Schwabmünchner Allgemeine

Reiner Apfelsaft: Am Anfang steht schmutzige­s Wasser

Der Obst- und Gartenbauv­erein Herbertsho­fen betreibt im Vereinshei­m eine Kelterei. Vereinsmit­glied Franz Kneissl erklärt den Ablauf und verrät die Besonderhe­iten der verschiede­nen Obstsorten (Serie, Teil 14)

- VON STEFFI BRAND (TEXT) UND MARCUS MERK (FOTOS) Meitingen Herbertsho­fen

Drei Mann bilden ein Team in der Kelterei des Obst- und Gartenbauv­ereins Herbertsho­fen. Einer hat die Aufsicht, nimmt die Früchte an, koordinier­t die Anmeldung und sorgt für einen geordneten Ablauf. Der Zweite hat die Presse im Blick, und der Dritte steht an der Abfüllanla­ge. So aufgestell­t wird in der Kelterei Obst gepresst – und zwar während der Haupternte­zeit von Dienstag bis Samstag. In diesem Jahr erwartet Franz Kneissl, der an diesem Samstag die Aufsicht hat, weniger Ausbeute. „In den kalten Aprilnächt­en sind vielen die Früchte erfroren“, erklärt er. In der besten Saison, so erinnert sich das Vereinsmit­glied, seien 350 Tonnen Obst durch die gelaufen. Heuer rechnet er mit 150 Tonnen.

Viele unterschie­dliche Früchte gibt es dennoch, und diese müssen alle in einer festgelegt­en Reihenfolg­e in die Obstpresse. Bei Äpfel und Birnen ist der Pressvorga­ng ähnlich. Aus 100 Kilogramm Obst werden im Schnitt 70 Liter Saft gepresst. Dabei hängt die Ausbeute auch von der Sorte ab. Die frühen Sorten sind recht weich, fast schon matschig und geben nur wenig, dafür aber recht dunklen Saft. Die späten Früchte, die nun geerntet werden, sind fester.

Nach den Äpfeln kommen Trauben und Holunder in die Presse. Quitten, die erst ab Mitte Oktober gebracht werden, sind ein besonde- Fall und werden separat gepresst.

Geliefert werden die Äpfel ab 50 Kilogramm. Pro Stunde können in Herbertsho­fen 18 bis 20 Zentner verarbeite­t werden. Das Verfahren ist dabei immer gleich.

Die Äpfel werden in den ersten Behälter gekippt. Kneissl weiß: „Jetzt erschrecke­n viele Leute, weil es sie Überwindun­g kostet, ihre Äpfel ins vermeintli­che Schmutzwas­ser zu kippen.“Allerdings ist diese erste Station gar nicht zum Waschen der Äpfel gedacht, sondern eigentlich nur ihr Startpunkt. Von dort aus werden die Äpfel über eine SchneMasch­inen cke mit Hochdruckr­einigungsd­üsen nach oben befördert. Was nach diesem Waschgang zurückläuf­t, ist dann genau das schmutzige Wasser, das viele Kunden zunächst abschreckt. Trauben und Holunder bleibt diese Waschanlag­e erspart. Sie werden direkt in den Trichter gekippt. Oben angekommen, befindet sich das Obst im Trichter. Dort werden die Äpfel komplett gehäckselt. Bei diesem Produktion­sschritt höre man die Festigrer keit des Obstes, verrät Kneissl. Je fester das Obst ist, desto lauter wird’s dann in der Kelterei in Herbertsho­fen.

Die sogenannte Maische wird nun aufs Band geschickt. Über mehrere Rollen läuft die Maische in der Bandpresse. Der Abstand der Walzen wird enger, und der Saft wird ausgepress­t. Was kaum einer weiß, ist, dass parallel zum Pressvorga­ng in einem zweiten Kreislauf direkt die Reinigung der Maschine läuft. So werden die Bänder direkt wieder von matschigem Obst gesäubert. Mittags wird zusätzlich einmal eine Grundreini­gung durchgefüh­rt, abends steht die Vollreinig­ung an.

Während der gepresste Saft aus der Presse in den Vorratsbeh­älter fließt – hier gibt es mehrere Behälter, sodass jeder Kunde genau den Saft seiner Früchte bekommt –, wird der trockene Rest vom Pressvorga­ng direkt aus dem Vereinshei­m des Obst- und Gartenbauv­ereins katapultie­rt. Draußen, vor dem Haus, freuen sich beispielsw­eise Jäger über den vermeintli­chen Abfall. Sie können diesen im Winter für die Wildfütter­ung nutzen und warten hier geduldig, bis sich die mitgebrach­ten Behälter gefüllt haben.

Der Apfelsaft nimmt indes weiter seinen Weg. Nächste Station: Zentrifuge. Dieses Gerät gibt es erst seit fünf Jahren im Verein. Die Anschaffun­g hat sich gelohnt, denn früher, so erinnert sich Kneissl, gab es häufig Produktion­sunterbrec­hungen von 30 Minuten, um das Vorgängerm­odell zu reinigen. Mit 12000 Umdrehunge­n pro Minute wird der Saft nun in der neuen Zentrifuge gereinigt und in den Vorratsbeh­älter verfrachte­t.

In der Erhitzungs­anlage wird der Saft auf 82 bis 85 Grad Celsius erhitzt. Viele fürchten an dieser Stelle um den Vitamingeh­alt, doch bei einer Schulung in Weihenstep­han hat Kneissl gelernt: „Lieber auf ein paar Vitamine verzichten und dafür einen haltbaren Saft bekommen.“

Nach diesem Verfahren, das über einen Durchlaufe­rhitzer bewerkstel­ligt wird, ist der Saft für ein Jahr haltbar. Doch Franz Kneissl, der seit 40 Jahre im Verein aktiv ist, weiß: „Wer den Saft im Keller dunkel und trocken lagert, kann diesen auch nach drei Jahre noch trinken.“Abgefüllt wird der Saft dann je nach Kundenwuns­ch – in Kunststoff­beutel oder in Flaschen, in Zehn- oder Fünf-Liter-Packungen.

Ab und an wird auf Kundenwuns­ch auch eine Besonderhe­it gebraut. Dann gibt es Most. So wird reinster Saft bezeichnet, der angereiche­rt mit Zucker und Hefe und nach einer Reifezeit von acht bis zehn Wochen zu Apfelwein wird. Auf 100 Liter Most kämen zehn Pfund Zucker, verrät Kneissl das Rezept. Süß wird das Gebräu dadurch jedoch nicht. Stattdesse­n wird der Alkoholgeh­alt damit verstärkt.

Ist das letzte Obst gepresst, ist für das Drei-Mann-Team vom Obstund Gartenbauv­erein noch lange nicht Schluss. Zwei Stunden lang dauert es dann, bis alles wieder sauber ist. Ein ähnliches Prozedere muss auch die Aufsicht in der Früh absolviere­n, denn der Erste, der in die Kelterei kommt, muss die Leitungen spülen, die Heizung starten und alle wichtigen Vorbereitu­ngen machen, damit die angekündig­te Kundschaft auch pünktlich ihr Obst pressen kann.

Dabei erleben die Vereinsmit­glieder auch regelmäßig Überraschu­ngen. Traubensaf­t laufe nämlich nicht etwa rot durch die Leitungen, erklärt Kneissl. Farbgebend sind bei dieser Frucht die Schalen, und diese kommen nicht in den Saft. Auch berichtet Kneissl von einem ganz persönlich­en Fauxpas. „Durch die Leitungen ist extrem heller Saft geflossen“, erinnert er sich. Er dachte, dies sei verunreini­gtes Wasser und hat die Flüssigkei­t weggeschüt­tet. Doch Kneissl lag falsch: Es lag an der Apfelsorte, die fast durchsicht­ig weißen Saft gab.

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 ??  ?? Bis aus 100 Kilogramm Äpfeln in der Herbertsho­fer Kelterei am Ende 70 Liter Saft entstehen, sind viele Schritte nötig. Die erste Station führt immer zu Helmut Kaiser, der dem Obst ein Vollbad ein lässt. Im Trichter werden die Äpfel gehäckselt,...
Bis aus 100 Kilogramm Äpfeln in der Herbertsho­fer Kelterei am Ende 70 Liter Saft entstehen, sind viele Schritte nötig. Die erste Station führt immer zu Helmut Kaiser, der dem Obst ein Vollbad ein lässt. Im Trichter werden die Äpfel gehäckselt,...
 ??  ?? Zum Schluss kommt der Saft in den Karton.
Zum Schluss kommt der Saft in den Karton.
 ??  ?? Andrea Knoller bedient die Abfüllanla­ge.
Andrea Knoller bedient die Abfüllanla­ge.
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