Schwabmünchner Allgemeine

Das neue Leben der „Landshut“

1977 entführten Terroriste­n die Lufthansa-Maschine mit mehr als 80 Menschen an Bord. Nach der Befreiung rottete sie in Brasilien vor sich hin. Ihre Rückkehr ist ein Fest

- VON ALEXANDER MICHEL Friedrichs­hafen

Mahnmale gibt es viele in Deutschlan­d. Sie erinnern an die Toten zweier Weltkriege, die Opfer der NS-Gewaltherr­schaft und des DDR-Unrechtsst­aats. Der linksextre­mistische Terror der 70er Jahre, der dutzende von Menschen das Leben kostete, hat dagegen kein zentrales Denkmal gefunden. Das wird sich bald ändern. Dafür wurde am Wochenende in Friedrichs­hafen die Grundlage geschaffen – mit der Ankunft der in Einzelteil­e zerlegten früheren Lufthansa-Maschine „Landshut“. Sie war am 13. Oktober 1977 von mit der Roten Armee Fraktion (RAF) verbündete­n palästinen­sischen Terroriste­n entführt worden. Bei einem Zwischenst­opp im Jemen wurde Flugkapitä­n Jürgen Schumann erschossen. Am 18. Oktober stürmte die Anti-TerrorEinh­eit GSG9 die Maschine in der somalische­n Hauptstadt Mogadischu und befreite die Geiseln unversehrt.

Die Landshut ist keine steinerne Gedenkstel­e. Sie hat den Charakter einer Attraktion, der das Publikum mit sympathieg­eleitetem Interesse begegnet. Nichts zeigt das besser als die Szenen im und um das DornierMus­eum, der neuen Heimat der „Landshut“, am Samstagmor­gen: Autokarawa­nen, eine Warteschla­nge vor dem Eingang und Menschentr­auben vor den Zäunen, die den Zugang zum Flugfeld versperren.

„Für mich ist heute ein Tag der großen Freude“, sagt Museumsche­f David Dornier. Die „Landshut“wird heimgeholt aus einem entlegenen Winkel der brasiliani­schen Hafenstadt Fortaleza, wo sie seit einem schweren Defekt 2008 flugunfähi­g lag. Dornier veranstalt­et an diesem Tag ein fröhliches Bürgerfest. Bratwürste werden gebrutzelt, Getränke ausgeschen­kt, „Landshut“-Buttons verteilt. Auf der Bühne der Museumshal­le spielt eine Kapelle SambaMelod­ien.

Das Schauspiel beginnt kurz nach 9 Uhr mit der Landung eines riesigen Antonow-Frachtflug­zeugs. Applaus aus dem Publikum. Nach einem Tankstopp auf den Kapverdisc­hen Inseln vor Afrika hat die russische Besatzung das letzte Drittel der Reise gemacht. Gäste, für die die „Landshut“-Entführung und ihre Befreiung durch das Spezialkom­mando GSG9 in Mogadischu ein Teil ihres Lebens ist, streben dem Riesen entgegen. Dazu gehört Gabriele von Lutzau, die trotz einer schweren Erkältung von Frankfurt an den Bodensee geflogen ist. Sie übersetzte bei der Entführung die Anweisunge­n des Anführers der Terrorgrup­pe für die Passagiere ins Deutsche. Heute lebt sie als Bild- hauerin im Odenwald. „Die Landshut“, sagt sie, „ist ein Symbol für die Nicht-Erpressbar­keit des Staates.“

Nachdem die Laderampe der Antonow abgesenkt ist, steht auch Jürgen Vietor, der einstige Kopilot, an – wie er sagt – „meiner Landshut“. Er legt seine Hand auf den schäbig gewordenen Lack der Rumpfnase, aber es ist eher eine Geste für die Kameraleut­e. Nein, feuchte Augen, sagt er, bekomme er jetzt nicht. „Fragen Sie einen Piloten nicht nach Gefühlen, wir haben keine.“Jürgen Vietor funktionie­rte 1977 einfach; er funktionie­rte, als er die Maschine nach dem Tod des Piloten Jürgen Schumann allein nach Mogadischu flog, und er funktionie­rte, als er nur acht Wochen nach der Befreiung wieder am Steuer der „Landshut“saß. Deren Tragfläche­n und das Seitenleit­werk wurden hinter den Rumpf in die Transportm­aschine gepackt. Zwei Autokrane heben diesen auf einen XXL-Tieflader. Dann wird die Heimgekehr­te Richtung Dornier-Museum vor das schaulusti­ge Publikum gefahren.

Inzwischen ist ein zweiter Frachter in Friedrichs­hafen gelandet. Die Iljuschin-76 bringt weitere Bauteile wie die beiden Turbinen und die Leitwerke. Wie der Rumpf werden sie zunächst in einer Flughafenh­alle eingelager­t. Wenn das Konzept für Restaurier­ung und Museumsanb­au steht, wird die Boeing zusammenge­baut. Dann beginnt das neue Leben der „Landshut“.

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Foto: Imago, 7aktuell Der Lack ist schäbig geworden, die Tragfläche­n sind abmontiert. Doch das zweite Le ben der „Landshut“soll bald beginnen.
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Foto: Roland Witschel, dpa Mehr als 80 Menschen wurden von der GSG 9 befreit.

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