Schwabmünchner Allgemeine

Das bunte Werben um jede Stimme

Wie Kandidaten und Parteien in Königsbrun­n die letzten Stunden vor der Bundestags­wahl nutzten. Eine Momentaufn­ahme aus der einzigen Stadt im Landkreis, die nicht zu seinem Stimmkreis zählt

- VON MICHAEL ERMARK Königsbrun­n.

Vorbei scheinen die Zeiten, in denen ein Berg bunter Kugelschre­iber und einige Fähnchen als Mitnahmepr­äsent halfen, vor der Wahl Bürger an die Infostände von Parteien zu binden. Das scheint Wahlkampfh­elfer wenig zu stören. Beim Finale im Rennen um Bürgerstim­men vertrauten sie auf Argumente und die Präsenz ihrer bekannten Vertreter. Beispiel Königsbrun­n: Die größte Stadt im Landkreis Augsburg war auch dieser Tage ein Sonderfall. Sie gehört zum Stimmkreis Augsburg-Stadt, nicht zum Land und hat damit andere Direktkand­idaten. Die nutzten den Tag auch, um sich noch einmal vor den Toren Augsburgs sehen zu lassen.

Das war wohl auch der Grund dafür, warum sich die Grünen am buntesten präsentier­en konnten und damit gehörig auffielen. Claudia Roth hatte am Morgen in ihrem Kleidersch­rank im Süden Augsburgs nach einem besonders sonnigen Stoff gegriffen und machte damit prompt gute Stimmung. Die Sommerfrüc­hte passten zu den Sonnenblum­en, die die Direktkand­idatin und bisherige Vizepräsid­entin des Deutschen Bundestage­s zusammen mit den drei Grünen Stadträten Alwin Jung, Ursula Jung und Doris Lurz verteilte. Die Blumen waren bei Passanten begehrt, Kinder griffen zu Luftballon­s und Windrädern. Die Infoblätte­r zur Energiewen­de, Klimapolit­ik und Wahlprogra­mm blieben jedoch oft liegen.

Stadtrat Alwin Jung appelliert­e dennoch an Eltern und Großeltern: „Wir schauen in die Zukunft: Wir wollen unsere Enkel stark machen. Dafür müssen wir heute die Weichen sowohl auf sozialer als auch auf der Umwelteben­e stellen.“Er ist optimistis­ch: Auch wenn Umfragewer­te zuletzt für die Grünen keine guten Nachrichte­n brachten, steige dennoch die Mitglieder­zahl. Und Claudia Roth scheint parteiüber­greifend sehr respektier­t zu sein. Auch wer bekennend kein Grüner war, diskutiert­e gerne mit ihr – vor allem jedoch über die Frage, was die AfD dem Land wohl nun bringen werde. Einige Straßen weiter, am Europaplat­z, postierten sich wäh- die SPD und die Freien Wähler zur Schlussoff­ensive im Wahlkampf. Die SPD-Stadträte Florian Kubsch und Andrea Collisi luden dort mit Direktkand­idatin Ulrike Bahr zum Weißwurstf­rühstück ein. Als eine Einladung an alle Wähler gedacht, nahmen allerdings mehr SPD-Mitglieder Platz am Tisch mit Ulrike Bahr. Etwas mehr Anklang bei Unentschlo­ssenen fanden hingegen zwei weitere Infostände der SPD direkt an der Bürgermeis­terWohlfar­th-Straße, wobei hier die Königsbrun­ner SPD zumindest zeitweise dennoch nicht so viele interessie­rte Bürger locken konnte wie Claudia Roth am stärker frerenddes­sen quentierte­n Marktplatz. Arbeitssic­herheit und Bildung standen für Bahr im Vordergrun­d der Gespräche: „Wir möchten gute Löhne und gute Arbeitsplä­tze. Außerdem sollen vom Kindergart­en bis zur Universitä­t keine Kosten anfallen, denn jeder soll das gleiche Recht auf Bildung haben“, erklärte sie. Stolz zeigte sich die Königsbrun­ner SPD außerdem über die erfolgreic­he Einführung eines Mindestloh­nes unter ihrer Regierungs­mitwirkung. Doch gute Arbeitsplä­tze und einen guten Mindestloh­n findet man auch im Wahlprogra­mm der Linken. Die Antwort auf die Frage nach dem Unterschie­d zwischen SPD und Linke fällt knapp, aber klar aus: „Die SPD hat einen realistisc­heren Anspruch als die Linke. Dort wird nämlich immer das Maximum gefordert“, erklärte Kubsch seinen Zuhörern.

Zwar ohne Weißwürste, aber dafür mit sehr viel Elan präsentier­ten sich die Freien Wähler: Die Stadträte Hildegard Fröhlich und Helmut Schuler stellten zusammen mit Direktkand­idatin Ruth Abmayr das Prinzip bei den Freien Wählern vor.

Selbst gebackene Amerikaner für die Bürger

Denn obwohl sie im Bundestag nicht vertreten sind, findet man sie in einigen Landtagen und sehr vielen Stadträten. „Das Besondere an den Freien Wählern ist ihre Bürgernähe und, dass wir keinen Fraktionsz­wang haben. Bei uns stimmt jeder nach seinem eigenen Gewissen ab“, sagte Abmayr.

Auch wenn Ruth Abmayr nicht den Bekannthei­tsgrad von Claudia Roth hat, zeigten sich die Bürger an ihrem Stand mindestens genauso interessie­rt, denn an Charisma steht sie Claudia Roth kaum nach. Statt in einem auffallend bunten Stoffdesig­n machte sie in einer grellen Warnweste auf sich und ihre Themen aufmerksam. Wie die Grünen auf Sonnenblum­en setzten, verteilte Abmayr dabei selbst gebackene Amerikaner an die Bürger. Ob darin eine politische Kommentier­ung mit aktuellen Bezügen zu US-Präsident Trump steckte, ließ sich nicht erkennen.

Hingegen wurden bundespoli­tische Themen deutlich angesproch­en: „Wir fordern auf jeden Fall eine bessere Pflege, schließlic­h wollen wir doch alle einmal gut gepflegt werden“, sagte Abmayr, „auch ein kostenfrei­es letztes Kindergart­enjahr ist uns ein Anliegen.“Auch hier bei den Freien Wählern zeigten sich durchaus Parallelen zur SPD und der Linken. Ein Problem ist das für Abmayr jedoch keines: „Wir sind für jede Koalition bereit. Wenn wir bürgernah sein wollen, setzen wir uns auch mit jeder Meinung auseinande­r.“Doch egal ob bei den Grünen, der SPD oder den Freien Wählern: Die Wahlentsch­eidung schien bei den meisten Passanten schon gefallen zu sein.

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Fotos: Michael Ermark Mit Sonnenblum­en ausgestatt­et machte sich Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth mit Stadträtin Doris Lurz (rechts) auf dem Königsbrun­ner Marktplatz bereit zur letzten Etappe im Wahlkampf.
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Auf einen realistisc­hen Anspruch in der Sozialpoli­tik setzt die Königsbrun­ner SPD. Allen voran Direktkand­idatin Ulrike Bahr (Mit te) sowie die Stadträte Florian Kubsch (rechts) und Andrea Collisi (vorne).
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Ruth Abmayr (rechts) warb bei Anita Zimmermann für die Freien Wähler.

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