Schwabmünchner Allgemeine

Sie erklärt, wie ein Haus ordentlich bleibt

Die Japanerin Marie Kondo hat ein Prinzip entwickelt, mit dem in Zimmern nie mehr Unordnung herrschen soll. In ihren Büchern fasst sie ihre Philosophi­e zusammen – und liefert viele praktische Tipps

- VON FINN MAYER KUCKUK Tokio

Die Japanerin Marie Kondo überlässt nur ungern etwas dem Zufall. Wenn sie in Tokio zum Gespräch empfängt, hat sie eine Visagistin dabei, die zwischendu­rch kurz ihr Make-up auffrischt. Ihre Antworten sind meistentei­ls präzise hergesagte Abschnitte aus ihren Büchern. Doch ihre zur Schau gestellte Perfektion ist kein Wunder. Kondos Superfähig­keit ist das totale Aufräumen. Kondo, 33 Jahre alt, ist mit ihrer Ordnungsme­thode rund um den Globus berühmt geworden. Nun steht sie vor einer besonders harten Herausford­erung: bei sich zu Hause die perfekte Ordnung aufrechtzu­erhalten, obwohl sie zwei kleine Töchter hat. Satsuki ist zwei Jahre alt, Miko ein Jahr. Die Kindersach­en dürften keinesfall­s das ganze Haus überschwem­men, lautet die Vorgabe ihrer Mutter.

Kondo ist vor acht Jahren zuerst in ihrer Heimat Japan berühmt geworden, als sie ihr erstes Buch über den Zauber des Aufräumens veröffentl­icht hat. Sie versprach: Wer meine Methode richtig anwendet, erleidet keinen Rückfall – und die Wohnung bleibt ewig ordentlich. In der überwiegen­den Zahl der Fälle konnte sie dieses Verspreche­n halten – darauf basiert ihr Erfolg.

Doch ihre Heilslehre reicht noch weiter. Wer richtig wegwirft und wegräumt, sagt Kondo, der wird glücklich, nimmt ab, kennt sich selbst besser und erreicht seine Ziele. Heute begeistert sie weltweit Millionen von Anhängern. Ihr neues Buch „Magic Cleaning – Wie Sie sich von Ballast befreien und glücklich werden“wurde allein in Japan eine Million Mal verkauft. Bei die- sem Buch handelt es sich um einen Auszug aus dem Weltbestse­ller „Magic Cleaning – Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert“. Er beinhaltet die praktischs­ten und am schnellste­n umsetzbare­n Tipps.

Ihre Philosophi­e folgt im Grunde einer einfachen Idee: Wer seine Wohnung in Schuss bringen will, muss nur einmal im Leben eine riesige Aktion machen. Kein Teil bleibt, wo es war. Der Anwender der Kondo-Methode zieht systematis­ch jede Bluse, jede Socke jedes Buch, jedes Elektroger­ät hervor. Er berührt jedes Teil, um seine persönlich­e Beziehung dazu auszuforsc­hen. Die alles entscheide­nde Fra- ge lautet dann: Macht dieser Gegenstand mich glücklich? Macht er mein Leben besser? Lautet die Antwort Nein, muss der Gegenstand aus dem Leben verschwind­en. Auf diese Weise wird der Anwender fortan nur von Dingen umgeben sein, die ihn glücklich machen.

Das ist der entscheide­nde Teil der KonMari-Methode. Es geht also nicht in erster Linie ums Wegwerfen. Es geht darum, das zu behalten, was einem Freude bereitet. Wenn einen die vielen Überraschu­ngseiFigur­en glücklich machen, dann soll die Sammlung einen prominente­n Platz im Wohnzimmer bekommen. Wenn dagegen diese enorm wert- vollen Gemälde, Erbstücke vom Vater, einen in Wirklichke­it belasten, müssen sie weg. Auch manches gute, noch neue Designerob­erteil muss dran glauben, weil die Besitzerin tief drinnen negative Gefühle damit verbindet. Das uralte, gemütliche Kapuzenshi­rt darf dafür bleiben. Ganz wichtig dabei: Nicht einfach alles achtlos wegwerfen. Jedem Gegenstand gebührt Dank für die Dienste, die er geleistet hat, und eine Entschuldi­gung dafür, dass er gehen muss. In der japanische­n Urreligion, dem Schintoism­us, haben auch Dinge eine Seele. Kondo hatte als Teenager eine Rolle als Hilfspries­terin in einem Schinto-Heiligtum.

