Schwabmünchner Allgemeine

In 15 Minuten durch 2000 Jahre Töpfergesc­hichte

Die Initiative „Schwabmünc­hen beWEGt sich“widmet sich den historisch­en Ursprüngen der heutigen Stadt. Dabei spielen die Ziegel der Firma Rapis eine entscheide­nde Rolle

- VON UWE BOLTEN Schwabmünc­hen

„Lang gezogene Fachwerkba­uten, alle mit der Giebelseit­e zur Straße ausgericht­et, beherrscht­en einst den nördlichen Teil der heutigen Stadt Schwabmünc­hen. Reisende auf dem Weg von Kempten nach Augsburg konnten 16 Anwesen zählen, 13 davon waren Töpfereien. In diesen Kombi-Gebäuden waren Wohnräume und Werkstätte­n gleicherma­ßen untergebra­cht. Doch nur der Tempel und das Badehaus der früheren römischen Siedlung im 1. Jahrhunder­t bestand aus Ziegel.“So beschrieb Werner Kraus die Töpferhoch­burg Rapis den mehr als 30 Teilnehmer­n der kleinen historisch­en Stadtwande­rung der Initiative „Schwabmünc­hen beWEGt sich“.

„Der Boden hier war von hoher Güte, dass auch Rüben wuchsen. Diese Feldfrucht braucht hochqualit­ativen Boden, der auf dem Hochfeld zu finden ist“, sagte Kraus. Der Name Rapis sei von der Lage „bei den Rübenfelde­rn“abgeleitet, ergänzte er zur Namensgebu­ng.

„Immerhin muss Rapis schon eine Bedeutung gehabt haben, da die Ansiedlung mit seinen geschätzte­n 125 Bewohnern auf einer bedeutende­n Straßenkar­te, die die Wege des gesamten römischen Imperiums darstellte, verzeichne­t war“, ergänzte Museumslei­terin Sabine Sünwoldt. Rapis entwickelt­e sich zum größten römischen Töpferzent­rum im nördlichen Rätien, der Region nördlich der Alpen. In Rapis seien fast 200 Jahre lang Haushaltsg­eschirr für Keller, Küche und Tisch produziert worden. Das umfangreic­he Sortiment habe von der kleinen Öllampe bis zum meterhohen Vorratstop­f gereicht.

In 15 Minuten überbrückt­e die Wandergrup­pe zwei Jahrtausen­de der Tonverarbe­itung mit der Wanderung vom Rapis-Stein am Dreifaltig­keitsweg zur Rapis Ziegelei an der Lechfelder Straße. Armin Schmid, Geschäftsf­ührer des weit über den regionalen Bereich hinaus bekannten Unternehme­ns, führte in seiner Begrüßung die Gruppe in die Thematik der industriel­len Ziegelhers­tellung ein. „Immerhin hatten wir in den 1950er-Jahren im weiteren Bereich der Region noch 27 aktive Ziegeleien“, sagte er. Die Rapis Ziegelei sei kompletter Produzent. Der aus den eigenen Lehmgruben gewonnene und im Werk Markt Wald aufbereite­te Lehm werde im Werk Schwabmünc­hen direkt vom Transporte­r in den Beschicker gekippt. Danach wird er mit Sägemehl vermengt, um mithilfe einer großen Schneckenw­elle durch sogenannte Mundstücke zu einem Strang gepresst zu werden. „Unser vielfältig­es Angebot an Ziegeln ist die Antwort auf die Nachfrage. Zu früheren Zeiten gab es nicht so viele Formen“, erläuterte Schmid und verglich die Situation mit der Nachfrage nach unterschie­dlichen KetchupVar­ianten. „Dazu kommt, dass heute Häuser gerechnet und nicht gebaut werden“, sagte er und wies auf genau definierte­n Stückliste­n der Baufirmen hin. Nach dem Schneiden heißt das Werkstück Formling. Dieser wird in drei bis fünf Stunden im 80 Meter langen Tunneltroc­kner auf einen geringen Wassergeha­lt von drei Prozent getrocknet. Anschließe­nd verwandele der Brennofen auf 95 Meter den getrocknet­en Formling in 18 Stunden bei einer Temperatur von 920 Grad in den bekannten Ziegel, erläuterte Schmid. 4000 Kubikmeter Gas würden an Energie dafür benötigt. Täglich. Mehr als 9000 Ziegelstei­ne würden pro Tag gefertigt. Die Anzahl der Steine reiche für ungefähr zweieinhal­b Häuser. Und wieso sind die Ziegel rot? „Die Farbe entsteht beim Oxidieren des Eisens im Lehm“, beantworte­t Schmid die Frage eines Besuchers. Stadträtin Margit Stapf (Grüne) sprach den Betreiber der Ziegelei schließlic­h auf die hin und wieder wahrnehmba­ren Gerüche aus dem Betrieb an. „Ja, wir wissen, dass bei bestimmten Wetterlage­n ein aromatisch­er Geruch aus der Ziegelei strömt. Wir stehen dazu“, sagte Schmid und erdie klärte die Entstehung­sweise. Durch die hohe Hitze beim Brennvorga­ng würde das in den Ziegeln enthaltene Sägemehl verschwele­n. Dabei entstünden viele Kohlenwass­erstoffe. Die meisten davon würden in einer thermische­n Nachbereit­ung eliminiert werden. „Wichtig ist: Alle gesetzlich­en Grenzwerte werden eingehalte­n. Es geht vom Geruch keine Gesundheit­sgefährdun­g aus. Wir sind weiter sehr bemüht, durch Optimierun­g der Nachbereit­ung diese Gerüche weiter zu reduzieren“, betonte der Inhaber.

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In der Ziegelprod­uktion erläutert Armin Schmid die Wirkungswe­ise der Mundstücke.
 ?? Fotos: Uwe Bolten ?? Aufgereiht wie die berühmten Tonsoldate­n im Grab des chinesisch­en Kaisers Qin Shi huangdi warten die getrocknet­en Formlinge auf den Brennvorga­ng.
Fotos: Uwe Bolten Aufgereiht wie die berühmten Tonsoldate­n im Grab des chinesisch­en Kaisers Qin Shi huangdi warten die getrocknet­en Formlinge auf den Brennvorga­ng.
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Am Treffpunkt Rapis Stein erläutert Werner Kraus interessan­te Details zur Töpfer siedlung Rapis.

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