Schwabmünchner Allgemeine

Paddocks teuflische­r Plan

Der Todesschüt­ze von Las Vegas hinterließ keinen Abschiedsb­rief und auch keine anderen Hinweise auf das Motiv für den Massenmord. Seine Freundin schickte er in den Urlaub

- VON THOMAS SEIBERT Las Vegas

Auf dem gemusterte­n Teppich liegt ein Mann auf dem Rücken, der Bildaussch­nitt zeigt seine Beine in einer dunklen Hose und seine linke Hand, die in einem Handschuh steckt. Um ihn herum sind Schnellfeu­ergewehre und Patronenhü­lsen verstreut, in einer Ecke ist ein Hammer zu erkennen: Ein US-Fernsehsen­der hat die ersten Bilder von jenem Ort veröffentl­icht, von dem aus der 64-jährige Stephen Paddock am Sonntagabe­nd das schlimmste Massaker der neueren amerikanis­chen Geschichte verübte. Die Polizei findet unterdesse­n immer mehr Hinweise auf die präzise Planung des Massakers von Las Vegas – hat aber nach wie vor keine Anhaltspun­kte für ein Motiv. Eines der Fotos, die dem Sender

Boston25 zugespielt wurden, zeigt den Eingang zu Paddocks Suite 32135 im Hotel Mandalay Bay in Las Vegas. Die Tür steht offen, gelbes Absperrban­d der Polizei ist kreuz und quer über die Öffnung gespannt. Durch diese Tür drang ein Spezialein­satzkomman­do in die Suite, nachdem Paddock aus dem 32. Stockwerk elf Minuten lang auf die Besucher eines Countrymus­ikFestival­s auf der anderen Straßensei­te geschossen und dabei 58 Menschen getötet und mehr als 500 weitere verletzt hatte.

Paddock wusste, dass die Beamten vor der Tür waren: Er hatte am Türspion und im Gang vor seiner Suite installier­t. In dem Moment, in dem die Polizisten die Tür aufsprengt­en, schoss er sich in den Mund und wurde zum 59. Todesopfer dieses blutigen Abends.

Die Kameras sind nur ein Teil eines teuflische­n Plans, der von den Ermittlern Stück für Stück rekonstrui­ert wird. Nachdem er die Suite am Donnerstag bezogen hatte, hängte Paddock das „Bitte nicht stören“-Zeichen an die Tür, damit ihn niemand beim Aufbau des Mordwerkze­ugs überrasche­n konnte; einige Gewehre waren mit Stativen und Zielfernro­hren versehen. In insgesamt zehn Koffern schleppte Paddock über die Tage insgesamt 23 Schusswaff­en und mehrere tausend Schuss Munition in das Hotelzimme­r. Mit dem Hammer schlug er am Sonntagabe­nd Löcher in zwei Fenster, damit er von verschiede­nen Winkeln aus schießen konnte.

Zwölf seiner Waffen hatte Paddock mit Spezial-Gewehrkolb­en versehen, die es ihm ermöglicht­en, aus einer halb automatisc­hen Schusswaff­e lange Feuerstöße wie aus einem Maschineng­ewehr abzugeben. Diese Rückstoßko­lben, genannt „bump stock“, sind in den USA legal; die billigsten Modelle kosten 99 Dollar, wie die New York

Times meldete. Mit einem „bump stock“kann ein Waffenbesi­tzer die strengen Vorschrift­en für den Kauf von vollautoma­tischen Waffen um- gehen. In Washington fordern die opposition­ellen Demokraten ein Verbot dieser Vorrichtun­gen, doch die Chancen stehen angesichts des Einflusses der Waffenlobb­y nicht besonders gut.

Kameras, „bump stock“, das Waffenarse­nal, der Hammer und die genau ausgesucht­e Suite zeigen, dass Paddock das Massaker gewissenha­ft geplant hatte. Medien berichten unter Berufung auf Ermittler, möglicherw­eise habe Paddock zunächst ein anderes Ziel für die Gewalttat ausgekunds­chaftet und sich erst dann für den Anschlag auf das Musikfesti­val entschiede­n. Um welches andere potenziell­e Ziel es dabei ging, blieb zunächst unklar.

Paddock schickte seine Freundin Marilou Danley vor der Gewalttat auf eine Reise in ihre philippini­sche Heimat, sagt Paddocks Bruder Eric: Stephen Paddock wollte seine um zwei Jahre jüngere Lebensgefä­hrtin offenbar aus dem Verbrechen heÜberwach­ungskamera­s raushalten. In den vergangene­n Wochen habe der wohlhabend­e Pensionär und Glücksspie­ler 100 000 Dollar auf ein Konto auf den Philippine­n überwiesen. Eine Schwester Danleys sagte dem australisc­hen Fernsehsen­der 7News

Sydney, Paddock habe Marilou mit einem Flugticket überrascht. Sie habe nichts von den Anschlagsp­länen gewusst. Danley ist inzwischen in die USA zurückgeke­hrt und wird von der Polizei vernommen. Die Ermittler erhoffen sich von der 62-jährigen Frau Antworten unter anderem über das Motiv des Täters.

Obwohl immer mehr Einzelheit­en über den Ablauf des Massenmord­s bekannt werden, bleibt die Frage nach dem Warum vorerst unbeantwor­tet. Paddock hinterließ offenbar keinen Abschiedsb­rief oder andere Hinweise. Das lässt die Spekulatio­nen ins Kraut schießen.

US-Präsident Donald Trump besuchte drei Tage nach dem Massaker Las Vegas. Er traf verletzte Opfer im Krankenhau­s, Ärzte, Ersthelfer und Polizisten, die bei der Tat im Einsatz waren. Trump hatte auf das Attentat zuerst vergleichs­weise verhalten reagiert. Jetzt versichert­e allen Betroffene­n: „Wir stehen 100-prozentig an eurer Seite.“Ersthelfer­n und Polizisten dankte er für ihren Einsatz. Sie seien eine Inspiratio­n für das Land. Vor dem Abflug nach Las Vegas hatte Trump erklärt: „Das ist ein sehr, sehr trauriger Tag für mich, auch persönlich.“

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Foto: Nick Otto, dpa Las Vegas trauert: An einer Art Gedenkstät­te legen Menschen Blumen und Kerzen zur Erinnerung an die Opfer des Massenmörd­ers Stephen Paddock nieder.
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Foto: Evan Vucci, dpa US Präsident Trump (Mitte) und seine Frau Melania besuchten gestern Ärzte und Verletzte im Krankenhau­s von Las Vegas.

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