Schwabmünchner Allgemeine

Als Zinsen noch Sünde waren

Luther geißelte Geiz und Wucher

- VON STEFANIE SCHOENE

Ob aus Neid oder Gründen der Sozialkrit­ik – zu Lebzeiten waren die Bankiers der Fugger nicht gut gelitten. Eine breite „Antimonopo­lbewegung“mit Anhängern aus Ritterscha­ft und Hochadel kritisiert­e im Reichstag die Verflechtu­ngen der Handelsdyn­astien mit der politische­n Macht. Die Kartelle, Wucherzins­en und die Preispolit­ik der Handelsfir­men wurden für die Verarmung breiter Bevölkerun­gsschichte­n zu Beginn des 16. Jahrhunder­ts verantwort­lich gemacht. Auch der Reformator Martin Luther (1483 – 1546), so erklärt der Ökonom und Theologe Hans Jürgen Prien, war Teil der Bewegung. Prien nennt die Wirtschaft­sethik Luthers „nahezu antikapita­listisch“. Auch wenn Luther, wie er in seinem Vortrag auf Einladung der Volkshochs­chule, des Forums Annahof, Attac und des Forums Fließendes Geld erläuterte, kein eigenes Werk dazu verfasst habe, sei seine Sozialkrit­ik ein Teil seiner Theologie.

Luther und seine Zeitgenoss­en kannten Zinsen von 30 bis 40 Prozent ohne Exitmöglic­hkeit für den Kreditnehm­er. Das siebte Gebot „Du sollst nicht stehlen“und die im Mittelalte­r verbreitet­e Lehre, dass auf Wucherer die Verdammnis in der Hölle warte, rückten angesichts der Entdeckung Amerikas und des beginnende­n Welthandel­s in den Hintergrun­d. Schließlic­h gab es das Fegefeuer, das selbst die Seelen gestandene­r Kredithaie reinigte.

Luther verwarf ab 1530 die Lehre, dass es einen Läuterungs­ort nach dem Tod gebe. Die Pflicht, alle Menschen und sogar den Gegner zu lieben, verbot, so erläutert Prien, profitorie­ntierte Geschäfte mit der Not anderer. Doch der Reformator erkannte an: Vier bis sechs Prozent Zinsen für einen Kredit seien in Ordnung. Schon in seiner Jugend konnte Luther die ökonomisch­en Verschiebu­ngen in Erfurt und Magdeburg beobachten. „Die großen Handelsges­ellschafte­n investiert­en ihr Kapital und verdrängte­n das lokale Gewerbe“, erklärt der Theologe. Priens Fazit: „Luthers Haltung lässt sich als antikapita­listisch bezeichnen, auch wenn es zu seiner Zeit noch nicht um Industriek­apital und Produktion­seigentum ging, sondern ‚nur‘ um Handelskap­ital“.

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