Das Theater hat eine neue Heimat
Die Spielstätte wurde mit einem Fest eröffnet. Die ersten Besucher haben sich schon eine Meinung gebildet
Auf dem Plakat steht „Etwas Unvernunft bitte“, darunter ist ein Pfeil. Da entlang. Drei Kinder versuchen, mit Stelzen zu balancieren. Die Jugend weiß, wie schön das zweckfreie Spielen sein kann. An diesem letzten Septembersonntag, an diesem Wahlsonntag, sind viele Kinder im Martinipark. Das Theater feiert dort seinen Spielzeitauftakt, das Team unter der neuen Intendanz lädt erstmals sein Publikum ein und gleichzeitig wird eine neue Spielstätte eröffnet. Da fällt tatsächlich vieles zusammen an diesem schönen, lauwarmen Spätsommeroder Frühherbsttag, je nachdem, wie man es betrachten will.
Je-Nachdem lässt sich auch bei Besuchern heraushören, wenn sie über ihre ersten Eindrücke von der neuen Spielstätte berichten. Der Industriehallen-Charme hat die Augsburgerin Renate Pape erst einmal irritiert. „Ich vermisse das gemütliche Theater“, sagt sie. Und schiebt gleich hinterher, dass sie froh ist, dass es nun endlich wieder einen festen Ort für das Dreispartenhaus gebe. Ganz anders fällt die erste Reaktion der Augsburgerin Michaela Berz aus: „Der Ort hat eine gute Aura, ich bin schon gespannt, wie es wird.“Beide gehen oft und gerne ins Theater.
Schon bei der offiziellen Übergabe gelingt es dem neuen Intendanten André Bücker, raffiniert das erste Publikum im Saal zu durchmischen. Auf die Eröffnungsreden von Wolfgang Geisler, dem Geschäftsführer des Martiniparks, Oberbürgermeister Kurt Gribl und von André Bücker folgt ein Familienkonzert der Augsburger Philharmoniker. Weil es keine Pause gibt, bleiben fast alle 600 Zuhörer sitzen: treue Theatergänger, Sponsoren des Theaters, Honoratioren, dazu aber auch Familien, viele Kinder. Ein Mix, wie es ihn nicht allzu oft gibt.
Bei den Eröffnungsreden wird noch einmal die große Erleichterung spürbar, den Innenausbau der beiden ineinander übergehenden Industriehallen auf dem Martinipark in der kurzen Zeit realisiert zu haben. Faktisch war es vom BaubeDas ginn bis zur Eröffnung nur ein halbes Jahr. Noch ein paar Wochen zuvor hätte wohl kein Außenstehender gedacht, dass es klappt, so Geisler. Endlich sei die Odyssee mit der ständigen Suche nach neuen Spielstätten beendet, gebe es wieder einen neuen Heimathafen für das Theater, betonte Gribl. Und Bücker nannte es einen „emotionalen Moment, ein kleines, nein eher schon ein großes Theaterwunder“, was da vollbracht worden sei.
Kulturreferent Thomas Weitzel, in dessen Verantwortung der Innenausbau von städtischer Seite lag, schlägt – assistiert von Gribl – den ersten Gong. Sprecherin Katja Schild und die Augsburger Philharmoniker führen Sergei Prokofjews Märchen „Peter und der Wolf“auf. Die Kinder erraten, welche Instrumente in dem Stück welchen Tieren zugeordnet sind. Die Erwachsenen können hinterher in dem Werk auch ein Sinnbild für die ganze Theatermisere des vergangenen Jahres sehen: Dann wäre der Wolf ein Symbol für die Widrigkeiten, mit denen das Theater im vergangenen Jahr durch die Schließung des Großen Hauses konfrontiert war.
Nun lernt das Publikum nicht nur die Spielstätte, sondern auch das Ensemble kennen – die Ballettkompanie auf der Bühne, das Leitungsteam und Ensemble-Mitglieder beim Speed-Dating. Draußen im Park, wo auch eine Bühne ist, zeigt sich Bücker von seiner geschäftlichpraktischen Seite. „Ein wunderbarer Mantel, aus Glitzerfolie, etwas Besonderes, ein Schnäppchen, greifen Sie zu. 30 Euro sind geboten. Wer bietet mehr?“Ex-FußballProfi Jimmy Hartwig tritt gegen OB Kurt Gribl beim Torwandschießen an, viele Kooperationspartner präsentieren sich auf dem Gelände.
Und, das Wichtigste, das Publikum kommt zahlreich. Bis in den frühen Abend hinein herrscht im Martinipark ein reges Treiben. Als „Auftakt – die Spielzeit-Show“auf dem Programm steht, reichen die Plätze im Haus nicht. Die Show wird zusätzlich auf eine Leinwand im Foyer übertragen. In den gut anderthalb Stunden zeigt das Ensemble die Bandbreite dessen, was das Publikum erwarten wird: Sanftmütiges und Wehmütiges, Sinnliches und Besinnliches, Witziges und Aberwitziges, Anspruchsvolles und Diskussionswürdiges. Beeindruckend ist schon rein mengenmäßig das Schauspiel-Ensemble. Deutlich wird auch, welche Bandbreite das Musiktheater in dieser Spielzeit abdeckt: zwei klassische Opernwerke, eine fetzige Operette, eine im dargebotenen Titelsong ziemlich pathetische Musical-Uraufführung. Und mit dem Ballett-Ensemble wird auch in diesem Jahr wieder Glanzvolles möglich sein. Großer Applaus!