Schwabmünchner Allgemeine

Noch kurz vor der Premiere ist sie die Ruhe selbst

Nicole Schneiderb­auer wirkt während der Endproben für „Paradies fluten“völlig entspannt. Ihre Aufgabe als Hausregiss­eurin empfindet sie als Vorteil – auch als junge Mutter

- VON RICHARD MAYR

Die Regisseuri­n Nicole Schneiderb­auer erzählt entspannt von ihrer ersten Premiere in Augsburg – von den Endproben, die gerade stattfinde­n, von dem neuen Team, das sich da gefunden hat, von dem anspruchsv­ollen Stück, das sie in der Brechtbühn­e inszeniert. Es wirkt so, als ob ihr der Trubel in diesen Tagen nichts anhaben könnte. Sie ist 34 Jahre alt, ihr langjährig­er Freund kümmert sich gerade intensiv um das neun Monate alte Baby, so schnell wirft Schneiderb­auer nach den letzten aufreibend­en Monaten nichts mehr aus der Bahn.

Die junge Mutter greift nun das erste Mal wieder voll in den Theaterbet­rieb ein. „Ich kann mich ganz auf die Arbeit konzentrie­ren“, sagt sie. Und trotzdem sei im Hinterkopf immer auch das Kind. Im April zog Schneiderb­auer bereits nach Augsburg, ihr Freund kam aus Salzburg hierher. Ihr bisheriges Theaterleb­en, das immer geprägt war durch mehrwöchig­e Abwesenhei­ten von zu Hause, weil sie anderswo inszeniert­e, hat in Augsburg erst einmal ein Ende gefunden.

Schneiderb­auer ist als Hausregiss­eurin am Theater Augsburg engagiert und gehört zum vierköpfig­en Leitungste­am der Schauspiel­sparte. Neben den Produktion­en, die sie als Regisseuri­n verantwort­et, ist sie gleichzeit­ig auch die Ansprechpa­rtnerin für die freie Szene Augsburgs. Und sie entwickelt den Plan A, eine Wundertüte, ein offenes Veranstalt­ungsformat mit Augsburg-Bezug, das sparten- und genreüberg­reifend ist. Aber darum kann sich Schneiderb­auer erst so richtig nach der Premiere von „Paradies fluten“am Sonntag, 8. Oktober, kümmern.

Bei und mit dem Intendante­n André Bücker hat Schneiderb­auer schon in dessen Zeit am Anhaltisch­en Theater in Dessau zusammenge­arbeitet. Die neue Situation als feste Hausregiss­eurin findet sie hervorrage­nd. „Das ist aus Regisseurs­perspektiv­e ein Riesenvort­eil“, sagt sie. Sie könne die Schauspiel­er nun viel besser kennenlern­en, das Vertrauen zueinander könne dadurch anders wachsen, bei der zweiten gemeinsame­n Arbeit fange man dann an einem anderen Punkt an. „Eine solche Ensemblepf­lege finde ich super“, sagt Schneiderb­auer. Ihr sei es nun auch möglich, den Schauspiel­ern über eine Spielzeit hinweg Feedback zu geben.

Schneiderb­auer, die nördlich von München aufgewachs­en ist, hat in der Landeshaup­tstadt an der Bayerische­n Theateraka­demie August Everding ihr Handwerk erlernt, damals noch zur Dramaturgi­n. Aber schon während des Studiums sei immer deutlicher geworden, dass es sie viel stärker zur Regie hinzieht. „Der Körper und die Bewegung standen für mich immer schon im Vordergrun­d“, erzählt sie. Das war auch ein Grund, warum erst André Bücker und dann auch sie glaubte, dass sie die Richtige für diesen neuen, zeitgenöss­ischen Theatertex­t „Paradies fluten“sei.

Die Aufgabe, die ihr der KleistFörd­erpreisträ­ger Thomas Köck mit seinem Manuskript stellt, ist enorm. Köck zielt in dem ersten Teil seiner Klima-Trilogie aufs Ganze, auf den Menschen inmitten von Kapitalism­us und Globalisie­rung. Zwei Überlebend­e sprechen zu Beginn in einem verlassene­n Paradies am Ende der Zeit über eine solare Katastroph­e, dann geht es zwischendr­in nahtlos in das späte 19. Jahrhunder­t und den brasiliani­schen Urwald, wo der Kautschukb­oom zu einer Katastroph­e für die Menschen dort führt. „Es ist ein tolles Stück“, sagt Schneiderb­auer, aber eben auch anspruchsv­oll. Die großen Themen der Zeit würden verhandelt, das alles nicht in Form eines langen Essays, sondern gattungsüb­ergreifend mal episch, mal lyrisch, mal dialogisch und durchaus mit einem Spannungsb­ogen.

Sie löst das in ihrer Inszenieru­ng stark in Bewegung und in Bilder auf, die für sich sprechen sollen. Neben den vier Schauspiel­ern des Ensembles hat Schneiderb­auer als Gast auch noch eine Vertikalse­ilartistin engagiert. Die Schauspiel­er müssen unter das Seil und die Artistin Kaatie Akstinat wird Text sprechen.

Am Sonntag wartet in der Brechtbühn­e noch ein besonderer Gast: der Autor des Stücks, den das Theater Augsburg zur Premiere eingeladen hat. Schneiderb­auer ist schon gespannt, was Thomas Köck zur Inszenieru­ng sagt.

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Fotos: Jan Pieter Fuhr In einem verlassene­n Paradies spricht eine Überlebend­e (Jenny Langner) über eine solare Katastroph­e.
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Nicole Schneiderb­auer führt Regie in der Inszenieru­ng „Paradies fluten“.

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