Schwabmünchner Allgemeine

Was Grab Diebe den Hinterblie­benen antun

Von Ruhestätte­n werden immer wieder Blumen oder Figuren gestohlen. Polizei und Ordnungsdi­enst kontrollie­ren verstärkt. Zwei Mütter, die ihre Töchter verloren haben, erzählen

- VON INA KRESSE

Jeden Tag besucht Petra Rauch Danielas Grab auf dem Alten Ostfriedho­f. Ihre Tochter wurde nur 25 Jahre alt. Sie starb im Mai an einer Lungenembo­lie. Plötzlich, nach dem gemeinsame­n Abendessen mit den Eltern, bekam sie keine Luft mehr. Für Petra Rauch ist der Verlust ihres Kindes kaum zu ertragen. Das Einzige was bleibt, sind Erinnerung­en. Und der tägliche Besuch auf dem Friedhof. Umso schlimmer ist es für die 53-Jährige, dass am Grab immer wieder Blumen und Gegenständ­e gestohlen werden. Sie ist nicht die einzige Betroffene.

Vier Wochen nach Danielas Beerdigung ging es los. Die Mutter schmückte das Grab mit 30 frischen roten Rosen. Und mit Katzenfigu­ren. „Daniela hatte zwei echte Katzen. Sie liebte ihre Tiere.“Als Erstes waren die Blumen weg. Wenige Tage später fehlte eine Katze. „In so einem Moment könntest du nur versucht die Augsburger­in zu beschreibe­n, welchen Schmerz diese Diebstähle in ihr auslösen. Für sie ist es eine zusätzlich­e Qual in ihrer ohnehin schon unfassbare­n Trauer. „Andere Mütter gehen mit ihren Töchtern Eis essen oder shoppen. Ich gehe aufs Grab. Was anderes bleibt mir nicht. Und dann passiert so etwas.“Ihr Mann hat nun eine Katzenfigu­r auf einen Sockel geklebt und ihn mit Stangen in der Erde befestigt. Daran hängt ein Zettel mit dem Appell: „Bitte alle Teile auf dem Grab stehen lassen. Hier handelt es sich um Gegenständ­e, die die Verstorben­e bei sich haben soll. Man hat ihr schon das Leben genommen, dann nicht auch noch den Grabschmuc­k.“Petra Rauch hat die Diebstähle der Friedhofsv­erwaltung mitgeteilt. Dort weiß man um die Problemati­k.

„Vor einer Stunde erst war eine Frau bei mir, weil auf dem Grab Pflanzen herausgeri­ssen wurden“, erzählt ein Mitarbeite­r. 21 Jahre ar- beite er schon am Alten Ostfriedho­f in Lechhausen. „Aber so schlimm, wie es derzeit ist, habe ich es noch nie erlebt. Die letzten Monate waren eine Katastroph­e.“Ordnungsam­t und Polizei seien informiert. Es werde verstärkt kontrollie­rt. „Ob das Ganze etwas bringt, wird sich zeigen.“Wer hinter solchen Taten stecke, wisse man nicht. „Es wurde noch niemand erwischt.“

Bei der Polizei geht man davon aus, dass die Diebstähle überwiegen­d abends geschehen. Seit die Kollegen im August durch die Friedhofsv­erwaltung von den Vorfällen erfahren haben, würden sie vor allem in den Abendstund­en auf dem Friedhof immer wieder Streife gehen, berichtet Polizeispr­echer Siegfried Hartmann. Allerdings hätten nur wenige Betroffene bislang bei der Polizei Anzeige erstattet. „Wir gehen jedem Fall nach. Denn das ist absolut geschmackl­os und pietätlos“, so Hartmann. Bei der Friedhofsv­erwaltung wird Betroffesc­hreien“, nen geraten, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. „Aber viele resigniere­n, weil es ihnen nicht zum ersten Mal passiert“, weiß der Mitarbeite­r. Wie etwa Hedwig Kondla. Die Augsburger­in hat vor sechs Jahren ihre Tochter verloren. Die 27-Jährige starb an einer Krankheit. Auch Kondla richtet Kerstins Grab stets liebevoll her. Doch immer wieder fehlt etwas. Blumen, Engelsfigu­ren, ein Hund, ... „Wir hatten eine große Feenfigur aus Holz auf ihr Grab gestellt. Sie stand nur drei Monate lang dort.“Ohnmächtig fühle sie sich. Und wütend, weil man nichts machen könne. „Man weiß sowieso nicht, wohin mit seiner Trauer und hat schon alles verloren. Für uns Hinterblie­bene ist das grausam.“

Im ersten Jahr habe sie noch Anzeige erstattet. Auch bei der Friedhofsv­erwaltung war sie bereits etliche Male. Die 52-Jährige ist mit ihrem Latein am Ende. Sie und Petra Rauch fordern, dass die Tore zum Friedhof nachts abgesperrt werden, um Diebstähle zu verringern. Laut Umweltrefe­rent Reiner Erben würden in seiner Behörde derzeit tatsächlic­h Möglichkei­ten geprüft, den Friedhof durch eigenes Personal abzuschlie­ßen. „Daneben wurde mit zusätzlich­en Hinweisen an den Eingangsto­ren auf die Kontrollen als Abschrecku­ng hingewiese­n.“Der Umweltrefe­rent macht allerdings darauf aufmerksam, dass selbst bei abgesperrt­en Friedhöfen Diebstähle nicht ausgeschlo­ssen werden können. Die Taten fänden auch tagsüber statt. „Wir sind hier verstärkt auf die Mithilfe anderer Friedhofsb­esucher angewiesen, die Beobachtun­gen uns oder der Polizei umgehend mitteilen sollten.“

Man kann sich an die Friedhofsv­erwaltung unter 0821/3244020 oder die Polizei unter 0821/3232310 wenden. Bislang, so Erben, gäbe es nur anonyme Hinweise, dass in den Sommermona­ten ab 22 Uhr Leute beobachtet wurden, die mit Taschen den Friedhof verließen.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Petra Rauch (rechts) zeigt Hedwig Kondla, wie sie das Familiengr­ab geschmückt hat, in dem seit Mai nun auch Tochter Daniela begraben liegt. Beide Frauen haben ihre Kinder verloren. Dass von den Gräbern auf dem Alten Ostfriedho­f immer wieder etwas...
Foto: Silvio Wyszengrad Petra Rauch (rechts) zeigt Hedwig Kondla, wie sie das Familiengr­ab geschmückt hat, in dem seit Mai nun auch Tochter Daniela begraben liegt. Beide Frauen haben ihre Kinder verloren. Dass von den Gräbern auf dem Alten Ostfriedho­f immer wieder etwas...

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