Schwabmünchner Allgemeine

Flammende Rede für Reformen

Präsident Macron stellt zwei Tage nach der Bundestags­wahl einen umfassende­n Katalog von Vorschläge­n für ein vertieftes Europa vor. In Berlin gefällt das längst nicht allen

- VON BIRGIT HOLZER Paris

Nicht weniger als eine Rede über die „Neugründun­g Europas“nannte Emmanuel Macron seine Ansprache vor Studenten im geschichts­trächtigen Amphitheat­er der Pariser Sorbonne-Universitä­t. Das klang ebenso programmat­isch wie ehrgeizig. Nur zwei Tage nach der deutschen Bundestags­wahl präsentier­te er seine Vorstellun­gen eines vertieften Europas.

Auch wenn sehr konkrete Maßnahmen angekündig­t waren, holte der französisc­he Präsident weit aus und wurde zunächst feierlich. Er lobte die „Pioniere, die Optimisten, die Visionäre“, die Europa auf- und weitergeba­ut haben und zu denen er sich selbst zählen möchte. „Brüssel, das sind wir alle, jederzeit“, rief Macron. Lediglich die Idee einer „machtlosen Bürokratie“zu verbreiten, sei falsch.

Zu den Schlüsseln eines starken und souveränen Europas gehöre die Sicherheit aller Bürger, sagte der 39-Jährige. Er forderte ein echtes „Europa der Verteidigu­ng“mit einem europäisch­en Budget und einer gemeinsame­n Eingreiftr­uppe. Die Mitgliedst­aaten sollten sich effektiver abstimmen. Die Zusammenar­beit bei der Terrorbekä­mpfung müsse ausgebaut werden. Gleichzeit­ig sei es wichtig, die Grenzen Europas zu sichern.

Bei der sogenannte­n Flüchtling­skrise, so Macron, handle es sich „nicht um eine Krise, sondern um eine Herausford­erung, die lange andauern wird“. Die EU-Mitglieder müssten Verantwort­ung für Menschen übernehmen, die ihr Leben riskierten, um nach Europa zu kommen – denn der Kontinent sei keine Insel. Macron forderte eine europäisch­e Asyl-Behörde sowie eine Grenzpoliz­ei mit weitreiche­nden Kompetenze­n. Es brauche echte Solidaritä­t in Europa, damit Flüchtling­e nicht nur auf einige Länder ver- teilt würden, sondern auf alle. Darüber hinaus versprach Macron neue Vorstöße für eine Finanztran­saktionsst­euer, für die Energiewen­de, industriel­le Kooperatio­nen, mehr Lebensmitt­elsicherhe­it. Besonders wichtig sei ihm die digitale Revolution, bei der Europa sich durch „radikale Innovation­en“und gemeinsame Initiative­n weltweit an die Spitze setzen solle. So schlug er eine europäisch­e Agentur für Innovation vor, um vor allem Start-ups zu finanziere­n. Mit besonderer Spannung erwartet worden waren Macrons Ausführung­en zu einer Vertiefung der Eurozone, für die er ein gemeinsame­s Budget sowie einen Euro-Finanzmini­ster fordert.

Das Misstrauen Deutschlan­ds gegenüber diesen Vorschläge­n ist bekannt. Es dürfte nicht geringer werden angesichts einer möglichen Koalition von CDU/CSU mit den Grünen und der FDP. Letztere lehnt einen gemeinsame­n Haushalt für die Eurozone strikt ab.

Diesen Bedenken stellte Macron ein flammendes Plädoyer für seine Ideen entgegen – bei denen es keineswegs um eine Vergemeins­chaftung von Schulden gehe. Vielmehr, so Macron, sei sein Ziel die Bekämpfung der Arbeitslos­igkeit und Stärkung der Eurozone als wirtschaft­licher Konkurrent von China und den USA. „Jeder muss Verantwort­ung übernehmen“, erklärte Macron: Sein Land tue das, indem es tief greifende Reformen angehe. „Ich habe keine roten Linien, ich habe nur Horizonte“, rief der Präsident leidenscha­ftlich, der Bundeskanz­lerin Angela Merkel zu ihrem Wahlsieg gratuliert­e.

Für die Europa-Wahlen 2019 schlug Macron eine offene Debatte über die Ziele und Aufgaben der EU unter den europäisch­en Bürgern vor – ebenso wie länderüber­greifende Listen. Eines dürfe in Europa nie verloren gehen: der europäisch­e Pioniergei­st.

 ?? Foto: Ludovic Marin, afp ?? Mit einem emotionale­n Appell leitete der französisc­he Präsident Emmanuel Macron seine groß angekündig­te Grundsatzr­ede zur Zukunft der Europäisch­en Union ein. Es folgte ein ganzes Konvolut von Reformidee­n für eine effektiver­e EU.
Foto: Ludovic Marin, afp Mit einem emotionale­n Appell leitete der französisc­he Präsident Emmanuel Macron seine groß angekündig­te Grundsatzr­ede zur Zukunft der Europäisch­en Union ein. Es folgte ein ganzes Konvolut von Reformidee­n für eine effektiver­e EU.

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