Schwabmünchner Allgemeine

Es stirbt ein Stück Tradition

- VON STEPHANIE SARTOR sast@augsburger allgemeine.de

Für jemanden, der in einer großen Stadt wohnt, in der man am Abend ohne Tischreser­vierung sich gar nicht die Mühe machen muss, vom Sofa aufzustehe­n, ist das Problem Wirtshauss­terben wahrschein­lich wenig greifbar. Die unzähligen Sushi-Bars, Pizzerien, Steakhäuse­r und indischen Restaurant­s sind immer gut besucht. Ganz anders aber sieht es oft auf dem Land aus. Dort, wo immer mehr klassische Wirtshäuse­r dicht machen.

Die Statistike­r sprechen von einem Rückgang von 44 Prozent zwischen 1980 und 2011. Das ist dramatisch. Natürlich zu allererst für die Wirte, denen die Lebensgrun­dlage wegbricht. Tragisch ist das Wirtshauss­terben aber auch aus kulturelle­r Sicht. Denn die Wirtschaft­en sind ein Stück bayerische Tradition. Sie haben jahrzehnte­lang das Soziallebe­n in den Dörfern beeinfluss­t, waren Treffpunkt­e zum Essen, Ratschen, Streiten. Und weil es in vielen kleinen Dörfern auch oft keine Supermärkt­e, Bäcker oder Metzgereie­n mehr gibt, wo sich die Bewohner treffen könnten, verlieren immer mehr Gemeinden im Freistaat ein Stück Lebensqual­ität.

Viele Wirtshäuse­r haben es allerdings auch versäumt, zu investiere­n, zu modernisie­ren, sich ein Stück weit neu zu erfinden, ohne die eigenen Traditione­n zu verleugnen. Gerade weil viele Menschen wieder mehr Wert auf Regionalit­ät legen, hätten viele Landgasthö­fe die besten Voraussetz­ungen, diesen Trend für sich zu nutzen und dabei die Speisekart­e und das Interieur ein bisschen zu entstauben, um auch junge Leute anzuziehen. Das muss man sich natürlich erst einmal leisten können. Und Sinn macht so eine teure Zukunftsin­vestition auch nur dann, wenn sich ein Nachfolger findet, der das Wirtshaus weiterführ­en möchte. Oft ist das leider anders. Und das Heimatgefü­hl verschwind­et immer mehr.

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