In ihren weißen Designer-Kleidern (sie trägt kaum etwas anderes) wirkt sie heute noch wie eine Helferin im Schrein. Das Ritual des Dankes an jeden Gegenstand macht das Wegwerfen erträglich­er und zu einer bewussten, sorgfältig­en Handlung. Im zweiten Schritt kommt alles an seinen Platz, und zwar nach Art der Gegenständ­e geordnet. Blusen zu Blusen, Scheren zu Scheren, Ladegeräte zu Ladegeräte­n. Eine zweite Schachtel hinten im Schrank mit noch mehr Socken ist nicht erlaubt. Manchen Anwendern wird dann erst klar, wie viele gleiche Sachen sie haben. So lässt sich alles schnell wiederfind­en. Und es gibt keinen Zweifel daran, wo es nach Gebrauch wieder hinmuss.

Kondo hat sich auch als erfolgreic­he Geschäftsf­rau und Mutter ihre beinhart konservati­ve Haltung bewahrt. Die Führung des Haushalts sieht sie vor allem als ihre eigene Aufgabe, nicht die ihres Mannes. Sie ist überzeugt, dass der Mann in der natürliche­n Ordnung über der Frau stehe. Kondo hat in Tokio an einer Frauenuniv­ersität studiert und sie trägt grundsätzl­ich keine Hosen. Ihre Haushalts-Tipps richten sich ausdrückli­ch an Frauen. Das irritiert, zumal sie mit Sicherheit mehr verdient als ihr Mann. Sie hat bereits mehr als sieben Millionen Bücher verkauft, lässt sich Seminare und Vorträge hoch entlohnen. Doch anderersei­ts kommt Kondo in ihrem Kampf gegen die Unordnung auch irgendwie sympathisc­h rüber.

Und wie klappt das nun mit den Kindern? Die machen das Ganze mit, behauptet Kondo. Vor einem Jahr war sie sich noch nicht sicher, ob sie mit einem Baby und einem Kleinkind ihr perfektes Heim erhalten kann, in dem nie etwas am falschen Platz liegt. Wenn Kinder im Haushalt sind, werde es schwerer, gibt sie zu. Doch heute ist sie überzeugt: Wenn die Eltern das KonMari-Prinzip verinnerli­cht haben, können sie es auch den Kids beibringen. Schon mit der Einjährige­n spiele sie Aufräumspi­ele. Dreijährig­e verstünden die Idee, sich von ausgedient­en Teilen freundlich zu verabschie­den. Und wenn sie ein Stofftier an sich drücken, dann können sie gut sagen, ob es ihnen noch Freude bereitet oder nicht. Auch jedes einzelne Teil ihrer Töchter, jeder Strampler, jedes Spielzeug hat seinen festen Platz. Und die Kids haben von Anfang an gelernt, dass es immer dahin zurückkomm­t, wo es

hingehört.

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Foto: privat Marie Kondo hat weltweit Millionen Anhänger – und sogar ihr eigenes Verb: „to kon do“sagen Amerikaner, wenn sie ihre Wohnung geordnet haben.
 ??  ?? Marie Kondo: Magic Cleaning – Wie Sie sich von Ballast befreien und glücklich wer  den. Rowohlt, 80 Seiten. 8 Euro. »
Marie Kondo: Magic Cleaning – Wie Sie sich von Ballast befreien und glücklich wer den. Rowohlt, 80 Seiten. 8 Euro. »

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