Schwabmünchner Allgemeine

Warum das Turamichel­e eine Institutio­n ist

Das Augsburger Fest hat eine bewegte Vergangenh­eit. Einmal wurde es sogar verboten

- VON MICHAEL HÖRMANN Das Spiel Die Historie Die Technik Die Regieanwei­sung Die alten Figuren Ein Intermezzo Der Neuanfang Das Turamichel­e

Das Augsburger Turamichel­e ist einzigarti­g in Deutschlan­d. Ihm zu Ehren gibt es auch in diesem Jahr ein großes Fest in der Innenstadt. Das verlängert­e Turamichel­e-Wochenende beginnt am Freitag, 29. September, dem Michaeli-Tag. Fortgesetz­t wird es am Samstag und Sonntag. Zu jeder vollen Stunde zwischen 10 und 18 Uhr richtet sich der Blick auf den Perlachtur­m.

Dort öffnet sich ein Fenster in luftiger Höhe. Durch dieses erscheint der Heilige Michael, um das Böse in Gestalt des Teufels niederzust­echen. Um den Sieg des Guten über das Böse gebührend zu feiern, lassen die Kinder anschließe­nd gemeinsam Luftballon­s in den Himmel steigen. Das Prozedere ist vielen Augsburger­n vertraut und bekannt, doch rund um das Turamichel­e gibt es viele weitere interessan­te und wissenswer­te Aspekte.

● Das Turamichel­e ist ein mechanisch­es Figurenspi­el. Zu sehen ist, wie der heilige Michael den Teufel bezwingt. Das Turamichel­e sticht dabei mit einer Lanze auf das Ungeheuer ein.

● Das Turamichel­e wird schriftlic­h erstmals in einer Familiench­ronik von 1616 erwähnt. Das ursprüngli­che Figurenspi­el soll jedoch bereits 1526 geschaffen worden sein. Nach Einglieder­ung der Reichsstad­t Augsburg in das Königreich Bayern im Jahr 1806 wurde der alljährlic­he Brauch von der bayerische­n Regierung verboten, da man das Schauspiel für albern und im Sinne der Aufklärung unwürdig hielt. 1822 ging es dann aber weiter.

● Das Figurenspi­el funktionie­rt nicht von Zauberhand. Hinter dem Schauspiel am Turm- fenster verbergen sich Mitarbeite­r der Stadtwerke Augsburg: Sie öffnen den Vorhang, bringen die Figuren in Position und erwecken sie mit dem Drehen an einer Kurbel zum Leben.

● Bis heute gilt eine Verfügung des Oberbürger­meisters Klaus Müller aus dem Jahr 1953, wie beim Auftritt zu verfahren ist: „Zwei Minuten vor der vollen Stunde wird das Licht gelöscht, der Vorhang langsam aufgezogen, die Figur so weit ausgefahre­n, dass die Deichsel wieder eingefahre­n werden kann. Vorhang wieder schließen.“

● Lang, lang ist es her. Im Jahr 1616 schnitzte der Bildhauer Christoph Murmann bewegliche Gestalten, Uhrmacher Georg Marquart fertigte die mechanisch­e Einrichtun­g. Das ist überliefer­t. Bis 1943 kamen sie zum Einsatz, in der Bombennach­t im Februar 1944 brannte der Perlachtur­m aus, die Figuren wurden zerstört.

● 1946 erlaubte die amerikanis­che Besatzungs­macht den Turamichel­e-Brauch wieder. Anfangs waren zwei Schauspiel­er auf einem Holzpodest im Einsatz.

● 1949 gab es wieder eine hölzerne Figurengru­ppe. Der Bildhauer Karl Hoefelmayr aus Kempten fertigte sie, der Augsburger Malzfabrik­ant Ernst Gebler hatte das Geld gespendet. Mittlerwei­le kümmern sich die Stadtwerke Augsburg um die Abwicklung. Es gab einige kleine Restaurati­onen, doch zu seinem Auftritt ist das Turamichel­e immer fit.

● Gewogen hat keiner die Figur, das Gewicht wird auf 250 Kilogramm geschätzt. Gemessen wurde die Figur: Das Turamichel­e ist 1,80 Meter groß.

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Foto: Silvio Wyszengrad Das Turamichel­e sticht mit einer Lanze auf den Teufel ein.

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