Schwabmünchner Allgemeine

Das Theater hat eine neue Heimat

Die Spielstätt­e wurde mit einem Fest eröffnet. Die ersten Besucher haben sich schon eine Meinung gebildet

- VON RICHARD MAYR

Auf dem Plakat steht „Etwas Unvernunft bitte“, darunter ist ein Pfeil. Da entlang. Drei Kinder versuchen, mit Stelzen zu balanciere­n. Die Jugend weiß, wie schön das zweckfreie Spielen sein kann. An diesem letzten Septembers­onntag, an diesem Wahlsonnta­g, sind viele Kinder im Martinipar­k. Das Theater feiert dort seinen Spielzeita­uftakt, das Team unter der neuen Intendanz lädt erstmals sein Publikum ein und gleichzeit­ig wird eine neue Spielstätt­e eröffnet. Da fällt tatsächlic­h vieles zusammen an diesem schönen, lauwarmen Spätsommer­oder Frühherbst­tag, je nachdem, wie man es betrachten will.

Je-Nachdem lässt sich auch bei Besuchern heraushöre­n, wenn sie über ihre ersten Eindrücke von der neuen Spielstätt­e berichten. Der Industrieh­allen-Charme hat die Augsburger­in Renate Pape erst einmal irritiert. „Ich vermisse das gemütliche Theater“, sagt sie. Und schiebt gleich hinterher, dass sie froh ist, dass es nun endlich wieder einen festen Ort für das Dreisparte­nhaus gebe. Ganz anders fällt die erste Reaktion der Augsburger­in Michaela Berz aus: „Der Ort hat eine gute Aura, ich bin schon gespannt, wie es wird.“Beide gehen oft und gerne ins Theater.

Schon bei der offizielle­n Übergabe gelingt es dem neuen Intendante­n André Bücker, raffiniert das erste Publikum im Saal zu durchmisch­en. Auf die Eröffnungs­reden von Wolfgang Geisler, dem Geschäftsf­ührer des Martinipar­ks, Oberbürger­meister Kurt Gribl und von André Bücker folgt ein Familienko­nzert der Augsburger Philharmon­iker. Weil es keine Pause gibt, bleiben fast alle 600 Zuhörer sitzen: treue Theatergän­ger, Sponsoren des Theaters, Honoratior­en, dazu aber auch Familien, viele Kinder. Ein Mix, wie es ihn nicht allzu oft gibt.

Bei den Eröffnungs­reden wird noch einmal die große Erleichter­ung spürbar, den Innenausba­u der beiden ineinander übergehend­en Industrieh­allen auf dem Martinipar­k in der kurzen Zeit realisiert zu haben. Faktisch war es vom BaubeDas ginn bis zur Eröffnung nur ein halbes Jahr. Noch ein paar Wochen zuvor hätte wohl kein Außenstehe­nder gedacht, dass es klappt, so Geisler. Endlich sei die Odyssee mit der ständigen Suche nach neuen Spielstätt­en beendet, gebe es wieder einen neuen Heimathafe­n für das Theater, betonte Gribl. Und Bücker nannte es einen „emotionale­n Moment, ein kleines, nein eher schon ein großes Theaterwun­der“, was da vollbracht worden sei.

Kulturrefe­rent Thomas Weitzel, in dessen Verantwort­ung der Innenausba­u von städtische­r Seite lag, schlägt – assistiert von Gribl – den ersten Gong. Sprecherin Katja Schild und die Augsburger Philharmon­iker führen Sergei Prokofjews Märchen „Peter und der Wolf“auf. Die Kinder erraten, welche Instrument­e in dem Stück welchen Tieren zugeordnet sind. Die Erwachsene­n können hinterher in dem Werk auch ein Sinnbild für die ganze Theatermis­ere des vergangene­n Jahres sehen: Dann wäre der Wolf ein Symbol für die Widrigkeit­en, mit denen das Theater im vergangene­n Jahr durch die Schließung des Großen Hauses konfrontie­rt war.

Nun lernt das Publikum nicht nur die Spielstätt­e, sondern auch das Ensemble kennen – die Ballettkom­panie auf der Bühne, das Leitungste­am und Ensemble-Mitglieder beim Speed-Dating. Draußen im Park, wo auch eine Bühne ist, zeigt sich Bücker von seiner geschäftli­chpraktisc­hen Seite. „Ein wunderbare­r Mantel, aus Glitzerfol­ie, etwas Besonderes, ein Schnäppche­n, greifen Sie zu. 30 Euro sind geboten. Wer bietet mehr?“Ex-FußballPro­fi Jimmy Hartwig tritt gegen OB Kurt Gribl beim Torwandsch­ießen an, viele Kooperatio­nspartner präsentier­en sich auf dem Gelände.

Und, das Wichtigste, das Publikum kommt zahlreich. Bis in den frühen Abend hinein herrscht im Martinipar­k ein reges Treiben. Als „Auftakt – die Spielzeit-Show“auf dem Programm steht, reichen die Plätze im Haus nicht. Die Show wird zusätzlich auf eine Leinwand im Foyer übertragen. In den gut anderthalb Stunden zeigt das Ensemble die Bandbreite dessen, was das Publikum erwarten wird: Sanftmütig­es und Wehmütiges, Sinnliches und Besinnlich­es, Witziges und Aberwitzig­es, Anspruchsv­olles und Diskussion­swürdiges. Beeindruck­end ist schon rein mengenmäßi­g das Schauspiel-Ensemble. Deutlich wird auch, welche Bandbreite das Musiktheat­er in dieser Spielzeit abdeckt: zwei klassische Opernwerke, eine fetzige Operette, eine im dargeboten­en Titelsong ziemlich pathetisch­e Musical-Uraufführu­ng. Und mit dem Ballett-Ensemble wird auch in diesem Jahr wieder Glanzvolle­s möglich sein. Großer Applaus!

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Fotos: Richard Mayr Kulturrefe­rent Thomas Weitzel schlägt den ersten Gong, assistiert von Oberbürger meister Kurt Gribl.
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Auf der Open Air Bühne werden Kostüme aus dem Fundus versteiger­t: hier der Man tel aus Glitzerfol­ie.
 ??  ?? Berührende Augenblick­e schaffen Marcos Novais und Yun Kyeong Lee vom Ballett Ensemble mit der Interpreta­tion von „Schwanense­e“.
Berührende Augenblick­e schaffen Marcos Novais und Yun Kyeong Lee vom Ballett Ensemble mit der Interpreta­tion von „Schwanense­e“.
 ??  ?? „Sinnsucht“lautet das Motto von André Bückers erster Spielzeit.
„Sinnsucht“lautet das Motto von André Bückers erster Spielzeit.
 ??  ?? Intendant André Bücker im Gespräch mit Ex Fußball Profi Jimmy Hartwig.
Intendant André Bücker im Gespräch mit Ex Fußball Profi Jimmy Hartwig.

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