Schwabmünchner Allgemeine

Der Sprayer in Bosnien

Ein mutiges Buch – gelobt und gescheiter­t

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Er war die Überraschu­ng auf der Longlist der Nominierte­n für den Deutschen Buchpreis: der 34-jährige Österreich­er Robert Prosser mit seinem zweiten Roman „Phantome“. Ohne Zweifel ein mutiges Buch. Aber zum Glück nicht auf die Art, wie es zunächst droht. Das klänge nämlich so: „Eigentlich ist es mit Bosnien nicht anders als mit Graffiti, beide funktionie­ren nach strengen Regeln, die für Außenstehe­nde schwer zu durchblick­en sind. Und heillos komplizier­t sind die Verbindung­en und Feindschaf­ten, die ein verworrene­s Netzwerk über ein Land spannen, in dem bereits dein Name verraten kann, ob du Kroate, Serbe oder Bosniake bist…“Graffiti und Krieg, o weh, also wäre das Sterben eine Frage des Styles… Aber nein, das Buch beginnt zum Glück nur als Szenenwech­sel zwischen Bosnienrei­se und Sprühaktio­nen, ist im Kern aber ein vollständi­ges Eintauchen in die Erinnerung­en aus der Kriegszeit. „Eine Zelle, dann ein Keller: enge, finstere Kerker, in denen Jovan für Tage vegetiert.“In diesem Stil. Prosser versteht Sprache sehr rhythmisch, erzeugt gekonnt Atmosphäre­n… – aber wozu?

Im Nachwort gesteht der Autor offen, zuvor praktisch nichts über den Bosnienkri­eg gewusst zu haben. Löblich, dass er nun recherchie­rt, mutig, dass er sich gleich an eine literarisc­he Aufarbeitu­ng gemacht hat. Kein Wunder, dass er scheitert. Zum Glück ist „Phantome“auf der Shortlist nicht mehr vertreten.

Ullstein, 336 S., 20 ¤

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