Das neue Leben der „Landshut“
1977 entführten Terroristen die Lufthansa-Maschine mit mehr als 80 Menschen an Bord. Nach der Befreiung rottete sie in Brasilien vor sich hin. Ihre Rückkehr ist ein Fest
Mahnmale gibt es viele in Deutschland. Sie erinnern an die Toten zweier Weltkriege, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft und des DDR-Unrechtsstaats. Der linksextremistische Terror der 70er Jahre, der dutzende von Menschen das Leben kostete, hat dagegen kein zentrales Denkmal gefunden. Das wird sich bald ändern. Dafür wurde am Wochenende in Friedrichshafen die Grundlage geschaffen – mit der Ankunft der in Einzelteile zerlegten früheren Lufthansa-Maschine „Landshut“. Sie war am 13. Oktober 1977 von mit der Roten Armee Fraktion (RAF) verbündeten palästinensischen Terroristen entführt worden. Bei einem Zwischenstopp im Jemen wurde Flugkapitän Jürgen Schumann erschossen. Am 18. Oktober stürmte die Anti-TerrorEinheit GSG9 die Maschine in der somalischen Hauptstadt Mogadischu und befreite die Geiseln unversehrt.
Die Landshut ist keine steinerne Gedenkstele. Sie hat den Charakter einer Attraktion, der das Publikum mit sympathiegeleitetem Interesse begegnet. Nichts zeigt das besser als die Szenen im und um das DornierMuseum, der neuen Heimat der „Landshut“, am Samstagmorgen: Autokarawanen, eine Warteschlange vor dem Eingang und Menschentrauben vor den Zäunen, die den Zugang zum Flugfeld versperren.
„Für mich ist heute ein Tag der großen Freude“, sagt Museumschef David Dornier. Die „Landshut“wird heimgeholt aus einem entlegenen Winkel der brasilianischen Hafenstadt Fortaleza, wo sie seit einem schweren Defekt 2008 flugunfähig lag. Dornier veranstaltet an diesem Tag ein fröhliches Bürgerfest. Bratwürste werden gebrutzelt, Getränke ausgeschenkt, „Landshut“-Buttons verteilt. Auf der Bühne der Museumshalle spielt eine Kapelle SambaMelodien.
Das Schauspiel beginnt kurz nach 9 Uhr mit der Landung eines riesigen Antonow-Frachtflugzeugs. Applaus aus dem Publikum. Nach einem Tankstopp auf den Kapverdischen Inseln vor Afrika hat die russische Besatzung das letzte Drittel der Reise gemacht. Gäste, für die die „Landshut“-Entführung und ihre Befreiung durch das Spezialkommando GSG9 in Mogadischu ein Teil ihres Lebens ist, streben dem Riesen entgegen. Dazu gehört Gabriele von Lutzau, die trotz einer schweren Erkältung von Frankfurt an den Bodensee geflogen ist. Sie übersetzte bei der Entführung die Anweisungen des Anführers der Terrorgruppe für die Passagiere ins Deutsche. Heute lebt sie als Bild- hauerin im Odenwald. „Die Landshut“, sagt sie, „ist ein Symbol für die Nicht-Erpressbarkeit des Staates.“
Nachdem die Laderampe der Antonow abgesenkt ist, steht auch Jürgen Vietor, der einstige Kopilot, an – wie er sagt – „meiner Landshut“. Er legt seine Hand auf den schäbig gewordenen Lack der Rumpfnase, aber es ist eher eine Geste für die Kameraleute. Nein, feuchte Augen, sagt er, bekomme er jetzt nicht. „Fragen Sie einen Piloten nicht nach Gefühlen, wir haben keine.“Jürgen Vietor funktionierte 1977 einfach; er funktionierte, als er die Maschine nach dem Tod des Piloten Jürgen Schumann allein nach Mogadischu flog, und er funktionierte, als er nur acht Wochen nach der Befreiung wieder am Steuer der „Landshut“saß. Deren Tragflächen und das Seitenleitwerk wurden hinter den Rumpf in die Transportmaschine gepackt. Zwei Autokrane heben diesen auf einen XXL-Tieflader. Dann wird die Heimgekehrte Richtung Dornier-Museum vor das schaulustige Publikum gefahren.
Inzwischen ist ein zweiter Frachter in Friedrichshafen gelandet. Die Iljuschin-76 bringt weitere Bauteile wie die beiden Turbinen und die Leitwerke. Wie der Rumpf werden sie zunächst in einer Flughafenhalle eingelagert. Wenn das Konzept für Restaurierung und Museumsanbau steht, wird die Boeing zusammengebaut. Dann beginnt das neue Leben der „Landshut“.