Die Stimmung in der CSU bleibt ernst
Aktuelle Situation spielt bei Feier zum Tag der Deutschen Einheit in Thierhaupten eine große Rolle
Bei so viel unfreiwilliger Symbolik konnten die Tischnachbarn das Feixen nicht lassen. Der Espresso für den Hauptredner kam in einem Tässchen, dessen Farben sehr an Jamaika erinnerten. Dieses Bild fanden die Herren von der CSU dann doch erheiternd.
Ansonsten aber war die Stimmung bei der Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit gestern ernst. In der Thierhaupter Herzog Tassilo Stub’n – dem früheren Kuhstall des prächtig renovierten Klosters – sprach der frühere Bundestagsvizepräsident und Bundesbauminister Eduard Oswald über Helmut Kohl – Kanzler der Deutschen Einheit.“So stand es zumindest auf der Einladung.
Einen erklecklichen Teil seiner Ansprache widmete der erst vor wenigen Wochen 70 Jahre alt gewordene Oswald nämlich - kaum, dass er seinen „Jamaika-Espresso“geschlürft hatte – der politischen Situation nach den Bundestagswahlen. Diese hätten die politische Landschaft verändert und stellten die politische Stabilität auf die Probe. Der langjährige Bundestagsabgeordnete für die Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg betonte die Verantwortung aller politischen Parteien.
Deutschland könne sich keinen Stillstand leisten, dafür gebe es zu viele drängende Fragen. Seiner Partei riet Oswald wenige Tage vor dem Gipfel der Schwesterparteien zum Schulterschluss mit der CDU („Nur dann haben wir Einfluss“) und der Union wiederum, die Grünen an sich zu binden. Aber leider, so seufzte er: „Manche diskutieren eher fundamentalistisch, denn pragmatisch.“Die nächsten Wochen sind in Oswalds Augen „entscheidend für alle Parteien“.
Auch seine Bilanz der deutschen Einheit war von der aktuellen politischen Situation geprägt, in der die AfD in den ostdeutschen Ländern besonders stark abgeschnitten hat. Im Osten seien die blühenden Landschaften durchaus entstanden, befand Oswald, aber die Ostdeutschen hätten ihre Identität aufgeben müssen. Bei dem von Westdeutschland aus gesteuerten Vereinigungsprozess sei „ganz sicher nicht alles richtig gelaufen,“räumte Oswald ein. „Wir haben kaum etwas über Ostdeutschland gewusst und haben es uns leicht gemacht. Das hat sich zum Teil gerächt.“
Nichts kommen ließ Oswald auf die Leistung des in diesem Jahr gestorbenen Kanzlers Helmut Kohl. Der CDU-Politiker sei „ein Glücksfall für Deutschland und Europa“gewesen. Mit seiner gewinnenden Art, so Oswald, habe Kohl bei Verhandlungspartnern wie dem damaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow das nötige Vertrauen aufgebaut und so die Einheit ermöglicht. „Kohl hatte das Gespür für den richtigen Augenblick.“
Oswald, der von 1987 bis 2013 im Deutschen Bundestag saß und neun Monate dem letzten Kabinett Kohl angehörte, hatte zu Beginn seiner Ansprache seinem Nachfolger als Abgeordneter zur Wiederwahl gratuliert. Hansjörg Durz hatte am 24. September zwar mehr Stimmen als die CSU erhalten, aber ebenso deutliche Verluste hinnehmen müssen. Gestern gab es für den Parlamentarier aus Neusäß vom CSU-Anhang aus den Kreisen Aichach-Friedberg und Neusäß lang anhaltenden Applaus.