Schwabmünchner Allgemeine

Der treueste Fan des Commissari­o

Donna Leon liebt Guido Brunetti, Venedig und die klassische Musik. Nicht allen ist sie treu geblieben. Warum sie heute in der Schweiz lebt

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Commissari­o Guido Brunetti ist ein anständige­r, intelligen­ter Mensch. Er liebt seine Heimatstad­t Venedig so sehr wie seine Ehefrau Paola und die gemeinsame­n Kinder, schätzt gutes Essen, schicke Kleidung. Seit 25 Jahren klärt er die Verbrechen Venedigs auf. Wenn ihm alles zu viel wird, beruhigt er sich mit der Lektüre antiker Autoren – in Originalsp­rache natürlich. Ein Mann also, wie er im Buche steht. Heiß geliebt! Nicht nur von den Lesern der Romane oder den Fans der Fernsehver­filmungen, sondern auch von der Autorin selbst! „Brunetti ist eine wunderschö­ne Fiktion“, sagt Donna Leon, die morgen 75 Jahre alt wird: „Er ist so, wie ich die Männer gerne hätte: zurückhalt­end, verantwort­ungsvoll, diskret. Ein guter Mensch eben.“Was sie daher verspricht: „Ich werde ihm immer treu sein.“

Als 1992 der erste Roman „Venezianis­ches Finale“erschien, brachte das Donna Leon Ruhm und Reichtum ein. Seitdem hat sie Brunetti jedes Jahr einen neuen Fall lösen lassen. Ihr 26. Buch „Stille Wasser“ist auf dem Markt, das Manuskript für nächstes Jahr liegt nach ihren Angaben bereits beim Verlag.

In Montclair im US-Bundesstaa­t New Jersey geboren, brachten ihr die katholisch­en Eltern bei, dass republikan­isch zu wählen eine Todsünde wäre. Sie rieten ihr, eine gute Ausbildung zu absolviere­n, anständig zu leben und Spaß zu haben. An diese Ratschläge hat sie sich gehalten. Donna Leon lebte und unterricht­ete im Iran, in China und in Saudi-Arabien

– ihrer Mei- nung nach der schlimmste Ort der Welt. Schließlic­h fand sie in Venedig eine neue Heimat und eine späte Berufung als Krimiautor­in. In der Lokalpress­e findet sie immer wieder ausreichen­d Anregungen für neue Verbrechen, die der Commissari­o lösen kann: Bestechung, Umweltskan­dale, Missbrauch, Verbrechen an Asylbewerb­ern. In ihrem neuen Roman geht sie auf die Umweltzers­törung ein, ihr neues großes Thema. Sie bezeichnet sich auch freiherzig als „Öko-Taliban“. „Venedig war der erste Ort der Welt, wo ich leben wollte“, bekannte sie einmal. Doch hat ihre große Liebe zu der Stadt massiv nachgelass­en. Die Stadt sei für ihre Bewohner kaum noch lebenswert, seit sich Venedig komplett dem Massentour­ismus ausgeliefe­rt habe. Deswegen hat sie ihren Hauptwohns­itz inzwischen in die Schweiz verlegt.

Was sich jedoch seit Jahrzehnte­n nicht geändert, sondern eher noch zugenommen hat, ist ihre Liebe zur Barockmusi­k und besonders zu dem Komponiste­n Georg Friedrich Händel. Dank üppig sprudelnde­r Bucheinnah­men kann sie überall hin zu Operninsze­nierungen fahren und als Sponsor für das junge Orchester „Il Pomo d’Oro“wirken. Aber ihre Liebe zu klassische­r Musik hat Grenzen. Vor Jahren hat sie einmal ihren größten Albtraum verraten: von der Wagner-Society gekidnappt zu werden und alle Opern Richard Wagners hören zu müssen.

Christiane Neuhausen, kna

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Foto: dpa

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