Die Western City: Wie alles begann
Die Kulissen des Freizeitparks erhielt der Gründer Fred Rai einst als Gage. Eine Wegbegleiterin erzählt, wie aus einem Versicherungsfachmann ein Cowboy wurde. Und sie beteuert: Auch nach dem Brand wird es weitergehen
Der Großbrand in der Western-City hat eine Institution zerstört. Viele sind damit aufgewachsen, doch noch kaum einer kann sich an die Anfänge erinnern. Damals baute Fred Rai aus Kulissen, die er als Gage für einen Auftritt erhalten hatte, eine Westernstadt auf. Zur Eröffnung 1980 kam bereits Prominenz wie Heidi Brühl. Das war Manfred Raible, wie er eigentlich hieß, nicht in die Wiege gelegt, die 1941 in Ellwangen stand.
Eine langjährige Wegbegleiterin blickt im Gespräch mit unserer Zeitung zurück auf die Geschichte des „singenden Cowboys“: Gabriele Amrhein. Sie lernte Rai in den 1970er-Jahren kennen und gründete mit ihm die Western-City, viele Jahre waren sie privat ein Paar. Auch als das vorbei war, bleiben sie verbunden. Amrhein führt nach dem Tod Rais die Western-City, die er ihr im Testament überschrieben hat. Unterstützt wird sie von Rais letzter Lebensgefährtin Tessa Bauer und Volker Waschk als Geschäftsführer.
Musik und Abenteuer, erfährt der Zuhörer im Gespräch, hatten es Rai schon immer angetan. Als Jüngster von fünf Söhnen gehört Musik zum Familienleben (die Eltern hatten ein Kaufhaus in Ellwangen). Tiere hielt die Familie keine, doch Rai war von Klein an ideenreich. Er hütete bereitwillig die Kühe des Onkels – aber nur, wenn er dafür auf dem Pferd sitzen durfte. Auch die Lagerfeuerromantik der Pfadfinder genoss er. Lernen musste der Bub aber etwas Ordentliches: Versicherungskaufmann. Mit 28 Jahren war er der jüngste Direktor der Bezirksdirektion Darmstadt.
Nebenbei hatte Rai viele Aufträge als Sänger; er nahm Unterricht in Gesang, Klavier und Gitarre. Mit dem Pferd ritt er durch Deutschland. Eine dieser Reisen wurde vom ZDF verfilmt; die erste Schallplatte folgte. Als er merkte, dass der Nebenjob, dem sein Herzblut gehörte, sich nicht mehr mit dem Beruf vereinbaren ließ, machte er sich selbstständig – und so kam er nach Augsburg. Rai übernahm hier die Generaldirektion einer Versicherung. Irgendwann entdeckte er das Gelände jetzigen Western-City am Rand Dasings: ein ehemaliger Bauernhof, zu dem auch eine Wirtschaft gehört hatte. Rai kaufte das Areal, um dort mit Familie und Pferden zu leben. Damals war er verheiratet. Die Töchter leben inzwischen anderswo, seine damalige Ehefrau ist bis heute in der Western-City geblieben.
Rai gab schließlich den Versicherungsjob auf. Er wollte sich ganz dem Singen widmen. Das Wagnis gelang; bereits damals waren Auftritte auf dem Pferderücken von „Spitzbub“sein Markenzeichen. Für einen dieser Auftritte erhielt er Ende der 70er in Gummersbach die Kulissen einer Westernstadt als Gage – sie kamen mit der Eisenbahn in Dasing an. Anfangs wurden sie in einem Gesamtpaket mit Programm an Firmen für Feiern vermietet, erinnert Gabriele Amrhein sich, die Rai in den 70ern bei einem gemeinsamen Auftritt kennengelernt hatte. Eines Tages veranstaltete er dann auf seinem eigenen Gelände ein Ranch-Fest. Das kam an, die Autos parkten weit die B300 entlang. Er und Amrhein gründeten daraufhin den Freizeitpark.
Später entwickelte er die gewaltlose Form des RAI-Reitens, gründete den Europäischen Pferdeschutzbund
Allein im Jahr 1980 kamen rund 60 000 Besucher
und die Bundesvereinigung für RAI-Reiten. Er beschäftigte sich mit Psychologie, beobachtete auf Reisen durch Amerika stundenlang Tiere, traf den Forscher Bernhard Grzimek: Solche Ereignisse prägten den Mann, der immer ein Herz für Menschen und für Tiere hatte.
In der damaligen Zeit war die Western-City eine der Attraktionen weit und breit. 60 000 Besucher kamen allein 1980, auch in den 2000ern machte sie einen Millionenumsatz, wie Rai damals im Gespräch mit unserer Zeitung sagte. Er selber absolvierte im Leben tausende Auftritte, komponierte und spielte Platten ein. 2005 rief er außerdem die Süddeutschen Karl-May-Festspiele ins Leben. Wie ging das?
Er sei ein extrem begeisterungsfähiger, zupackender Mensch gewesen, der mit jedem gut umgehen konnte, beschreibt ihn Amrhein. Und das Abenteuer steckte ihm im Blut. Nur mit Mühe habe sie ihn da- von abbringen können, eine Westernstadt in Spanien zu übernehmen. Allerdings erwarb das Paar in Tombstone, Arizona, die Lucky Hills Ranch, zu der es sie in den Wintermonaten zog. 84 Quadratkilometer ist sie groß, wobei ein Teil dieser Flächen in einer Art Erbpachtsystem vergeben ist. Auf der Ranch, die jetzt Amrhein gehört, werden Rinder und Pferde gezüchtet. Rai starb 2015 nach einer Herzattacke auf dem Pferderücken. Western-City mit Übernachtungsder möglichkeiten und Ferienprogramm sowie Festspiele seien auch danach gut gelaufen, betont Amrhein. Auch das aktuelle Feuer bedeute nicht das Aus: „Die Western-City muss wieder aufgebaut werden“. Allerdings kann sie sich einen anderen Schwerpunkt vorstellen, sei es auf Reiten oder Show.
Die Polizei habe die Brandstelle freigegeben. Momentan sei ein Gutachter der Versicherung damit beschäftigt, die Schadenssumme zu erheben – schwieriges Unterfangen, da alle Unterlagen verbrannt sind. Bevor die Polizei ihre Ermittlungen abgeschlossen hat, wird von der Versicherung ohnehin kein Geld fließen. Doch man bereitet sich auf die Zeit danach vor. Angebote etwa für den Abtransport des Schutts und den Wiederaufbau der Reithalle sind bereits eingeholt. Notfalls werde man kommendes Jahr mit Provisorien weitermachen. Amrhein bekräftigt, auch im Namen des Teams: „Wenn man so lange mit Fred Rai zusammen war, gibt man nicht auf“.