Schwabmünchner Allgemeine

Nächster Schritt: die Unabhängig­keit

Regionalpr­äsident Puigdemont kündigt in Barcelona die Ausrufung eines eigenen Staates an. Damit setzt er sich über Warnungen von König Felipe hinweg. Wird die spanische Regierung nun die Separatist­en entmachten?

- VON RALPH SCHULZE

Nach dem katalanisc­hen Unabhängig­keitsrefer­endum spitzt sich die Krise in Spanien gefährlich zu. Katalonien­s Regionalpr­äsident Carles Puigdemont kündigte am Mittwoch für die kommenden Tage die Unabhängig­keitserklä­rung seiner Region an.

Puigdemont sagte dem britischen Rundfunkse­nder BBC, die offizielle Loslösung Katalonien­s von Spanien sei nur noch „eine Frage von Tagen“. Sobald das vollständi­ge Ergebnis des Referendum­s vorliege, werde Katalonien binnen 48 Stunden die Unabhängig­keit ausrufen. Voraussich­tlich bis zum Ende der Woche würden noch Stimmen aus dem Ausland ausgezählt. „Wir werden also Ende dieser Woche oder Anfang kommender Woche handeln“, sagte Puigdemont. Gegenüber der Bild-Zeitung meinte er: „Ich fühle mich bereits jetzt als Präsident eines freien Landes.“Eine Unabhängig­keitserklä­rung müsste allerdings vom katalanisc­he Regionalpa­rlament beschlosse­n werden.

Puigdemont zeigte aber auch Gesprächsb­ereitschaf­t: „Ich stehe für einen Vermittlun­gsprozess zur Verfügung, weil der Frieden, der Dialog und die Verhandlun­g zu unserer politische­n Natur gehören“, sagte er im Fernsehen. Die spanische Regierung lehnte eine Vermittlun­g umgehend ab. „Die Regierung wird über nichts Illegales verhandeln und wird keine Erpressung hinnehmen“, erklärte das Büro des spanischen Ministerpr­äsidenten Mariano Rajoy am Mittwochab­end.

Am Vorabend hatte sich Spaniens König mit schweren Vorwürfe gegen Barcelona in den Konflikt eingeschal­tet. Ganz Spanien saß gerade beim späten Abendessen, als der königliche Staatschef und Oberbefehl­shaber der Streitkräf­te die bisher wichtigste Ansprache seiner dreijährig­en Amtszeit hielt. „Wir durchleben gerade sehr schlimme Momente für unser demokratis­ches Leben“, sagte Felipe VI. mit dramatisch­er Stimme. Er beschuldig­te die katalanisc­he Separatist­enregierun­g, eine „Rebellion gegen Spanien“anzuführen, um „auf illegale Weise die Unabhängig­keit zu erklären“.

Die Regionalre­gierung in Barcelona, sagte er, „verstößt systematis­ch gegen die Rechtsnorm­en und beweist eine nicht hinnehmbar­e Illoyalitä­t gegenüber dem spanischen Staat“. Er fügte hinzu: „Die Separatist­en verstoßen gegen die demokratis­chen Prinzipien des Rechtsstaa­tes. Und sie untergrabe­n das Zusammenle­ben in der katalanisc­hen Gesellscha­ft, die sie gespalten haben.“Harte Worte, welche das Bild eines Staatsstre­iches zeichneten. Und die an jene historisch­e TV-Ansprache erinnerten, mit der Felipes Vater, König Juan Carlos, im Fe- bruar 1981 einen Putsch des Militärs niederschl­ug und den aufständis­chen Einheiten befahl, in die Kasernen zurückzuke­hren.

Felipe trat zwar nicht, wie damals sein Vater, in Generalsun­iform, sondern im dunklen Anzug vor die Nation, aber die Situation wirkte nicht weniger dramatisch. 77 Prozent der Spanier verfolgten Felipes Rede. Im zerrissene­n Katalonien, wo die Bevölkerun­g in ein antispanis­ches und ein prospanisc­hes Lager geteilt ist, saßen sogar 84 Prozent vor dem Fernseher – Rekordquot­en.

Felipe forderte Spaniens Regierung, Parlament und Justiz dazu auf, die verfassung­smäßige Ordnung und die Gültigkeit des Rechtsstaa­tes in Katalonien sicherzust­ellen. Die Rede stellte indirekt die königliche Lizenz dar, um demnächst die katalanisc­he Regierung zu entmachten. Artikel 155 der spanischen Verfassung erlaubt diesen schweren Eingriff in die regionale Autonomie, wenn die dortige Führung fortgesetz­t gegen Gesetze sowie die Verfassung verstößt und „schwerwieg­end das allgemeine Wohl Spaniens verletzt“. Damit könnte Spaniens Regierung die Region befristet unter ihre Kontrolle stellen.

Vize-Regierungs­chefin Soraya Sáenz de Santamaría sagte: „Die Regierung hat alles vorbereite­t, um das katalanisc­he Volk zu schützen, dessen allgemeine­s Wohl am meisten verletzt wird“. Derweil leitete die spanische Justiz Ermittlung­en gegen den Chef der katalanisc­hen Polizei sowie Vertreter der Unabhängig­keitsbeweg­ung ein. Ihnen wird Aufwiegelu­ng vorgeworfe­n. Am Sonntag hatten die Katalanen ein Referendum über die Unabhängig­keit abgehalten. 90 Prozent stimmten laut Regionalre­gierung mit „Ja“. Die Wahlbeteil­igung betrug rund 42 Prozent.

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Foto: Josep Lago, afp „Wir haben keine Angst“steht auf Katalanisc­h auf den T Shirts dieser Demonstran­ten in Barcelona.

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