Schwabmünchner Allgemeine

Das Geschäft mit der Angst

Warum die Aktien von Waffenhers­tellern nach dem Attentat in Las Vegas rasant gestiegen sind

- VON SARAH SCHIERACK Augsburg

Als am Montagmorg­en die neue Woche an der New Yorker Wall Street begann, war das verheerend­ste Schusswaff­en-Massaker der amerikanis­chen Geschichte gerade einmal elf Stunden her. Am Vorabend hatte ein Schütze in Las Vegas 58 Menschen getötet und 500 weitere verletzt. Die Börsen reagierten sofort auf das Attentat: Die Aktien amerikanis­cher Waffenhers­teller kletterten so stark nach oben wie lange nicht mehr. Der Konzern American Outdoor Brands, Hersteller der Smith & Wesson-Waffen, verbuchte Kursgewinn­e von über vier Prozent, auch die Aktien der Firmen Sturm, Roger & Co. und Vista Outdoor legten deutlich zu.

Es ist eine Börsenreak­tion, die in den Vereinigte­n Staaten häufig nach großen Anschlägen zu beobachten ist. Als ein Schütze im vergangene­n Jahr 49 Menschen in einem Nachtklub in Orlando umbrachte, kletterten die Kurse der Waffen-Hersteller um acht Prozent in die Höhe, nach dem Attentat im kalifornis­chen San Bernardino Ende 2015 sogar um zehn Prozent. Die spricht bereits von einem „morbiden Trend“.

New York Times

Wie aber kann es sein, dass ausgerechn­et Waffenhers­teller von einem Attentat profitiere­n? Ein Anruf bei dem Börsen-Experten Robert Halver, der die Kapitalmar­ktanalyse der Baader Bank leitet, bringt Aufklärung. „Für deutsche Begrifflic­hkeiten fühlt sich das natürlich pervers an“, sagt er. Hinter der Kursentwic­klung steckt seiner Meinung nach eine tief-amerikanis­che Haltung: Wer sich bedroht fühle, glaube sicherer zu sein, wenn er sich ebenfalls bewaffnet. Halver nennt dies das John-Wayne-Prinzip: „In den USA gibt es viele Menschen, die davon ausgehen, dass es nicht zu dem Massaker gekommen wäre, wenn jemand zurückgesc­hossen hätte.“Viele Menschen würden sich also jetzt erst recht mit Pistolen oder Gewehren eindecken – und die Umsätze der Waffenhers­teller entspreche­nd ankurbeln. Anleger, die diese Entwicklun­g einkalkuli­eren, treiben wiederum die Aktienkurs­e der Hersteller nach oben.

Für Halver gibt es aber noch einen weiteren Grund: Nach Attentaten wie diesem wird in den USA immer wieder über eine Verschärfu­ng der Waffengese­tze oder Restriktio­nen für Waffenbesi­tzer diskutiert. „Wer fürchtet, bald weniger leicht an Waffen zu kommen, kauft sie jetzt vielleicht schon im Vorgriff“, erläutert der Börsen-Experte. Auch das beflügelt wiederum die Geschäfte der Hersteller.

Für viele US-Waffenkonz­erne fällt der Aufschwung in eine schwierige Zeit. Die Umsätze von American Outdoor Brands waren zuletzt um fast 38 Prozent eingebroch­en, Sturm, Roger & Co. meldete im August einen Umsatzrück­gang von 22 Prozent. Der Grund dafür klingt paradox: Ausgerechn­et die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n hat den Waffenhers­tellern die Bilanzen verdorben. In den acht Jahren, in denen Waffen-Gegner Barack Obama im Amt war, eilten die Konzerne von einem Umsatzhoch zum nächsten. Der Ex-Präsident hatte unter Experten den zweifelhaf­ten Ruf als „bester Waffenverk­äufer auf diesem Planeten“.

Trump ist – anders als Obama – ein Befürworte­r liberaler Waffengese­tze, er hat enge Verbindung­en zur einflussre­ichen National Rifle Associatio­n. Seitdem der neue US-Präsident im Amt ist, müssen Waffenbesi­tzer also weniger Angst vor härteren Waffengese­tzen haben. Das wirkt sich auf das Geschäft der Hersteller aus. „Die von den Republikan­ern dominierte Regierung“, schreiben die Analysten der US-Investment-Bank Wedbush, „hat den Druck, neue Waffen kaufen zu müssen, deutlich verkleiner­t“. Experten haben dem vom US-Präsidente­n verursacht­en Kurseinbru­ch bereits einen Namen verpasst: Sie nennen die paradoxe Entwicklun­g den „trump slump“.

 ?? Foto: Martin Bialecki, dpa ?? „Guns and Guitars“: In diesem Laden in Mesquite, Nevada, hat der Todesschüt­ze von Las Vegas einige seiner Waffen erworben.
Foto: Martin Bialecki, dpa „Guns and Guitars“: In diesem Laden in Mesquite, Nevada, hat der Todesschüt­ze von Las Vegas einige seiner Waffen erworben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany