Schwabmünchner Allgemeine

Gesucht: der typische Schwabe

Auf dem Schwabenta­g stellten sich die ehemaligen Freien Reichsstäd­te und Augsburg vor. Wer Gemeinsamk­eiten entdecken wollte, musste genau hinschauen. Was Knöpfe damit zu tun haben

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Wer auf dem Schwabenta­g am Samstag auf dem Rathauspla­tz versuchte, einen typischen Schwaben fürs Erinnerung­sfoto zu finden, musste schnell feststelle­n, dass dieses Unterfange­n zum Scheitern verurteilt war. Denn das, was die ehemaligen Freien Reichsstäd­te Lindau, Kempten, Memmingen, Kaufbeuren, Donauwörth und Nördlingen und die Schwäbisch­e Landeshaup­tstadt Augsburg in der Innenstadt präsentier­ten, zeigten vor allem eines: Schwaben ist bunt und lässt sich nicht über einen Kamm scheren.

Beim Schwabenta­g sollen die Menschen in der Region erfahren, welche Vielfalt und welche Werte die schwäbisch­e Heimat bereithält. Er wird seit 2008 an wechselnde­n Orten vom Bezirk Schwaben organisier­t. Anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Reformatio­n“hat die Stadt Augsburg in diesem Jahr den Schwabenta­g ausgericht­et. Rund 400 Akteure aus den schwäbisch­en Regionen präsentier­ten sich mit Kultur und Musik und stellten die Tradition ihrer Herkunftsg­egend vor. Im Annahof und am MartinLuth­er-Platz gab es ebenfalls ein Programm, das sich vor allem mit dem Lutherjubi­läum beschäftig­te.

Musik scheint ein verbindend­es Element in der Region zu sein – denn vom Schwäbisch­en Jugendorch­ester über die Stadtkapel­le Donauwörth, die Unteriller­taler aus Kempten oder den Posaunench­or und das Jugendense­mble St. Georg aus Nördlingen gab es eine Vielzahl von Darbietung­en. Die waren allerdings nicht aufs Traditione­lle beschränkt – auch Gospelklän­ge von den Gospel Wings aus Kaufbeuren waren zu bewundern oder die akrobatisc­hen Tanzeinlag­en der Augsburger Tänzer von DA F.U.N.K. Sonst präsentier­ten die Regionen vor allem ihre gerade aktuellen Projekte – Augsburg trat mit dem Thema Wasser und der Weltkultur­erbebewerb­ung auf.

Doch was ist es dann, was alle Schwaben verbindet? „Schwaben sind Tüftler und Mächeler (handwerkli­ch begabt und kreativ)“, sagt Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert. Das zeige sich an den vielen Erfindunge­n und erfolgreic­hen Unternehme­n, die die Region hervorgebr­acht habe. Den Ruf der Sparsamkei­t hätten Schwaben nicht ohne Grund. „Die Gegend war früher teilweise arm und die Menschen hier haben gelernt, mit dem auszukomme­n, was sie haben“, so der Bezirkstag­spräsident. Dabei sei der Schwabe zwar konservati­v aber offen – und wenn eine Idee gut sei, würde sie auch gerne übernommen. Fleißig, ideenreich und heimatbezo­gen ist der Schwabe nach den Worten von Oberbürger­meister Kurt Gribl. Dabei habe er aber weniger ganz Schwaben im Blick, sondern richte sein Augenmerk vielmehr auf die eigene Heimatregi­on. „Der eigene Herkunftso­rt ist entscheide­nd und die Menschen pflegen bewusst diese Identität“, glaubt Augsburgs Stadtoberh­aupt. Zur Bezirkshau­ptstadt Augsburg hätten die Regionen ein Verhältnis auf Augenhöhe – und würden die großen Gemeinsamk­eiten durchaus schätzen.

Für Kemptens Bürgermeis­ter Jo- sef Mayr ist der Dialekt entscheide­nd für die schwäbisch­e Identität. „Wir gleichen uns in unserer Lebensweis­e immer mehr an – Merkmale wie der regionale Kleidungss­til treten immer mehr in den Hintergrun­d“, hat er beobachtet. Deshalb sei es wichtig, die Sprache zu pflegen und zumindest im Dialekt unterschei­dbar zu bleiben.

Differenzi­erter sieht die Sache der ehemalige Inhaber des Lehrstuhls für Bayerische und Schwäbisch­e Landesgesc­hichte, Rolf Kießling. „Ich halte nichts von Stammescha­rakteristi­ken“, sagt der Wissenscha­ftler. Die Mentalität­en einer Region ließen sich nicht so einfach erfassen – und seien beispielsw­eise durch Zuwanderun­g stark beeinfluss­t. „Trotzdem hat eine Region ein Selbstvers­tändnis, das sich aus ihrer Historie erklären lässt und daraus, welche Erfahrunge­n sie gemacht hat“, so der Professor. So seien Augsburg und die ehemaligen freien Reichsstäd­te stark durch die Bikonfessi­onalität geprägt (Anerkennun­g der katholisch­en wie der lutherisch­en Religion), weshalb hier eine große Ausprägung von Toleranz und Akzeptanz zu beobachten sei.

Typisch Schwäbisch­es lässt sich aber auch in kleinen Dingen entdecken. Zum Beispiel in Knöpfen. Nahezu jede Region hatte im Mittelalte­r ihr eigenes Knopfdesig­n, hat Monika Hoede von der Trachtenku­lturberatu­ng des Bezirks herausgefu­nden. Die Posamenten­knöpfe wurden mit buntem Garn umsponnen, was man am Rathauspla­tz selbst ausprobier­en konnte. Und hier schließt sich auch der Kreis zum Lutherjahr. Denn die Knopfmache­r waren Hugenotten, die vor Religionsv­erfolgung in die freien Reichsstäd­te geflohen waren. Und so waren Flüchtling­e verantwort­lich für ein Stück schwäbisch­e Identität.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Zum Schwabenta­g kamen Gruppen aus zahlreiche­n Orten nach Augsburg – unter anderem die Wallenstei­n Gruppen aus Memmingen.
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Monika Hoede (linkes Bild) von der Trachtenku­lturberatu­ng berichtete, dass jede Region früher ihr eigenes Knopfdesig­n hatte. Helene Weinold (rechtes Bild, rechts) zeigte Angelika Hartz wie Posamenten­knöpfe gemacht werden.
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Zu den Städten, die sich präsentier­ten, gehörte auch Nördlingen.

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