Die Abschiedspredigt wird kein Rückblick
Am Sonntag feiert Pfarrer Bernd Weidner seinen letzten Gottesdienst in der katholischen Gemeinde Königsbrunn. Warum die vergangenen Wochen für ihn komisch waren und warum das nächste Weihnachtsfest etwas Besonderes wird
Sie hatten im August einen längeren Urlaub und hatten noch drei Wochen Dienst. Wie war diese Übergangszeit vor dem Abschied?
Ganz komisch. Ich bin ja am ersten Wochenende nach dem Urlaub schon nach Augsburg umgezogen und war seitdem Pendler. Man ist quasi da und nicht mehr da. Bis zu den Ferien konnte man die Gedanken an den Abschied noch wegschieben. Danach war es schmerzhafter, weil man deutlicher spürt, was man alles loslassen muss ein gutes Team, im Pfarrbüro, mit den Ehrenamtlichen. Das ist schwerer, als man denkt, wenn man die Entscheidung trifft. Gleichzeitig ist schon Aufregung für die neue Aufgabe da: Man fängt wieder komplett bei Null an, weil man so ziemlich alles zurücklässt, auch das soziale Umfeld.
Haben Sie im Urlaub auch schon über ihre Abschiedspredigt nachgedacht?
Weidner: Das kam zwischendurch schon einmal hoch. Aber an Erntedank geht es nicht nur um den Blick zurück, sondern auch nach vorne. Eine Predigt ist auch kein Rückblick, ich werde also sicher nicht nur alles aufzählen, für das ich in den letzten 13 Jahren dankbar bin. Insgesamt war in den letzten Wochen auch noch viel zu tun. Innerlich arbeitet aber schon viel in einem. Daher bin ich froh über die drei Monate Sabbatzeit, denn abschließen konnte ich jetzt noch nicht.
Was haben Sie sich für die Auszeit vorgenommen? Bereiten Sie sich währenddessen auf Oberhausen und Bärenkeller vor?
Nein, eine Auszeit ist keine Arbeitszeit. Exerzitien gehören dazu. Ich werde auch nach Indien fahren und Pater Don Bosco besuchen, den wir mit dem Verein „Hand in Hand“unterstützen. Diese persönliche Verbindung wird bleiben. Ob wir auch die Zusammenarbeit mit der Gemeinde in Augsburg fortsetzen, weiß ich noch nicht. Dort gibt es schon viele soziale Projekte. Ansonsten werde ich Freunde treffen und Zeit mit meiner Familie verbringen. Da ich erst im Januar anfange, kann ich zum ersten Mal seit 22 Jahren Weihnachten mit meinen Eltern feiern.
Was nehmen Sie an dienstlichen Erfahrungen mit aus Königsbrunn?
Erst einmal die Erfahrung, drei große Stadtpfarreien zusammengeführt zu haben. Wir haben uns hier neue Strukturen aufgebaut, so wie wir sie gebraucht haben. Ein Gremium wie unseren PG-Rat gibt es nur einmal im Bistum. Die Immobilien sind die deutlichsten Veränderungen: Bei St. Ulrich war das auch eine inhaltliche Frage, wir haben mit den Wohngruppen, der Tafel und der Kleiderkammer soziale Projekte in die Stadt geholt. Wir haben Kirche und Pfarrzentrum Zur Göttlichen Vorsehung generalsaniert, dazu wurden Krippen gebaut, die Sanierungen der Kindergärten laufen. In meinen Jahren haben wir grob überschlagen zwölf Millionen Euro verbaut. Die Bezeichnung „Baupfarrer“wird in der Kirche kritisch gesehen, weil es andeutet, dass man das Geistliche eher hinten anstellt. Aber mein wichtigstes Projekt war der Meditationsraum in Maria unterm Kreuz. Das ist für mich der Ort, um mit Menschen zu beten, Gottesbeziehungen zu entwickeln und Glaubenswege mitzugehen.
Wie hat Sie die Zeit in Königsbrunn menschlich geprägt?
