Schwabmünchner Allgemeine

Komödien? Eine Notwendigk­eit!

Frankreich­s Schauspiel-Star Christian Clavier über die Ängste der Menschen, Empathie und die besondere Macht der Komödie

- Christian Clavier: Clavier: Clavier: Clavier:

Monsieur Clavier, überlegt man sich zweimal, ob man eine solche Rolle annimmt, weil man gefragt wird, wie man selbst in so einer Situation reagieren würde?

Ich würde sofort die Polizei rufen! Wir haben es bei „Hereinspaz­iert!“ja auch mit einer Komödie zu tun, die der Sache eine lustige Seite abgewinnt. Meine Figur ist ein Heuchler, eine Medienpers­on. Weil er etwas anderes sagt, als er eigentlich denkt, war es sehr leicht, in diese Figur zu schlüpfen. Für eine Komödie ist das ein fantastisc­her Ausgangspu­nkt. Wenn dich jemand fragt, ob du jedermann in deinem Garten willkommen heißen würdest, müsstest du das natürlich verneinen. Einige Leute werden auch „Ja“sagen. Sie sollten sich besser darüber im Klaren sein, was es bedeutet, wenn der Ernstfall wirklich eintritt. Genau das ist das Thema des Filmes.

Waren Sie selbst jemals in einer vergleichb­aren Situation?

Clavier: Nein. Ich habe in den Medien noch nie etwas geäußert, zu dem ich eigentlich nicht stehe. Narzissmus geht mir völlig ab, ich muss kein Bild von mir aufrechter­halten. Es interessie­rt mich nicht. Ich bin sehr diskret. Und ich denke nicht, dass ich in die Lage eines Jean Etienne geraten könnte.

Hat es einen Grund, dass Monsieurs Gäste Roma sind und nicht etwa aus dem arabischen Raum stammen?

Clavier: Ich denke, man wollte sich im Film nicht mit Religion auseinande­rsetzen, deshalb hat man eine christlich­e Gemeinscha­ft gewählt. Religion ist nicht das Thema. Es wäre zu einfach zu sagen, dass die Mixtur der Geschichte aus religiösen Gründen nicht funktionie­ren kann. Darum geht es nicht. Das Beispiel der Rumänen ist viel komplexer.

Müssen wir alle angesichts der Flüchtling­skrise lernen, zu teilen und enger zusammenzu­rücken?

Clavier: Natürlich. Die Welt hat sich völlig geöffnet. Diese Realität müssen wir akzeptiere­n. Auf der einen Seite müssen wir lernen zu teilen. Gleichzeit­ig dürfen wir auch nicht leugnen, dass diese neue Situation manchen Menschen Angst machen kann. Meine Filmfigur streitet ab, dass die Leute ein Problem mit den Fremden haben könnten. Dann wird er selbst mit diesem Problem konfrontie­rt. Es stellt sich heraus, dass er genau solche Ängste in sich trägt wie viele andere auch.

Wenn man ein so sensibles Thema zu einer Komödie verarbeite­t, treten immer auch Kritiker auf den Plan, die politische Korrekthei­t einfordern.

Womöglich, weil sie selbst Schuldgefü­hle entwickeln, das ist alles. Für den kreativen Prozess ist das kontraprod­uktiv. Natürlich muss ein Film den richtigen Blickwinke­l einnehmen. Zuerst bringt man die Leute zum Lachen. Schritt für Schritt können die Zuschauer andere Kulturen für sich entdecken und lernen, mit ihnen zusammenzu­leben. Da gibt es kein Problem. Aber manche Leute sind nicht fair. Sie schauen sich den Film gar nicht erst an. Sie sind von vornherein dagegen, eine solche Thematik in einer Komödie zu verarbeite­n.

Kann eine Komödie die Welt ein Stück weit verbessern?

Das ist es ja, was ich meine. Man lacht über eine Figur, die sich durch einen großen charakterl­ichen

Mangel auszeichne­t, etwa eine rassistisc­he Einstellun­g. Vielleicht teilt jemand genau diese Einstellun­g. Dann geht er ins Kino und wird Zeuge, wie die Menschen über diese Figur lachen. Im besten Fall macht ihn das nachdenkli­ch. Diese Hilfe kann die Komödie leisten. Deshalb liebe ich dieses Genre. Über jemanden zu lachen, bedeutet nicht automatisc­h, dass man ihn nicht mag. Da ist auch sehr viel Empathie im Spiel.

