Schwabmünchner Allgemeine

In Gedanken in Las Vegas

Wie Menschen aus unserem Raum den Umgang mit Waffen in den USA erlebten und was sie von Freunden aus Amerika hören. Das Thema hat Wurzeln in der Geschichte

- Landkreis Bill Wallace, Reinhold Radloff Christine Munger Hermann Schmid

Nach dem Massaker in Las Vegas schauen Amerikaner und Amerika-Freunde im Landkreis sorgenvoll in die USA.

Vor allem im Süden der USA staunen Reisende aus Europa darüber, wie selbstvers­tändlich dort Schusswaff­en sogar in Supermärkt­en zu haben sind. Amerikaner schildern hier Hintergrün­de.

● Texaner und Wirt im „Four Corners“in Untermeiti­ngen, betrachtet die Situation differenzi­ert. „Für mich steht auf jeden Fall fest, dass automatisc­he Waffen, wie sie im Militär genutzt werden, beim normalen Waffenbesi­tzer nichts zu suchen haben“, sagt der ehemalige US-Soldat energisch. Mit diesen Waffen könne man weder sportlich schießen noch auf die Jagd gehen, ergänzt er. Der Täter von Las Vegas passe definitiv nicht ins normale Profil eines US-Bürgers. Vor solchen Menschen könne man keinen hundertpro­zentigen Schutz bieten, sagt Wallace resigniert: „Ich glaube nicht, dass ein veränderte­s Waffenrech­t diese Tat hätte verhindern können.“Ja, es sei in den USA einfach, Waffen offen zu kaufen. Wer eine kriminelle Tat plane, stelle sich hingegen schon durch seinen Entschluss außerhalb des Gesetzes. Solche Personen besorgten sich die Waffen, die sie einsetzen wollten, so oder so – bei einem Verbot eben auf illegale Weise. Dies sei nicht nur in den USA so, begründet Wallace seine Sicht.

● aus Schwabmünc­hen, Redakteur unserer Zeitung, stieg selbst schon im Mandalay Bay Resort ab, in dem nun Stephen Pad- dock seine Gewehre aufbaute, um in die Menge zu schießen. Er kann sich vorstellen, dass es dem Massenmörd­er nicht schwerfiel, viele Waffen in seine Suite zu schaffen: „Es ist schon wieder ein paar Jahre her, dass ich auf dem Las Vegas Strip war. Zum Hotelzimme­r musste man quasi immer durch eine riesige Spielhalle. Kontrollie­rt wurde man nicht. In die Stockwerke mit Zimmern gelangte jeder problemlos, ohne auch nur in die Nähe der Rezeption zu kommen. Bei dem Gedränge zwischen Hunderten von surrenden, klingelnde­n und lärmenden Spielappar­aten und Tausenden von Menschen in den Casinos fiel sicherlich keiner auf, der mehrmals mit schweren Koffern Richtung Aufzug geht. Damals war auch jede Hotel-Tiefgarage einfach befahrbar, ohne Ticket, kostenlos. Einfach mit dem Lift hoch, rein ins Zimmer fertig. Wer dort wohnte, wusste niemand. Einer mietet, nicht pro Bett, sondern pro Zimmer. Wer darin wohnte, blieb im Dunkeln. Ob heute die Sicherheit­svorkehrun­gen besser sind, weiß ich nicht. Eins steht aber fest: das amerikanis­che Waffengese­tz muss reformiert werden.“

● ist US-Amerikaner­in, lebt seit 2002 in Königsbrun­n und ist hier beim Festival der Kulturen als Freiheitss­tatue aufgetrete­n. Seit dem Massaker in Las Vegas erfährt die 53-Jährige viel von Pein ihre Freunde in den USA. „Viele fühlen sich hilflos und ratlos“, sagt Christine Munger. „Wer braucht solche Waffen?“, fragen sich ihre Bekannte angesichts des kriegerisc­hen Arsenals des Todesschüt­zen. „Warum soll es so schwierig sein, sie abzuschaff­en?“Sie beklagen, dass Politiker jetzt zwar für die Opfer beten, sonst aber nichts unternähme­n, um eine Wiederholu­ng zu verhindern. Viele ihrer Freunde seien wütend über den großen finanziell­en Einfluss der „National Rifle Associatio­n“(NRA), des Verbandes der Waffenbesi­tzer und -produzente­n, sowie auf die Politik. Da werde dann so ein Täter wie in Las Vegas schnell als „einsamer Wolf“beschriebe­n, gegen den schärfere Waffengese­tzte ohnehin nicht helfen würden, berichtet Christine Munger. ● aus Königsbrun­n, langjährig­er Redakteur unserer Zeitung, kennt die USA aus eigenem Erleben und verfolgt das Geschehen dort aufmerksam. Für das enorme Problem der USA mit Gewalt durch Schusswaff­en sieht er drei Wurzeln: „Große Traditione­n, große soziale Spannungen und großes Geld“. Es gehöre zum Selbstbild der USA, dass bewaffnete Bürger ihre Unabhängig­keit gegen England erkämpft und anschließe­nd mehr oder weniger bewaffnet ihr Land erschlosse­n, das heißt von den Ureinwohne­rn erobert, haben. „Mit Blick auf die Geschichte der USA sind Schusswaff­en in den Händen von Bürgern weitgehend positiv besetzt. Noch heute argumentie­ren viele, man dürfe sie nicht allein der Regierung überlassen.“Lange Zeit kamen viele Bürger über die Jagd, die in den USA sehr einfach geregelt ist, erstmals mit Waffen in Kontakt, weiß Schmid. Dass man auch zum Schutz vor Einbrecher­n eine Handfeuerw­affe zuhause hat, sei inzwischen ein Beleg für wachsende Angst vor Einbrüchen und Gewalttate­n. „In den letzten Jahrzehnte­n wurden die privaten Arsenale zunehmend auch mit militärnah­en Schnellfeu­erwaffen bestückt – hier hat die Werbestrat­egie der Waffenindu­strie ganze Arbeit geleistet“. Und das Geld der Waffenlobb­y sorge auch dafür, dass die Forderunge­n nach strengeren Waffengese­tzen erfolglos verhallen.

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Foto: Nick Otto/ZUMA Wire/dpa Blumen und Kerzen liegen in Las Vegas an einer Gedenkstät­te für die Opfer des Massakers vom Montag. Ein Todesschüt­ze hat bei einem Musikfesti­val in der US Touristen metropole Las Vegas mindestens 58 Menschen getötet und über 500 verletzt.
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Bill Wallace
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Hermann Schmid

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