Erst einmal hat sie mich 13 Jahre älter gemacht. Aber als Priester ist das Alter keine Last, die Erfahrung macht vieles wett. Sie hilft, Menschen zu begleiten. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, zu beten. Das geistliche Leben hat einen deutlich höheren Stellenwert als am An- fang, auch meinen freien Tag in der Woche werde ich nicht aufgeben. Es gab auch sehr harte Zeiten, gerade am Anfang und als wir darüber diskutiert haben, das Pfarrheim St. Ulrich abzureißen. Da lagen teilweise anonyme Briefe im Briefkasten. Ich war schon teils entsetzt, wie böse Menschen sein können. Andererseits ist man auch begeistert, wie viele Leute mitgegangen sind und die Veränderungen mitgestaltet haben. Die Erfahrung daraus ist, dass man nicht alle Menschen lieben kann, aber nicht aufgeben sollte, es zu versuchen. Und die Zeit hier hat mich auch kampferprobt gemacht.
Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt stetig. Wie gehen Sie damit um?
In Königsbrunn ist die Mitgliederzahl in meiner Zeit von 14 800 auf 12 000 gesunken. Teils liegt das am demografischen Wandel, aber 1000 Menschen sind auch ausgetreten. Ich muss akzeptieren, dass ich nicht so nett und begeisternd sein kann, dass alle Menschen bleiben. Und der ein oder andere ist sicher auch wegen mir ausgetreten. Aber ich bin nicht ohne Hoffnung. Es steht nirgends im Evangelium, dass man als Glaubensgemeinschaft die Bevölkerungsmehrheit stellen muss. Aber man kann immer eine kreative, schöpferische Gruppe sein. Und ich kann nicht die Verantwortung für jedermanns Leben übernehmen.
Haben Sie schon Kontakte nach Oberhausen und Bärenkeller geknüpft?
Es gab schon ein paar Begegnungen und Vorgespräche. Momentan betrachte ich die Gemeinden noch aus der Außensicht. Es ist nicht leicht, jemandem nachzufolgen, der 44 Jahre eine Gemeinde geprägt hat, wie Pfarrer Mair. Er ist hoch engagiert, ein Streetworker im besten Sinne, zutiefst in der Gemeinde vernetzt und hat viele soziale Projekte angeschoben. Das sind große Schuhe, die man so nicht füllen kann.
Was ist Ihr erster Eindruck von den Gemeinden?
In Oberhausen gibt es aufgrund der Bevölkerungsstruktur keine Volkskirche mehr. Die Frage ist, wo in diesem Umfeld Kirche und Christentum ihren Platz finden. Im Viertel gibt es viele Einrichtungen der Katholischen Jugendfürsorge. Vielleicht kann man hier mehr kooperieren. Hier gibt es viel soziales Engagement und geistliches Leben. Es geht darum, neue Antworten zu finden für die seelischen Bedürfnisse. Im Bärenkeller sind die Strukturen noch anders als in Oberhausen, es gibt vieles noch, was dort schon verschwunden ist. Dort ist man stolz auf das rege Gemeindeleben. Es gibt auch wieder etwas zu bauen: Das Pfarrhaus im Bärenkeller wird generalsaniert und in St. Martin wird ein kleines Pfarrheim gebaut.
Nehmen Sie am Sonntag Taschentücher mit zum Abschiedsgottesdienst?
Ich bin schon traurig, hoffe aber, dass das sich eher in den stillen Momenten zeigt. Ich möchte auch nicht den großen Katzenjammer verbreiten, ich habe mich ja entschieden zu gehen. Die entscheidende Frage ist immer: Ist es mir gelungen, dass die Menschen eine Beziehung zu Christus aufbauen? Als ich hierher kam, hieß es, dass ich eine schwierige Aufgabe übernehme. Jetzt gehe ich mit einem guten Gefühl. Ich freue mich darauf, jetzt in Augsburg anzupacken und bin zuversichtlich, dass sich auch dort einmal so ein gutes Gefühl einstellt.
OSeinen letz ten Gottesdienst in Königsbrunn feiert Pfarrer Bernd Weidner am Sonntag, 1. Oktober, in der Kirche Zur Göttlichen Vorsehung mit dem Erntedankfest. Der Gottesdienst beginnt um 10.30 Uhr.