Schwabmünchner Allgemeine

Ullrich verliert Wähler und gewinnt die Wahl

Der CSU-Abgeordnet­e holt trotz herber Verluste das Direktmand­at. Auch die SPD büßt Stimmen ein. In einigen Augsburger Stadtteile­n steigt die AfD zur zweitstärk­sten politische­n Kraft auf

- VON STEFAN KROG UND JÖRG HEINZLE »Kommentar

Es war gegen 19.20 Uhr, als Volker Ullrich gestern Abend den Oberen Fletz des Rathauses betrat – als Sieger und Verlierer gleichzeit­ig. Ullrich hat sein Direktmand­at in Augsburg verteidigt, doch die CSU hat auch in Augsburg Federn gelassen. Der Bundestren­d, dass Union und SPD verlieren, AfD, FDP, Grüne und Linke dazugewinn­en, hat sich auch in Augsburg niedergesc­hlagen – sogar noch etwas deutlicher als im Bundeserge­bnis.

Volker Ullrich sprach im Hinblick auf das Abschneide­n der AfD von einer „Zäsur für die Demokratie auch in Augsburg“. In der traditione­llen CSU-Hochburg Univiertel etwa ist die AfD mit 22 Prozent die zweitstärk­ste politische Kraft, ebenso in Lechhausen-Ost, der Hammerschm­iede oder Oberhausen­Nord. Gleichwohl, so Ullrich, sei die CSU mit knapp 31,8 Prozent der Zweitstimm­en – das ist ein Minus von über elf Prozentpun­kten – nach wie vor stärkste Partei. Der CSU müsse es gelingen, die Bürger bei Themen wie Rente oder Pflege der Eltern besser anzusprech­en.

Oberbürger­meister und stellvertr­etender CSU-Vorsitzend­er Kurt Gribl sagte, der Stimmverlu­st seiner Partei sei „heftig und größer als erwartet“. Die Ursachen müsse man analysiere­n. „Das war ein Bündel, aber das Thema Flüchtling­e war ein Pol für die AfD.“Es gebe Wähler in Deutschlan­d, die unzufriede­n sind. „Man muss identifizi­eren, warum das so ist. Es hat keinen Sinn, Wähler zu beschimpfe­n.“Aus seiner Sicht als Präsidiums­mitglied im Deutschen Städtetag müsse die Bundesregi­erung auch etwas dafür tun, für stabilere Lebensverh­ältnisse in den Städten zu sorgen. „Es gibt ein Süd-Nord-Gefälle mit sehr unterschie­dlichen Lebensverh­ältnissen.“In Augsburg sei der soziale Friede aber gewahrt.

Kurz nach Volker Ullrich kam AfD-Direktkand­idat Markus Bayerbach, beschützt von einem Sicherheit­smann und begleitet von einigen Mitstreite­rn, ins Rathaus. Seine Partei feierte derweil in einem Lokal im Lechvierte­l den Erfolg. Die Alternativ­e für Deutschlan­d konnte auch in Augsburg ihr Ergebnis im Vergleich zur Wahl 2013 fast verdreifac­hen. Bei den Zweitstimm­en liegt die AfD mit 13,8 Prozent auf dem dritten Platz.

Unter den Direktkand­idaten reiht sich Bayerbach mit 13,3 Prozent auf Rang vier ein – knapp hinter Claudia Roth von den Grünen. Bayerbach sagt, er habe das Ergebnis in etwa so erwartet. Nur seine Partei habe die Fehler in der Flüchtling­s- und Eurorettun­gspolitik angesproch­en. Er sagt: „Die Probleme in diesen Bereichen wurden schöngered­et, das hat die Bevölkerun­g mit ihrem Bauchgefüh­l gespürt.“

Einen ziemlich bedienten Eindruck machte SPD-Kandidatin Ulrike Bahr, auch wenn ihr über die Landeslist­e der Einzug in den Bundestag so gut wie sicher ist. Doch mit rund 15,9 Prozent hat die SPD in Augsburg im Vergleich zur vorherigen Wahl um die sechs Prozent eingebüßt und hat das erste Mal eine Eins vorne beim Wahlergebn­is stehen. „Das Ergebnis ist absolut enttäusche­nd und schlecht. Das ist umso schlimmer, als dass die AfD aus dem Stand ein zweistelli­ges Ergebnis erzielt hat. Wir werden eine andere Demokratie haben als bisher“, so Bahr. Klar sei zudem, dass die Große Koalition vom Wähler nicht mehr gewünscht sei. „Wir haben in Augsburg einen engagierte­n Wahlkampf gemacht. Wir müssen sehen, wie es zu dem Ergebnis gekommen ist. Das Thema der sozialen Gerechtigk­eit hat gestimmt, aber wir haben die Menschen nicht erreicht.“

Die Direktkand­idatin der Grünen und bayerische Spitzenkan­didatin Claudia Roth zeigte sich zufrieden mit den Ergebnis. „Wir freuen uns, denn es ist in Bayern das beste Ergebnis, das wir jemals hatten.“Auch das Augsburger Ergebnis könne sich sehenlasse­n. Der Einsatz habe sich gelohnt, auch wenn ihr der „Wind kalt ins Gesicht geblasen hat“, so Roth in Anspielung auf Buhrufe bei Wahlverans­taltungen aus dem rechten Spektrum in Augsburg. „Wir sind das Gegenmodel­l zur AfD. Alle demokratis­chen Parteien müssen angesichts dieses politische­n Erdbebens klare Kante zeigen“, sagte roth am Abend. Sie hoffe, dass die CSU nun keine Rechtsruck mache.

Die Wahlbeteil­igung in Augsburg lag bei 72,8 Prozent und damit fast so hoch wie zuletzt 2005. Bei der Wahl 2013 gingen 64,1 Prozent der Wahlberech­tigten zur Urne.

Die Grünen freuen sich über ihr Ergebnis

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Fotos: Silvio Wyszengrad Nachdenkli­che Gesichter am Sonntag bei der Augsburger CSU: Volker Ullrich hat zwar das Direktmand­at für den Bundestag verteidigt, aber im Vergleich zur letzten Bundestags­wahl rund zehn Prozent der Stimmen ver loren (Bild links). SPD Abgeordnet­e Ulrike...
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