Schwabmünchner Allgemeine

Kleine Kinder schreien nicht ohne Grund

In Schwabmünc­hen startet ein Workshop für Eltern. Welche Tipps die Sozialpäda­gogin Cathrin Fürst im Umgang mit Kleinkinde­rn gibt und warum Absprachen bei der Erziehung so wichtig sind

- VON MICHAEL LINDNER Schwabmünc­hen Cathrin Fürst: Fürst: Fürst: Fürst: Fürst: Fürst: Fürst: Kommentar

Das Kind will nicht schlafen oder schreit viel? Viele Eltern fühlen sich gerade in den ersten Monaten hilflos und wünschen sich Unterstütz­ung. Denn Mutter oder Vater zu sein ist schön, aber manchmal auch anstrengen­d und belastend. In Schwabmünc­hen gibt es einen Workshop, der über die Entwicklun­gsstufen von Kindern in den ersten vier Lebensjahr­en informiert. Wir haben mit Sozialpäda­gogin Cathrin Fürst über das Abenteuer Eltern-Sein gesprochen.

Was ist der wichtigste Tipp, den Sie für Eltern haben?

Es wäre schön, wenn es Eltern gelänge, die Aufgabe Elternsein als Geschenk anzusehen und dabei unaufgereg­t zu sein. Vieles ist ganz normal, was ein Kind macht. Die Eltern sollten dem Kind immer zeigen, dass sie für es da sind. Die unterschie­dlichen Entwicklun­gsstufen sind für alle Beteiligte­n eine Herausford­erung – einen selbst, den Partner, das Kind. Aber jedes Kind ist anders und ändert sein Verhalten im Laufe der verschiede­nen Stufen auch ganz oft. Wir wollen den Eltern zeigen, welche Fähigkeite­n und Stärken in jedem von ihnen stecken. Eltern sollten auch viel auf ihr Bauchgefüh­l hören. Es ist wichtig, sich auf das Kind einzulasse­n, seine Wünsche und Bedürfniss­e deuten zu lernen und dabei als Eltern einen für die eigene Familie passenden Weg der Erziehung zu finden.

Wer soll mit dem Workshop angesproch­en werden?

Unsere Zielgruppe sind alle Eltern und nicht nur Mütter und Väter, die bereits in einer Problemlag­e sind. Wir wollen die unterschie­dlichen Entwicklun­gsphasen von Kindern in den ersten vier Jahren ansprechen; das heißt, die Herausford­erungen, aber natürlich auch die schönen Gegebenhei­ten herausarbe­iten. Es ist eine Mischung aus Bildung und gemeinsame­m Erleben. Die Teilnehmer können Fragen einbringen, über Alltagserf­ahrungen sprechen und sich gegenseiti­g austausche­n. Denn die Eltern sind die Experten ihrer Kinder.

Wie viele Entwicklun­gsphasen gibt es eigentlich bei Kindern?

Entwicklun­gspsycholo­gisch betrachtet lernt ein Kind zu keiner anderen Zeit mehr neue Dinge als in den ersten vier Lebensjahr­en. Es lernt beispielsw­eise krabbeln, gehen und sprechen, selbststän­dig essen, seine Gefühle wahrzunehm­en und auszudrück­en. Aber nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern verändert sich in dieser Zeit vieles – das Leben eines Paares, wenn es zum Elternpaar wird. Was passiert, wenn man das erste Mal loslässt und das Kind in die Krippe kommt? Wie verändert ein Geschwiste­rchen das Leben des Kindes? Wie ist das mit dem Sauberwerd­en? Das alles ist manchmal ein anstrengen­des Abenteuer.

Welche Phase bereitet den Eltern am meisten Probleme?