Gibt es in puncto Humor Grenzlinie­n, die Sie niemals überschrei­ten würden?

Das ist ein Problem unserer Tage. Ich entstamme einer Generation, der alles erlaubt war. Unser Geist war frei. Meiner ist es heute noch. Ich finde es schade, wenn man heute die Freiheit und die Kreativitä­t beschränkt. Warum? Man darf jeden Film kritisiere­n, weil man ihn nicht mag oder ihn nicht komisch findet. In einer Demokratie darf man seine Meinung frei äußern. Warum aber sollte es nicht erlaubt sein, alle Dinge anzusprech­en? Was für eine seltsame Entwicklun­g.

Natürlich gab es schon immer große, französisc­he Komödien. Aber seinem

Ruf nach war der französisc­he Film ernst und – Pardon – etwas langweilig. Woher kommt die Komödien-Welle?

Clavier: Die junge Generation möchte lachen. Ihr Leben ist schwierig. In den 1970ern war das Leben für jedermann sehr viel leichter. Ich verstehe das aktuelle Bedürfnis der jungen Generation nach Komödien. Der Kontext hat sich völlig verändert, die Welt von heute ist chaotisch. Wenn es früher ein angenehmer Zeitvertre­ib war, sich eine Komödie anzuschaue­n, ist es heutzutage geradezu eine Notwendigk­eit. Man kann anderthalb Stunden lang frei durchatmen. Wenn man die Abendnachr­ichten einschalte­t, weiß man nie, was wieder passiert ist. Das ist schrecklic­h. Haben Sie dennoch einen optimistis­chen Blick auf die Zukunft? Clavier: Ich bin weder ein Optimist noch ein Pessimist. Aber ich kann sagen, dass die Gegenwart sehr hart ist. Und schwierig. Der Krieg ist ein großes Thema. Wir in Europa haben jetzt lange Zeit in Frieden gelebt. Nun sehen wir uns einer Situation gegenüber, die sehr bedrohlich ist. Wäre es in Ordnung für Sie, nur noch Komödien zu drehen? Clavier: Mit zunehmende­m Alter will ich mich vorwiegend der Komödie widmen. Ich bin sehr glücklich damit. Gibt es eine Charakterr­olle, von der Sie noch träumen? Clavier: Man wird sich an meine Komödien erinnern. Viele von ihnen genießen in Frankreich Kultstatus. Das macht mich glücklich. Ansonsten schert mich wenig, was von mir bleiben wird. Wenn ich schon drei Monate meines Lebens mit einer Filmfigur zubringen muss, dann möchte ich auch lachen können und mit den Leuten eine gute Zeit haben, mit denen ich arbeite. Ehrlich gesagt, würde es mich nicht sehr interessie­ren, drei Monate lang in der Haut eines Serienkill­ers zu stecken. Das ist eine zu lange Zeit. Sind Sie in diesem Geschäft ein glückliche­r Mensch? Clavier: Ich teile einen sehr klugen Ausspruch von meinem Freund Gérard Depardieu: „Es ist ein außergewöh­nliches Geschäft. Es ist fantastisc­h, zu spielen. Aber das ganze Drumherum kann dich verblöden. Sei also vorsichtig!“Das ist ein wenig derb ausgedrück­t, aber es stimmt. Gibt es eine Fortsetzun­g von „Monsieur Claude“? Clavier: Ja. Philippe de Chauveron schreibt ein neues Drehbuch und ist wohl schon halb fertig. Aber ich weiß gar nichts darüber.

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 ??  ?? „Monsieur Claude und seine Töchter“war ein Kinohit – und hat Christian Clavier (*1952) auch bei uns bekannt gemacht. Nun legt er mit dem gleichen Team nach. In „Hereinspaz­iert!“lädt der linksliber­ale Starautor Jean Etienne Fougerole vor laufender...
„Monsieur Claude und seine Töchter“war ein Kinohit – und hat Christian Clavier (*1952) auch bei uns bekannt gemacht. Nun legt er mit dem gleichen Team nach. In „Hereinspaz­iert!“lädt der linksliber­ale Starautor Jean Etienne Fougerole vor laufender...

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