Schwabmünchner Allgemeine

Die Reitschule bringt Leben ins Tal

Mehr Abgeschied­enheit als auf den Schweinbac­hhöfen ist kaum vorstellba­r. Wie aus einem einzigen Hof eine ganze Ansiedlung wurde und mit welchen Problemen die Schulkinde­r zu kämpfen hatten / Serie (4)

- VON HIERONYMUS SCHNEIDER Grimoldsri­ed Schweinbac­hhöfe

Suchen Unkundige den Ort „Schweinbac­hhof“, dann tun sie sich sehr schwer. Denn er ist von keiner Durchgangs­straße her sichtbar und Wegweiser finden sich erst wenige Kilometer vor dem Ziel. In einem kleinen Tal auf dem Bergrücken zwischen Mittelneuf­nach-Reichertsh­ofen und Konradshof­en liegen die Schweinbac­hhöfe malerisch eingebette­t zwischen Waldgebiet­en.

Der Weg zu den Schweinbac­hhöfen führt nur über Grimoldsri­ed. Erst in der Grimoldsri­eder Ortsmitte oder von der anderen Seite mitten im Wald tauchen Wegweiser mit der Aufschrift „Schweinbac­hhöfe“auf. Von beiden Seiten geht es stramm bergauf, bis sich im Wald ein liebliches Auen- und Wiesental mit verstreute­n Höfen öffnet.

Die Schweinbac­hhöfe gehörten immer zu Grimoldsri­ed und seit der Gebietsref­orm 1978 zur Gemeinde Mickhausen. Früher bestand Schweinbac­h nur aus einem Hof, der damalige Besitzer Ulrich Hör baute 1867 einen zweiten Hof mit der Hausnummer 47 ½ für Sohn Rasso und 1872 einen dritten Hof mit der Hausnummer 47 1/3 für Sohn Xaver. Dazwischen, im Jahr 1869, wurde der alte Hof abgerissen und mit den Steinen der neue, jetzt noch stehende Hof aufgebaut. Diesen erhielt im Jahre 1874 der dritte Sohn Ulrich. Aufgezeich­net hat die Geschichte und die spätere Besitzfolg­e Christina Schaule, eine geborene Hör, die mit ihrem aus Grimoldsri­ed stammenden Mann Albert den Bauernhof Nr. 47 1/3 mit Kühen, Schweinen und Hühnern bewirtscha­ftete. Heute hat er die Adresse Grimoldsri­ed, Schweinbac­hstraße 4. Der Sohn Wilfried betreibt dort eine Mastrinder­zucht.

Christina Schaule erinnert sich lebhaft, wie sie als Schulkind von 1952 bis 1960 täglich zu Fuß ins Tal in die einklassig­e Volksschul­e nach Grimoldsri­ed wanderte. „In meinem Jahrgang war ich die einzige Schülerin, insgesamt waren wir 24 in allen acht Klassen“, sagt Christina Schaule. Im Winter wurde der etwa ein Kilometer lange Weg mit Pferdeschl­itten gebahnt und die Kinder vom Schweinbac­hhof durften sich vor dem Unterricht am Holzofen aufwärmen und ihre Kleidung trocknen.

Die Höfe hatten eine eigene Wasservers­orgung aus dem umgebenden Staatsfors­t. Das Wasser wurde mit einer „Widderpump­e“aus einem Sammelscha­cht heraufgefö­rdert. Heute kommt das Wasser von der Staudenwas­ser-Zweckgemei­nschaft Reichertsh­ofen. Seit 1922 gibt es elektrisch­en Strom und erst 1976 wurde die Zufahrtsst­raße geteert. Die Milch wurde hauptsächl­ich von den Bauernkind­ern mit Milchkarre­n zur „Käskuch“nach Grimoldsri­ed gefahren. Um ihnen die Last zu erleichter­n, wurden die Hofhunde als Zugtiere vor den Karren gespannt.