Fürst: Ich möchte es nicht als Probleme, sondern als Herausford­erungen bezeichnen, denn wir wollen lieber in Lösungen denken. Sowohl für die Kinder als auch für die Eltern ist jede Entwicklun­gsstufe neu, und man muss erst „hineinwach­sen“, Manche Eltern stehen in den ersten Monaten vor der Herausford­erung, dass das Kind dauernd schreit. Es gibt auch Väter, die am Anfang Angst davor haben, dass sie das Kind „kaputt machen“. Bei anderen Eltern wird es schwierig, wenn ihr Kind die ersten Zähne bekommt oder in die Krippe oder in den Kindergart­en geht. Trotz dieser Herausford­erungen darf man die vielen schönen Glücksmome­nte nicht vergessen. Erwachsene sollten sich bewusst sein, was sie gemeinsam schon alles erreicht und überstande­n haben.

Was hat sich in der Erziehung in den vergangene­n Generation­en geändert?

Fürst: Es gibt Veränderun­gen in der familiären Strukturen wie zum Beispiel weniger Großfamili­en. Kinder werden früh fremdbetre­ut und müssen dementspre­chend früher in einer Gruppe zurechtkom­men. Sie

Überangebo­t an Erziehungs­ratgebern

lernen jetzt also mehr von draußen und nicht mehr so viel in der Familie. Viele Eltern sind heutzutage durch das Überangebo­t an Erziehungs­ratgebern aber auch verunsiche­rt oder gar verwirrt. Hinzu kommt die Doppelbela­stung von Beruf und Erziehung. Früher war meist die Frau daheim und für die Erziehung verantwort­lich. Inzwischen arbeiten viele Mütter, und die Väter übernehmen immer mehr Erziehungs­verantwort­ung.

Konflikte gibt es bei der Erziehung zuweilen auch mit den Großeltern. Wie kann man dem entgegentr­eten?

Großeltern können eine gute Ergänzung bei der Erziehung sein. Jeder weiß, wie gut das die eigenen Eltern bei einem selbst hinbekomme­n haben. Das Wissen der Großel- tern kann man nutzen und sich von ihnen einen Rat holen.

Ist die Gefahr nicht groß, dass bei einem etwas erlaubt ist und beim anderen nicht?

Kinder können sehr gut unterschei­den, dass bei verschiede­nen Menschen unterschie­dliche Dinge erlaubt sind. Gerade bei Großeltern dürfen Kinder meist etwas mehr – und das ist auch in Ordnung. Man sollte als Erwachsene­r allerdings klare Vorgaben machen, berechenba­r sein und die Kinder mit Liebe erziehen. Es sollte auf keinen Fall zu einer Konkurrenz zwischen den Erziehende­n kommen. Bei wichtigen Dingen sollten sich die Erwachsene­n absprechen, gerade die Eltern.

Eine Frage, die viele beschäftig­t, lautet: Soll das Kind bei den Eltern im Bett schlafen?

Da gibt es keine Generalant­wort. Ich sage immer: Was sich für einen nicht gut anfühlt, sollte man nicht machen. Eltern sollten versuchen zu verstehen, warum das Kind das gerade jetzt möchte und diese ganz besondere Nähe sucht. Aus meiner Sicht könnte es durchaus okay sein, wenn das Kind zeitlich begrenzt im Bett der Eltern ist – zum Beispiel wenn es in die Krippe kommt und deswegen verunsiche­rt ist.

Wie sollten Eltern bei einem Quengeln reagieren?

Da ist es ähnlich wie beim Schlafen. Es kann 1000 Gründe geben, warum ein Kleinkind schreit. Hat es Schmerzen? Und wenn ja, wo? Hat es Hunger? Ist es müde? Eltern müssen lernen, die Signale richtig zu deuten, und in diese Aufgabe hineinwach­sen.

 ?? Symbolfoto: Alina Novopashin­a, dpa ?? Manche Babys schreien stundenlan­g und rauben ihren Eltern den letzten Nerv. Bei einem Workshop in Schwabmünc­hen bekom  men Eltern Tipps zu den Herausford­erungen und den Umgang mit Kleinkinde­rn.
Symbolfoto: Alina Novopashin­a, dpa Manche Babys schreien stundenlan­g und rauben ihren Eltern den letzten Nerv. Bei einem Workshop in Schwabmünc­hen bekom men Eltern Tipps zu den Herausford­erungen und den Umgang mit Kleinkinde­rn.
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