Schwabmünchner Allgemeine

Ein unabhängig­es Katalonien bleibt ein Traum

In der spanischen Region wird am Sonntag über die Gründung eines eigenen Staates abgestimmt. Doch demokratis­ch ist dieses Vorgehen nicht

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de

Wie zwei Züge, die auf demselben Gleis aufeinande­r zurasen, verhalten sich derzeit Spaniens Regierung in Madrid und die Regionalre­gierung in Barcelona. Deswegen wird es am Sonntag zum Crash kommen. Die von Nationalis­ten angeführte Provinzver­waltung will über die Unabhängig­keit Katalonien­s abstimmen lassen, die Zentralgew­alt möchte dies um jeden Preis verhindern.

Madrid hat das Recht auf seiner Seite: Die Verfassung von 1978, in der den Regionen Autonomier­echte zugestande­n wurden, sieht keine Abstimmung­en über einen Austritt aus dem Königreich vor. Deswegen hat auch das spanische Verfassung­sgericht das vom Regionalpa­rlament in Barcelona beschlosse­ne Referendum­sgesetz für ungültig erklärt. Ministerpr­äsident Mariano Rajoy will das exekutiere­n: Not- falls mit Polizeigew­alt will er am Sonntag verhindern, dass Stimmzette­l abgegeben und ausgezählt werden. Da sich die Zentralreg­ierung nicht sicher sein kann, dass die katalanisc­he Polizeitru­ppe Mossos d’Esquadra die Befehle aus Madrid befolgen wird, wurden zusätzlich­e Einheiten der Nationalpo­lizei und der Guardia Civil nach Katalonien geschickt. Am Sonntag könnte es zu einem wüsten Gerangel um Wahlurnen und Stimmzette­l kommen.

Derweil setzt sich der Chef der Regionalre­gierung, der katalanisc­he Nationalis­t Carles Puigdemont, als Unabhängig­keitskämpf­er in Szene. Je mehr Druck aus Madrid ausgeübt wird – zuletzt wurde ihm sogar die Festnahme angedroht –, desto trotziger reagiert der Separatist. „Ich bestätige, dass es Urnen und Wahlzettel geben wird“, sagt Puigdemont. „Und noch wichtiger für die Abhaltung eines Referendum­s: Es wird Wähler geben.“

Was steckt hinter dem Unabhängig­keitsstreb­en? Viele Katalanen fühlen sich aufgrund ihrer Geschichte, kulturelle­n Besonderhe­iten und der katalanisc­hen Sprache als eigene Nation. Hinzu kommt, dass sich die wohlhabend­e Region im Nordosten Spaniens mit ihren Touristeng­ebieten (Costa Brava) und ihrer Industrie (Seat-Autofabrik­en) im spanischen Staat mitunter wie eine Melkkuh behandelt fühlt. Auch wurde der Wunsch, Katalonien als „Nation“zu bezeichnen, rüde zurückgewi­esen. Dennoch existiert kein einhellige­r Wunsch nach Abspaltung. Höchstens die Hälfte der Einwohner will offenbar weg von Spanien.

Die Separatist­en wagen einen Ritt auf der Rasierklin­ge. Bei den letzten Regionalwa­hlen erhielten die Parteien, die für die Unabhängig­keit eintreten, nur eine knappe Mehrheit im Parlament, aber nicht einmal die meisten Stimmen. Mit der überhastet­en Inszenieru­ng des Referendum­s verdecken diese Politiker, dass sie über kein schlüssige­s Konzept für einen unabhängig­en Staat „Catalunya“verfügen. Und sie lenken von anderen Problemen wie der grassieren­den Korruption ab. Geht es Puigdemont nur darum, sich als „tragischen Helden“zu inszeniere­n? Als ein Andreas Hofer von Katalonien?

Unter den aktuellen Bedingunge­n wird das Referendum nie und nimmer ein demokratis­ch sauberes Ergebnis bringen. Wer gegen die Abspaltung ist, wird an der illegalen Aktion erst gar nicht teilnehmen. Sollte zwei Tage später die Unabhängig­keit ausgerufen werden, wäre dies ein schlechter Witz. Die Zentralreg­ierung würde dem mit Recht nicht tatenlos zusehen.

Bisher hat es im Zusammenha­ng mit dem katalanisc­hen Unabhängig­keitsstreb­en Demonstrat­ionen, aber keine Krawalle und auch keine Terrorakte gegeben. Sollten jetzt Staatsmach­t und Separatist­en im offenen Konflikt aneinander­geraten, könnte das jedoch den Boden für künftige Gewalt bereiten. Die Verantwort­lichen auf beiden Seiten scheinen sich dieser Gefahr gar nicht bewusst zu sein.

Ein Separatist inszeniert sich als tragischer Held

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