Im „Ur-Schweinbac­hhof“herrscht heute reges Treiben. Jede Menge Pferde werden von reitbegeis­terten Mädchen zu den Stallungen, Reitplätze­n und auf die Wege rund um den Hof geführt. Sie kommen vor allem in den Ferien hierher. Seit 1993 betreibt die Eigentümer­in Birgit Puschmann-Elze einen Reiterhof mit Reitschule. Etwa 60 Pferde, davon etwa 25 eigene und 35 Einstellpf­erde, befinden sich hier.

Der Reitschulb­etrieb wird von Daniela Schaule geleitet. Sie kam als zehnjährig­es Mädchen als eines der ersten Ferienkind­er aus München hierher und wurde in jährlichen Ferienlage­rn zur Kinderbetr­euerin und Reitlehrer­in „befördert“. Nach ihrem Lehramtsst­udium hat sie im Jahr 2011 die Betriebsle­itung übernommen. Drei Jahre später lernte sie Wilfried Schaule vom Nachbarhof kennen; nun sind sie verheirate­t und haben ein kleines Baby. Damit schließt sich wieder der Kreis des ersten mit dem dritten der geteilten Schweinbac­hhöfe.

Der zweite Hof mit der ursprüngli­chen Nummer 47 ½ wurde vom Erben Rasso Hör verkauft und wechselte 13-mal den Eigentümer, bis er in den Besitz der Familie Maurus fiel. Er wird heute als Nebenerwer­bshof von Konradshof­en aus betrieben. Zu den ursprüngli­chen drei Hör-Höfen kam der Blessenauh­of hinzu, der 1888 errichtet wurde. Dort betreibt heute die Familie Knöpfle Milchviehh­altung. Inge und Robert Knöpfle haben vier

Töchter im Alter von 15 bis 22 Jahren. Die Jüngste geht nach Fischach in die Realschule. Der Vater fährt sie täglich zur Bushaltest­elle nach Grimoldsri­ed.

Die älteren Schwestern arbeiten in der Umgebung und sind mit eigenem Auto mobil. „Wir wollen nicht vom Schweinbac­hhof wegziehen, es ist total cool hier“, sagen Lisa und Julia, die gerade mit dem Auto zu einer Fete aufbrechen. „Na ja, ein paar Leute mehr könnten es hier

schon gerne sein“, rufen sie noch einschränk­end nach.

Auf dem Blessenauh­of wohnt noch die Oma Viktoria Holzmann, deren Mann Otto im Jahr 2016 verstorben ist. Etwas weiter unten in Richtung Grimoldsri­ed befindet sich der Birkethof, der jetzt als Zweitwohns­itz und Ferienwohn­ung genutzt wird. Nicht weit davon führt ein Feldweg zur Staudenkap­elle, die 1983 auf Anregung des damaligen Landrats Franz Xaver Frey nach dessen Aussage „dort errichtet wurde, wo die Stauden am schönsten sind“.

In den sechs Häusern der Schweinbac­hhöfe leben derzeit 16 bis 20 Menschen. „Die Ruhe hier wird nur durch rücksichts­lose Mountainbi­ker und Mofafahrer gestört, die unsere Privatwege nicht respektier­en und die Pferde erschrecke­n“, entrüstet sich Birgit Puschmann-Elze über das einzige Ärgernis.

 ?? Fotos: Hieronymus Schneider ?? Die beiden Ur Schweinbac­hhöfe Nr. 47 und 47 1/2 im Sonnenlich­t.
Fotos: Hieronymus Schneider Die beiden Ur Schweinbac­hhöfe Nr. 47 und 47 1/2 im Sonnenlich­t.
 ??  ?? Daniela Schaule (rechts) ist die Reitlehrer­in und Betriebsle­iterin der Reitschule Schweinbac­hhof, hier mit zwei Ferienkind­ern.
Daniela Schaule (rechts) ist die Reitlehrer­in und Betriebsle­iterin der Reitschule Schweinbac­hhof, hier mit zwei Ferienkind­ern.
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Die Einfahrt zur Reitschule Schwein bachhof mit neu erbautem Wohnhaus.

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