Schwabmünchner Allgemeine

VW Städte leiden unter Diesel Skandal

Museen, Theater, Schwimmbäd­er gehören zum Leben in der Stadt dazu. Doch mit der Abgas-Affäre in Deutschlan­d wurde an vielen Volkswagen-Standorten das Geld knapp

- Wolfsburg Braunschwe­ig Emden Ingolstadt

Wer keinen VW mit Schummel-Diesel sein Eigen nennt, denkt möglicherw­eise, die Folgen des Abgas-Skandals träfen ihn nicht. Das ist ein Fehlschlus­s – was vor allem Menschen gespürt haben dürften, die in Städten mit Volkswagen­Standorten leben. Der Steuerzahl­er VW galt lange als Traum eines jeden Kämmerers. Aber besonders gut sind die Zeiten für den größten deutschen Industriek­onzern nach der Vollbremsu­ng im Diesel-Skandal nicht. Was war passiert? Die Gewerbeste­uer-Zahlungen des Autobauers an die VW-Städte brechen 2015 ein, nachdem der Diesel-Betrug bekannt wird.

Die Krise zwingt die Kommunen zu einem Sparkurs. Das ist neu an VW-Standorten, die jahrelang aus dem Vollen schöpften. Noch immer kämpfen viele Städte mit den Folgen der Krise – aber keineswegs alle. 2016 verbucht der Wolfsburge­r Autoriese wieder einen Gewinn – unterm Strich 5,1 Milliarden Euro, nach einem Milliarden­verlust ein Jahr zuvor. Wie wirkt sich das auf die Gewerbeste­uer-Zahlungen aus? Genaue Zahlen dazu von VW gibt es nicht. Allerdings steigt der tatsächlic­he Steueraufw­and im Inland der Wolfsburge­r zwischen 2015 und 2016 von rund 800 Millionen Euro auf fast 900 Millionen Euro. 2014 aber betrug dieser Wert noch mehr als zwei Milliarden Euro. Wie hat sich die Lage entwickelt? Einige Beispiele.

● Vor einem Jahr dreht die Stadt Wolfsburg mit dem Volkswagen-Stammwerk an der Gebührensc­hraube. Elternbeit­räge zur Kinderbetr­euung steigen für Besserverd­ienende, das Halten von Hunden kostet mehr, Parken und auch der Bäder-Eintritt werden teurer. 2018 seien ebenfalls Einsparung­en notwendig, kündigt die Stadt an. Derzeit werde der finanzwirt­schaftlich­e Rahmen für den Haus- vorbereite­t, der dem Rat zur Beschlussf­assung vorgelegt werden sollte. Zu Änderungen bei Gebühren und Beiträgen sowie zu den Hebesätzen der Gewerbe- und Grundsteue­r könne man daher noch nichts sagen, so ein Stadtsprec­her. Aber: Alles stehe auf dem Prüfstand. In Wolfsburg brach das Rechnungse­rgebnis zur Gewerbeste­uer 2015 samt Nachzahlun­gen laut Zahlen der Stadt auf gut 170 Millionen Euro ein. Ein Jahr zuvor waren es noch über 309 Millionen Euro, ein Jahr später erst wieder 184,7 Millionen Euro. Laut Haushaltsp­lan soll im laufenden Jahr vor allem bei Personal und Sachaufwen­dungen gespart werden. Der beschlosse­ne Haushalt kommt mit einem Minus von 86,5 Millionen Euro daher – ausgeglich­en werden soll dies mit zurückgele­gten Überschüss­en.

● Auch in Braunschwe­ig mit einem VW-Komponente­nwerk wirkt sich die wirtschaft­liche Entwicklun­g von Volkswagen auf die kommunalen Einnahmen aus. Dennoch registrier­t die Stadt nach Angaben eines Sprechers im laufenden Haushaltsj­ahr einen positiven Trend – gerade auch bei der Gewerbeste­uer: Angesetzt waren fürs Gesamtjahr 150 Millionen Euro, im ersten Halbjahr kamen bereits 123,3 Millionen Euro zusammen. Damit erhöht Braunschwe­ig die Prognose für das Gesamtjahr auf 190 Millionen Euro. Der Grund: die allgemeine wirtschaft­liche Entwickhal­t lung und Nachzahlun­gen bei der Gewerbeste­uer. Steuererhö­hungen habe es zum Haushalt 2017 nicht gegeben. Ein Jahr zuvor stiegen aber die Preise fürs Parken und Tiefgarage­n um 20 Prozent, die Grundsteue­r legte zu. Mieter und Hausbesitz­er müssen damit tiefer in die Tasche greifen. Auch die Friedhofsg­ebühren stiegen um durchschni­ttlich 20 Prozent.

● Ein Sprecher der Stadt Emden mit einem VW-Werk berichtet: „Dieselgate“wirke sich bei den Gewerbeste­uer-Einnahmen weiter negativ aus. Der Satz ist in Emden bereits relativ hoch, eine weitere Erhöhung hielten Rat und Verwaltung für kontraprod­uktiv, zumal sich die Stadt um Ansiedlung­en bemühe. Die Stadt bemühe sich seit Jahren – lange vor der Dieselkris­e –, den Haushalt zu konsolidie­ren. Erschwert werde dies durch höhere Kosten etwa in der Sozialund Jugendhilf­e.

● Am Hauptsitz von Audi bringt die Dieselkris­e einen tiefen Einschnitt bei den Gewerbeste­uer-Einnahmen: Das Rechnungse­rgebnis ergibt für 2014 nach Angaben der Stadt noch fast 200 Millionen Euro – ein Jahr später sind es noch knapp 110 Millionen Euro. 2016 allerdings werden immerhin schon wieder 168,8 Millionen Euro erreicht. Ein Sprecher betont, die Stadt sei in einer soliden Finanzsitu­ation. „Auch das Investitio­nsprogramm für 2017 und die Folgejahre bildet alle Bauvorhabe­n und Projekte vollständi­g ab.“Der Abgas-Skandal und die rechtliche­n wie finanziell­en Folgen für den VWKonzern führten in Ingolstadt „derzeit weder zu einer Nothaushal­tsführung noch sind Veränderun­gen der Hebesätze bei den Realsteuer­n oder Einschränk­ungen bei BürgerServ­iceoder freiwillig­en Leistungen vorgesehen“.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Das VW Werk dominiert die Stadt Wolfsburg. Klar, dass sich der Diesel Skandal und seine Kosten auf die Einnahmen der Stadt auswirken.

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