Schwabmünchner Allgemeine

Und was wird aus Gabriel?

Die SPD stellt sich neu auf – ohne ihn

- VON RUDI WAIS Augsburg

Eigentlich müsste jetzt einer eine Rede halten wie er. Damals, in Dresden. „Wir müssen raus ins Leben“, hämmerte Sigmar Gabriel seinen Genossen nach dem tiefen Absturz bei der Bundestags­wahl im Herbst 2009 ein. „Da, wo es laut ist, da, wo es brodelt, da, wo es manchmal riecht, gelegentli­ch auch stinkt. Wir müssen da hin, wo es anstrengen­d ist, nur da ist das Leben.“

Nach dieser Rede war der neue Parteichef Gabriel die große Hoffnung der SPD, ein Verspreche­n in Rot, wenn man so will. Acht Jahre später ist die Partei noch tiefer gefallen – und weit und breit kein Gabriel zu sehen. Ein paar besorgte Worte über das Unabhängig­keitsrefer­endum der Kurden im Irak, eine Laudatio auf die schwedisch­e Königin Silvia, die zu einer Preisverle­ihung nach Berlin gekommen ist: Während die Partei ihre Wunden leckt, die Fraktion sich neu sortiert und Martin Schulz versucht, zu retten, was noch zu retten ist, konzentrie­rt Sigmar Gabriel sich auf seine Pflichten als Außenminis­ter. In der neuen SPD, die sich allmählich formiert, spielt der ehemalige Vorsitzend­e offenbar keine größere Rolle mehr.

„Jetzt hat er endlich mehr Zeit für Frau und Kinder“, sagt ein erfahrener Fraktionsm­ann spitz - eine Anspielung auf ein Interview, in dem Gabriel seinen Verzicht auf die Kanzlerkan­didatur Anfang des Jahres auch mit dem Argument erklärt, er habe nun mehr Zeit für die Familie. Seinen Wahlkreis in Goslar hat er zwar gewonnen, was am Sonntag nicht jedem sozialdemo­kratischen Minister gelang. Viel mehr als eine Rolle als einfacher Bundestags­abgeordnet­er aber ist dem 58-Jährigen offenbar nicht mehr zugedacht. Sein

Seinen Wahlkreis hat er gewonnen

ehedem so gutes Verhältnis zu Schulz ist mit jedem Prozentpun­kt, den die SPD im Wahlkampf verloren hat, angespannt­er geworden, das zur neuen Fraktionsv­orsitzende­n Andrea Nahles von wechselsei­tigem Misstrauen geprägt. Die ersten Genossen spekuliere­n deshalb schon, ob Gabriel nicht bald den Steinbrück macht und gut bezahlte Reden hält, anstatt sich in der parlamenta­rischen Arbeit aufzureibe­n.

Seit dem Wahlabend ist ausgerechn­et der Mann, der Martin Schulz auf den Kandidaten­zug gesetzt hat, auf Tauchstati­on gegangen. Als der gescheiter­te Kanzlerkan­didat im Willy-Brandt-Haus die Niederlage zu erklären versucht, ist der Kandidaten­macher Gabriel in der zweiten Reihe schon kaum noch zu sehen. Er weiß, dass diese Niederlage in der Partei ihm mindestens so angelastet wird wie Schulz. Dass der am Montag Andrea Nahles als Fraktionsc­hefin vorschlägt, ist auch ein Signal an Sigmar Gabriel: Raus ins Leben ziehen für die SPD jetzt andere.

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Foto: dpa Sigmar Gabriel am Sonntag im Wahllo kal in Goslar.

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