Das bunte Werben um jede Stimme
Wie Kandidaten und Parteien in Königsbrunn die letzten Stunden vor der Bundestagswahl nutzten. Eine Momentaufnahme aus der einzigen Stadt im Landkreis, die nicht zu seinem Stimmkreis zählt
Vorbei scheinen die Zeiten, in denen ein Berg bunter Kugelschreiber und einige Fähnchen als Mitnahmepräsent halfen, vor der Wahl Bürger an die Infostände von Parteien zu binden. Das scheint Wahlkampfhelfer wenig zu stören. Beim Finale im Rennen um Bürgerstimmen vertrauten sie auf Argumente und die Präsenz ihrer bekannten Vertreter. Beispiel Königsbrunn: Die größte Stadt im Landkreis Augsburg war auch dieser Tage ein Sonderfall. Sie gehört zum Stimmkreis Augsburg-Stadt, nicht zum Land und hat damit andere Direktkandidaten. Die nutzten den Tag auch, um sich noch einmal vor den Toren Augsburgs sehen zu lassen.
Das war wohl auch der Grund dafür, warum sich die Grünen am buntesten präsentieren konnten und damit gehörig auffielen. Claudia Roth hatte am Morgen in ihrem Kleiderschrank im Süden Augsburgs nach einem besonders sonnigen Stoff gegriffen und machte damit prompt gute Stimmung. Die Sommerfrüchte passten zu den Sonnenblumen, die die Direktkandidatin und bisherige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages zusammen mit den drei Grünen Stadträten Alwin Jung, Ursula Jung und Doris Lurz verteilte. Die Blumen waren bei Passanten begehrt, Kinder griffen zu Luftballons und Windrädern. Die Infoblätter zur Energiewende, Klimapolitik und Wahlprogramm blieben jedoch oft liegen.
Stadtrat Alwin Jung appellierte dennoch an Eltern und Großeltern: „Wir schauen in die Zukunft: Wir wollen unsere Enkel stark machen. Dafür müssen wir heute die Weichen sowohl auf sozialer als auch auf der Umweltebene stellen.“Er ist optimistisch: Auch wenn Umfragewerte zuletzt für die Grünen keine guten Nachrichten brachten, steige dennoch die Mitgliederzahl. Und Claudia Roth scheint parteiübergreifend sehr respektiert zu sein. Auch wer bekennend kein Grüner war, diskutierte gerne mit ihr – vor allem jedoch über die Frage, was die AfD dem Land wohl nun bringen werde. Einige Straßen weiter, am Europaplatz, postierten sich wäh- die SPD und die Freien Wähler zur Schlussoffensive im Wahlkampf. Die SPD-Stadträte Florian Kubsch und Andrea Collisi luden dort mit Direktkandidatin Ulrike Bahr zum Weißwurstfrühstück ein. Als eine Einladung an alle Wähler gedacht, nahmen allerdings mehr SPD-Mitglieder Platz am Tisch mit Ulrike Bahr. Etwas mehr Anklang bei Unentschlossenen fanden hingegen zwei weitere Infostände der SPD direkt an der BürgermeisterWohlfarth-Straße, wobei hier die Königsbrunner SPD zumindest zeitweise dennoch nicht so viele interessierte Bürger locken konnte wie Claudia Roth am stärker frerenddessen quentierten Marktplatz. Arbeitssicherheit und Bildung standen für Bahr im Vordergrund der Gespräche: „Wir möchten gute Löhne und gute Arbeitsplätze. Außerdem sollen vom Kindergarten bis zur Universität keine Kosten anfallen, denn jeder soll das gleiche Recht auf Bildung haben“, erklärte sie. Stolz zeigte sich die Königsbrunner SPD außerdem über die erfolgreiche Einführung eines Mindestlohnes unter ihrer Regierungsmitwirkung. Doch gute Arbeitsplätze und einen guten Mindestlohn findet man auch im Wahlprogramm der Linken. Die Antwort auf die Frage nach dem Unterschied zwischen SPD und Linke fällt knapp, aber klar aus: „Die SPD hat einen realistischeren Anspruch als die Linke. Dort wird nämlich immer das Maximum gefordert“, erklärte Kubsch seinen Zuhörern.
Zwar ohne Weißwürste, aber dafür mit sehr viel Elan präsentierten sich die Freien Wähler: Die Stadträte Hildegard Fröhlich und Helmut Schuler stellten zusammen mit Direktkandidatin Ruth Abmayr das Prinzip bei den Freien Wählern vor.
Selbst gebackene Amerikaner für die Bürger
Denn obwohl sie im Bundestag nicht vertreten sind, findet man sie in einigen Landtagen und sehr vielen Stadträten. „Das Besondere an den Freien Wählern ist ihre Bürgernähe und, dass wir keinen Fraktionszwang haben. Bei uns stimmt jeder nach seinem eigenen Gewissen ab“, sagte Abmayr.
Auch wenn Ruth Abmayr nicht den Bekanntheitsgrad von Claudia Roth hat, zeigten sich die Bürger an ihrem Stand mindestens genauso interessiert, denn an Charisma steht sie Claudia Roth kaum nach. Statt in einem auffallend bunten Stoffdesign machte sie in einer grellen Warnweste auf sich und ihre Themen aufmerksam. Wie die Grünen auf Sonnenblumen setzten, verteilte Abmayr dabei selbst gebackene Amerikaner an die Bürger. Ob darin eine politische Kommentierung mit aktuellen Bezügen zu US-Präsident Trump steckte, ließ sich nicht erkennen.
Hingegen wurden bundespolitische Themen deutlich angesprochen: „Wir fordern auf jeden Fall eine bessere Pflege, schließlich wollen wir doch alle einmal gut gepflegt werden“, sagte Abmayr, „auch ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr ist uns ein Anliegen.“Auch hier bei den Freien Wählern zeigten sich durchaus Parallelen zur SPD und der Linken. Ein Problem ist das für Abmayr jedoch keines: „Wir sind für jede Koalition bereit. Wenn wir bürgernah sein wollen, setzen wir uns auch mit jeder Meinung auseinander.“Doch egal ob bei den Grünen, der SPD oder den Freien Wählern: Die Wahlentscheidung schien bei den meisten Passanten schon gefallen zu sein.