Schwabmünchner Allgemeine

Ein letztes Prosit?

Weil die Mannschaft sich nicht an die taktische Devise des Trainers hält und noch dazu die Ergebnisse fehlen, wird für Ancelotti nach dieser Saison wohl Schluss sein in München

- VON TILMANN MEHL München Tore

Carlo Ancelotti dürfte sich wohlgefühl­t haben. Der Mann ist weltlichen Gelüsten gegenüber nicht abgeneigt und wenn es so etwas wie eine Leistungss­chau größerer und kleinerer Sünden gibt, so findet sie zwei Herbstwoch­en lang auf der Münchner Theresienw­iese statt. Oktoberfes­t nennt sich die Veranstalt­ung zugunsten notleidend­er Festzeltwi­rte, der Münchner nennt das Treiben schlicht Wiesn. Jene Wiesn wird am mittleren Samstag hauptsächl­ich von Italienern bevölkert. Unter dem Begriff „ItalienerW­ochenende“firmiert es bei Kennern des Volksfeste­s zwischen „fremdbusse­ln“und dem „Kotzhügel“. Der Eingeboren­e weiß um den Auflauf der Italiener und spart sich entweder den Besuch an jenem Samstag oder rückt erst zum späten Nachmittag an, wenn ein Großteil der Italiener aus den Zelten kompliment­iert („schleich di“) wurde, weil sie dem Umsatz nicht mehr zuträglich sind.

Ancelotti nun dürfte also viele seiner Landsleute gesehen haben, als er sich mit Spielern und Verantwort­lichen am Samstag auf den Betriebsau­sflug auf die Wiesn begab. Und doch hat sich möglicherw­eise ein wenig Wehmut eingestell­t, als er den Krug beim „Prosit der Gemüt- lichkeit“an die Trinkgefäß­e seiner Vorgesetzt­en Uli Hoeneß und KarlHeinz Rummenigge führte. Denn immer mehr zeichnet sich ab, dass es für Ancelotti wohl keinen weiteren Wiesnbesuc­h zusammen mit dem FC Bayern geben wird.

Zu fahrig sind die Leistungen der Münchner, als dass sich die Verantwort­lichen ein drittes Jahr unter Ancelotti anschauen mögen. Man ist dem Trainer persönlich zugetan, schützt ihn in der Öffentlich­keit gegenüber Angriffen, und doch mehren sich die Anzeichen, dass dieser Trainer mit dieser Mannschaft keine großen Erfolge wird feiern können.

Was unter Pep Guardiola noch undenkbar schien, gehört mittlerwei­le zur Tagesordnu­ng: das Verweigern der taktischen Vorgaben. Nach dem 2:2 gegen Wolfsburg klagte Thomas Müller: „ Wir haben uns in der zweiten Halbzeit nicht mehr ganz als Mannschaft bewegt, sondern hatten größere Lücken, die wir so nicht haben wollen.“Ähnlich sah es Mats Hummels: „Das größte Problem war, dass wir gepresst haben. Wir wollten, wir wollten, wir wollten, aber wir waren dafür irgendwie taktisch nicht gut aufgestell­t, wir standen nicht richtig. Dabei waren die taktischen Vorgaben eigentlich relativ klar.“Ebenso klar ist aber auch, dass die Münchner die Partie auch trotzdem hätten gewinnen müssen. Der Punktverlu­st war nicht dem von Gästetrain­er Martin Schmidt exklusiv bemerkten „Riesenspie­l“seiner Mannschaft geschuldet, sondern der Nachlässig­keit der Bayern. Einige vergebene Torchancen und ein absurder Patzer von Sven Ulreich beließen die Wolfsburge­r im Spiel, die dann mit ihrer einzigen Chance zum Ausgleich diesen auch erzielten.

In der vergangene­n Saison setzten die Münchner noch darauf, dass sich Ancelottis antiautori­täre Führung zumindest in der Champions League förderlich auf gruppendyn­amische Prozesse auswirkt. Sie tat es nicht. Spielerisc­h hat sich die Mannschaft seit Ancelottis Ankunft zurückentw­ickelt. Konnten das im ersten Jahr noch Ergebnisse übertünche­n, bleiben die nun immer häufiger aus.

Eine sofortige Alternativ­e zu Ancelotti gibt es nicht, noch dazu ist der Leidensdru­ck nicht groß genug. Dass der italienisc­he Coach aber auch in der kommenden Saison zusammen mit Hoeneß und Rummenigge auf der Wiesn anstößt, ist ebenso unwahrsche­inlich wie eine Reduzierun­g des Bierpreise­s.

1:0 Lewandowsk­i (33./Foulelfmet­er), 2:0 Robben (42.), 2:1 Arnold (56.), 2:2 Di davi (83.) Zuschauer 75 000 LIGUE 1 FRANKREICH SÜPERLIG TÜRKEI

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Foto: Alexandra Baier, dpa Die Krüge hoch! Karl Heinz Rummenigge, Susi und Uli Hoeneß sowie Carlo Ancelotti üben sich in der Ein Liter Klasse und somit der Königsdisz­iplin auf dem Münchner Ok toberfest. Die Zeichen mehren sich, dass die Bosse des FC Bayern kommendes Jahr mit...
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Foto: dpa Dass die Stimmung am Tisch der Angestellt­en besser als bei den Bossen ist, gilt auf der Wiesn als normal.

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