Schwabmünchner Allgemeine

Online Einkauf unter falschem Namen

Ein Paketzuste­ller erbeutete in der Region Waren im Wert von über 5000 Euro. Warum der 38-Jährige gerade noch einer Haftstrafe entging und die Kripo weiter ermittelt

- VON PETER RICHTER Region

In den letzten Jahren ist es bundesweit zu einem kontinuier­lichen Anstieg der Zahlen von Bestellbet­rug gekommen – eine Entwicklun­g, die parallel zum Boom bei den Online-Versandhän­dlern zu sehen ist. Möglicherw­eise werden solche Betrügerei­en – meist Bestellung­en mit falschen Namen, Adressen und Unterschri­ften – in einigen Fällen sogar auch bandenmäßi­g organisier­t. Die Augsburger Kriminalpo­lizei ermittelt derzeit gegen mehrere Tatverdäch­tige. Angeblich soll es sich bei ihnen um Rumänen handeln, die als selbststän­dige Fahrer für ein großes Logistikun­ternehmen arbeiten und „nebenher“eigene unerlaubte Geschäfte abwickeln. Polizeispr­echer Michael Jakob wollte sich zu Zahl und Verfahrens­stand gestern wegen der noch laufenden Ermittlung­en allerdings noch nicht konkreter zu den Fällen äußern.

Dass Bestellbet­rug kein Einzelfall ist, hat diese Woche bereits ein Prozess vor dem Augsburger Amtsgerich­t gezeigt: Ein Paketzuste­ller ist dabei offenkundi­g knapp einer Haftstrafe entgangen. Der 38-Jährige hatte mit Nachnamen und Adres- se von Menschen, deren Wohnorte auf seinen regelmäßig­en Routen als Paketfahre­r lagen, immer wieder bei einem bestimmten Versandhän­dler eingekauft: Kleidung, Schuhe, Kinderspie­lzeug, Windeln – alles im Gesamtwert von über 5000 Euro. Trafen die Pakete zur Auslieferu­ng bei ihm ein, bestätigte der Zusteller deren Auslieferu­ng an den Kunden mit gefälschte­r Unterschri­ft. Und behielt die Waren bei sich. Es dauerte, wie im Prozess deutlich wurde, erstaunlic­he drei Jahre, bis die raffi- nierte Masche des 38-Jährigen aufflog. Immer wieder hatten sich Bürger bei der Polizei in Augsburg und vor allem im Landkreis AichachFri­edberg gemeldet, weil ihnen der Versandhän­dler wegen der ausbleiben­den Bezahlung der Rechnung mit rechtliche­n Schritten drohte. Erst da wurde offensicht­lich, dass jemand im Namen der Betroffene­n Waren bestellt hatte.

Der angeklagte Rumäne zeigte sich vor dem Amtsgerich­t geständig, wenn auch zunächst sehr zögerlich. Über seinen Verteidige­r Jörg Seubert gab er 51 Betrugsfäl­le zu. Was der Staatsanwä­ltin jedoch nicht genügte. Nach ihrem Hinweis, ohne ein vollständi­ges Geständnis müsse er mit einer Gefängniss­trafe rechnen, wurde der Angeklagte dann aber doch gesprächig­er. Wie er sagte, kursierte unter Fahrerkoll­egen der Tipp, wie man im Versandhan­del kostenlos einkaufen könne. Etwa die Hälfte der von ihm bestellten Waren will der Angeklagte für sich und seine Familie behalten haben. Ein Abnehmer sei auch sein Bruder gewesen, der die Sachen demnach in der Heimat Rumänien weiter verkauft hat.

Die Polizei sieht im Warenwirts­chaftssyst­em des Online-Versandhan­dels Sicherheit­slücken. Wie im Prozess ein Zeuge aussagte, überprüfen manche Händler die Adressen von Bestellern nur automatisc­h, andere schalten dafür Fremdfirme­n ein. Oft muss die Ware auch erst nach ihrer Auslieferu­ng bezahlt werden, da „nur“eine Rechnung mitge- schickt wird. Firmen räumen den Käufern mitunter bis zu einem Monat Zeit dafür ein.

Der Angeklagte ist 2014 mit Ehefrau und zwei kranken Kindern aus Rumänien nach Augsburg übersiedel­t – aus wirtschaft­licher Not. Nach seinen Angaben hatte er trotz Abitur dort monatlich nur 250 Euro verdient. Nach seinem Geständnis muss der Paketzuste­ller, anders als von der Staatsanwa­ltschaft gefordert, nicht ins Gefängnis. Das Gericht beließ es bei einer Bewährungs­strafe von eineinhalb Jahren. Außerdem machte es dem Verurteilt­en zur Auflage, den verursacht­en Betrugssch­aden in monatliche­n Raten von 100 Euro zu erstatten. Was ihn also gut vier Jahre beschäftig­en wird.

Kleidung, Schuhe, Spielzeug, Windeln und mehr

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Symbolfoto: Bernd Wüstneck/dpa Ein Paketzuste­ller nutzte Lücken im Sys tem des Versandhan dels und entgeht knapp einer Haftstra fe.

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