„So, ihr Mordsbraggl: Hawadere!“
Der Augsburger Dialekt ist einzigartig und selbst im Ausland schon von fern herauszuhören. Manche Wörter benutzt heute niemand mehr. Dafür halten sich andere hartnäckig / Serienende
Erlebnis unlängst an der Tankstelle: Beim Kauf eines Fruchtsaftes war ich mir nicht sicher und fragte die etwa 20-jährige Frau: „Is da eingsetzt?“Darauf die junge Dame etwas irritiert: „Was meinen Sie? Meinen sie Pfand?“„Ja, genau“, sagte ich. Doch da war es wieder. Unser aller Sprache gerät aufs Abstellgleis, gleitet ab ins Historische. Die heutige Jugend redet anders, aber oft ist eine gewisse Spracharmut unüberhörbar. Übrigens, meine Großmutter (Jahrgang 1905) bediente sich noch französischer Lehnwörter wie Trottoir (Gehsteig), Portemonnaie (Geldbeutel) und Gendarme (Polizist). Englische Lehnwörter kannte und gebrauchte sie natürlich nicht.
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Aber wie erwähnt: Die Kreativität der Jugend in der Verwendung neuer Wörter lässt zu wünschen übrig. Für Außergewöhnliches gibt es anscheinend nur noch zwei Adjektive: „cool“und „geil“. Die Augsburger in den 50er und 60er Jahren verwendeten noch „dufte“(völlig ausgestorben) sowie pfundig, bärig und bombig.
War das Kinderzimmer damals in Unordnung sagte die Mutter: „Du reimsch jetzt do auf – aber piccobello!“Eine gut aussehende junge Frau war damals ein „steiler Zahn“oder eine „flotte Biene“. Ein schmalbrüstiger Augsburger war ein „Krischpele“, neigte er dagegen zu Übergewicht, war er ein „Mordsbraggel“. Hatte er dazu noch abstehende Ohren, unterstellte man ihm, er hätte „Bahnwächterdäfala“. Waren seine geistigen Fähigkeiten auch noch infrage gestellt, war er ein „Dibbl“oder ein „Graddler“. Gab es Zweifel an seinem Charakter, nannte man ihn einen „Hunds- nix“. „Lucky“war ein zwiespältiger Begriff. Ein „Lucky“, nicht wie im Englischen mit „a“, sondern mit „u“gesprochen, konnte je nach Kontext als Kompliment gedeutet werden oder eine Titulierung für einen sein, der sich am Rande der Legalität bewegt. Auch für Kinder und Jugendliche gab es eine Vielzahl von Benennungen: Da gab es den „Lauser“und den „Spitzbua“. Der „Spitzbua“hat zumindest bei den Weihnachtsloibla (Spitzbuaba) überlebt. War ein junger Mensch ein „Rotzlöffel“, so konnte es schon sein, dass der „Watschenbaum“umfällt. Wenn er es zudem mit der Wahrheit nicht so genau nahm, nannte man ihn einen „Luagabeitl“oder sagte zu ihm: „Soß doch net a so“. Ängstliche Zeitgenossen bekamen damals das Etikett „Schißhas“zugeordnet.
Aber auch für Frauen kursierten damals unschöne Bezeichnungen. Eine, die jedem ein Gespräch aufdrängte, war entweder eine „Ratschkaddl“oder eine „Schnaddrbix“. Wenn ein Augsburger „Lucky“seinen Kamm hinten in der Hose stecken hatte, dann hing bei ihm hinten der „Lausrechen“raus. Und sprach er dann dem Bier mehr zu, als ihm gut tat, hatte er eine „Säg“oder einen „Surri“.
Nach wie vor spricht der Augsburger vom „Buddr“und vom „Jokurrt“(beide aus Milch hergestellte Grundnahrungsmittel) und natürlich heißt es auch nach wie vor
Buddr“. Gott sei Dank gab es damals das Wort „lecker“noch nicht. Ein gutes Essen war damals ein „Schmackofatz“.
Noch heute ist die Sprache des Augsburgers einzigartig. Das hat jeder schon einmal im Urlaub erlebt: Vom Nebentisch her kommen plötzlich gutturale „rrr“-Laute und viele Zischlaute, man beugt sich hinüber und sagt: „Ihr kommts doch o aus Augschburg, oddrr?“Was viele nicht wissen: Der spezifische
„der
Augsburger Dialekt entstand durch den Zuzug von vielen Tausenden Zuwanderern aus dem Holzwinkel im Lauf der „Textil“-Industrialisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert. Hier vermischte sich das Kauderwelsch der Immigranten mit dem Bayrischen, das damals in Augsburg noch gesprochen wurde. Also, liebe Augsburger: Bewahren wir doch ein bisschen von unserer Heimatsprache und sagen nicht „Hallo“sondern „Servus“, „Griaßde“oder beim Abschied „Hawadere“.
OSilva no Tuiach ist Jahr gang 1950. Er wuchs in Augsburg und Steppach auf, heute lebt er in Neusäß. Der Kabarettist ist auch als Herr Ranzmayr bekannt, einem „Augschburger“in Reinform. Mit dieser Folge endet unsere Serie.