wir verurteile­n die unverantwo­rtliche Art und Weise“, mit der sich die Aktivisten am Freitagnac­hmittag das Haus griffen. Diese hätten ihre Anliegen über die Sicherheit der Mitarbeite­r und auch über die ihres eigenen

„Sie stellen sich in beispiello­ser Anmaßung über unsere Künstler.“

Publikums gestellt. „Und sie stellen sich in beispiello­ser Anmaßung über unsere Künstler und deren Arbeit.“Dercon kündigte an, am Montag den Probenbetr­ieb, der am Freitag unterbroch­en werden musste, wiederaufz­unehmen. Das allerdings scheint mit den Veranstalt­ungen der Aktivisten unvereinba­r.

Die Besetzung der Volksbühne hatte am Samstagabe­nd so viele Menschen zu dem Theater gelockt, dass ein Einlass-Stopp verhängt werden musste. Mehr als 500 Leute seien aus Sicherheit­sgründen nicht in den Räumen erlaubt, twitterten die Aktivisten. „Bitte seid solidarisc­h und kommt in den nächsten Tagen wieder.“Zu ihren Unterstütz­ern zählen sie laut einer Liste auch die Bands Beatsteaks und Tocotronic sowie den Autor und Kabarettis­ten Marc-Uwe Kling („Die Känguru-Chroniken“).

Das Künstlerko­llektiv hat inzwischen auch ehemalige Mitglieder der Volksbühne zum Mitmachen aufgerufen. Eine Sprecherin erklärte in der Abendschau von Rundfunk Berlin und Brandenbur­g, es werde nicht die Person Chris Dercons kritisiert, nur die Stadtpolit­ik. Die Aktion sei seit langem geplant gewesen.

Um die Zukunft des Theaters gibt es schon seit 2015 Streit. Auslöser ist die Übernahme des Hauses durch Dercon, der als Nachfolger des langjährig­en Chefs Frank Castorf kam. Kritiker befürchten, dass die Volksbühne zu einem kommerzial­isierten Eventtheat­er werden könnte. In dem Haus sind ab November Aufführung­en des Dercon-Teams geplant. Derzeit finden Vorstellun­gen nur am zweiten Spielort auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof statt.

Die Volksbühne erklärte, dass die geplanten Vorstellun­gen dort selbstvers­tändlich stattfände­n. Den Aktivisten in der Volksbühne rieten sie: „Bitte lüftet mal.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany