Reiner Apfelsaft: Am Anfang steht schmutziges Wasser
Der Obst- und Gartenbauverein Herbertshofen betreibt im Vereinsheim eine Kelterei. Vereinsmitglied Franz Kneissl erklärt den Ablauf und verrät die Besonderheiten der verschiedenen Obstsorten (Serie, Teil 14)
Drei Mann bilden ein Team in der Kelterei des Obst- und Gartenbauvereins Herbertshofen. Einer hat die Aufsicht, nimmt die Früchte an, koordiniert die Anmeldung und sorgt für einen geordneten Ablauf. Der Zweite hat die Presse im Blick, und der Dritte steht an der Abfüllanlage. So aufgestellt wird in der Kelterei Obst gepresst – und zwar während der Haupterntezeit von Dienstag bis Samstag. In diesem Jahr erwartet Franz Kneissl, der an diesem Samstag die Aufsicht hat, weniger Ausbeute. „In den kalten Aprilnächten sind vielen die Früchte erfroren“, erklärt er. In der besten Saison, so erinnert sich das Vereinsmitglied, seien 350 Tonnen Obst durch die gelaufen. Heuer rechnet er mit 150 Tonnen.
Viele unterschiedliche Früchte gibt es dennoch, und diese müssen alle in einer festgelegten Reihenfolge in die Obstpresse. Bei Äpfel und Birnen ist der Pressvorgang ähnlich. Aus 100 Kilogramm Obst werden im Schnitt 70 Liter Saft gepresst. Dabei hängt die Ausbeute auch von der Sorte ab. Die frühen Sorten sind recht weich, fast schon matschig und geben nur wenig, dafür aber recht dunklen Saft. Die späten Früchte, die nun geerntet werden, sind fester.
Nach den Äpfeln kommen Trauben und Holunder in die Presse. Quitten, die erst ab Mitte Oktober gebracht werden, sind ein besonde- Fall und werden separat gepresst.
Geliefert werden die Äpfel ab 50 Kilogramm. Pro Stunde können in Herbertshofen 18 bis 20 Zentner verarbeitet werden. Das Verfahren ist dabei immer gleich.
Die Äpfel werden in den ersten Behälter gekippt. Kneissl weiß: „Jetzt erschrecken viele Leute, weil es sie Überwindung kostet, ihre Äpfel ins vermeintliche Schmutzwasser zu kippen.“Allerdings ist diese erste Station gar nicht zum Waschen der Äpfel gedacht, sondern eigentlich nur ihr Startpunkt. Von dort aus werden die Äpfel über eine SchneMaschinen cke mit Hochdruckreinigungsdüsen nach oben befördert. Was nach diesem Waschgang zurückläuft, ist dann genau das schmutzige Wasser, das viele Kunden zunächst abschreckt. Trauben und Holunder bleibt diese Waschanlage erspart. Sie werden direkt in den Trichter gekippt. Oben angekommen, befindet sich das Obst im Trichter. Dort werden die Äpfel komplett gehäckselt. Bei diesem Produktionsschritt höre man die Festigrer keit des Obstes, verrät Kneissl. Je fester das Obst ist, desto lauter wird’s dann in der Kelterei in Herbertshofen.
Die sogenannte Maische wird nun aufs Band geschickt. Über mehrere Rollen läuft die Maische in der Bandpresse. Der Abstand der Walzen wird enger, und der Saft wird ausgepresst. Was kaum einer weiß, ist, dass parallel zum Pressvorgang in einem zweiten Kreislauf direkt die Reinigung der Maschine läuft. So werden die Bänder direkt wieder von matschigem Obst gesäubert. Mittags wird zusätzlich einmal eine Grundreinigung durchgeführt, abends steht die Vollreinigung an.
Während der gepresste Saft aus der Presse in den Vorratsbehälter fließt – hier gibt es mehrere Behälter, sodass jeder Kunde genau den Saft seiner Früchte bekommt –, wird der trockene Rest vom Pressvorgang direkt aus dem Vereinsheim des Obst- und Gartenbauvereins katapultiert. Draußen, vor dem Haus, freuen sich beispielsweise Jäger über den vermeintlichen Abfall. Sie können diesen im Winter für die Wildfütterung nutzen und warten hier geduldig, bis sich die mitgebrachten Behälter gefüllt haben.
Der Apfelsaft nimmt indes weiter seinen Weg. Nächste Station: Zentrifuge. Dieses Gerät gibt es erst seit fünf Jahren im Verein. Die Anschaffung hat sich gelohnt, denn früher, so erinnert sich Kneissl, gab es häufig Produktionsunterbrechungen von 30 Minuten, um das Vorgängermodell zu reinigen. Mit 12000 Umdrehungen pro Minute wird der Saft nun in der neuen Zentrifuge gereinigt und in den Vorratsbehälter verfrachtet.
In der Erhitzungsanlage wird der Saft auf 82 bis 85 Grad Celsius erhitzt. Viele fürchten an dieser Stelle um den Vitamingehalt, doch bei einer Schulung in Weihenstephan hat Kneissl gelernt: „Lieber auf ein paar Vitamine verzichten und dafür einen haltbaren Saft bekommen.“
Nach diesem Verfahren, das über einen Durchlauferhitzer bewerkstelligt wird, ist der Saft für ein Jahr haltbar. Doch Franz Kneissl, der seit 40 Jahre im Verein aktiv ist, weiß: „Wer den Saft im Keller dunkel und trocken lagert, kann diesen auch nach drei Jahre noch trinken.“Abgefüllt wird der Saft dann je nach Kundenwunsch – in Kunststoffbeutel oder in Flaschen, in Zehn- oder Fünf-Liter-Packungen.
Ab und an wird auf Kundenwunsch auch eine Besonderheit gebraut. Dann gibt es Most. So wird reinster Saft bezeichnet, der angereichert mit Zucker und Hefe und nach einer Reifezeit von acht bis zehn Wochen zu Apfelwein wird. Auf 100 Liter Most kämen zehn Pfund Zucker, verrät Kneissl das Rezept. Süß wird das Gebräu dadurch jedoch nicht. Stattdessen wird der Alkoholgehalt damit verstärkt.
Ist das letzte Obst gepresst, ist für das Drei-Mann-Team vom Obstund Gartenbauverein noch lange nicht Schluss. Zwei Stunden lang dauert es dann, bis alles wieder sauber ist. Ein ähnliches Prozedere muss auch die Aufsicht in der Früh absolvieren, denn der Erste, der in die Kelterei kommt, muss die Leitungen spülen, die Heizung starten und alle wichtigen Vorbereitungen machen, damit die angekündigte Kundschaft auch pünktlich ihr Obst pressen kann.
Dabei erleben die Vereinsmitglieder auch regelmäßig Überraschungen. Traubensaft laufe nämlich nicht etwa rot durch die Leitungen, erklärt Kneissl. Farbgebend sind bei dieser Frucht die Schalen, und diese kommen nicht in den Saft. Auch berichtet Kneissl von einem ganz persönlichen Fauxpas. „Durch die Leitungen ist extrem heller Saft geflossen“, erinnert er sich. Er dachte, dies sei verunreinigtes Wasser und hat die Flüssigkeit weggeschüttet. Doch Kneissl lag falsch: Es lag an der Apfelsorte, die fast durchsichtig weißen Saft gab.