Verkehrswende made in Zusmarshausen
Nach dem Startschuss für die weltgrößte Stromtankstelle bringt der Fahrzeugausstatter Sortimo jetzt ein neuartiges Gefährt auf den Markt. Wie Pannenhelfer, Handwerker und Zusteller mit dem Lastenrad schneller vorankommen
Zusmarshausen In Köln kommen die Pannenhelfer jetzt mit dem Fahrrad. Durch den Berufsverkehr und Staus kommt selbst der ADAC ohne Auto schneller voran. Es sind besondere Fahrräder, die der Automobilklub nutzt: Sie haben Elektroantrieb, einen Kofferraum und sie stammen aus Zusmarshausen. Der Fahrzeugausstatter Sortimo hat die Lastenräder entwickelt.
Es soll ein Beitrag zur Verkehrswende sein: Mit den sogenannten Cargo-Bikes schaffen es Servicetechniker, Lieferdienste und Kuriere ohne Transporter – und damit ohne Benzin und Abgase – ans Ziel. Und schneller, denn mit den Rädern dürfe man auf dem Radweg fahren und könne so Staus umgehen, erklärt Sortimo-Geschäftsführer Reinhold Braun. Einen Führerschein brauche man auch nicht.
Braun erzählt, dass das Zusmarshauser Unternehmen auf der EuroBike-Messe in Friedrichshafen kürzlich weitere Kunden gewinnen konnte. Ingolstadt werde das Lastenrad als erste Kommune nutzen. Die Telekom setze es für den städtischen Service ein, Handwerker verwenden es in Berlin und auf der Messe Düsseldorf für Hausmeisterdienste. Braun kann sich noch mehr Einsätze vorstellen: in Freizeitparks, in Möbelhäusern, im Werksverkehr. Es gibt sogar eine Variante mit Blaulicht für den Notarzt. Bei Großveranstaltungen wie Stadtfesten oder Festivals könnte dieser so schneller zum Verletzten gelangen.
„Das Pedelec ist Sortimos Antwort auf den Megatrend der Urbanisierung und der damit einhergehenden Forderung nach alternativen Antrieben“– so wirbt die Firma für ihr Lastenrad. „Bei Elektromobilität wird immer nur über Fahrzeuge gesprochen“, sagte Braun kürzlich beim Besuch von Verkehrsminister Alexander Dobrindt und appellierte an die Politik, die Räder nicht zu vergessen. Der Markt der Mikrofahrzeuge – größer als Fahrrad, kleiner als Auto – wachse extrem schnell. Vor allem Chinesen besetzten den Markt – dort seien Lösungen für die Megastädte gefragt. Jetzt will auch Sortimo mitmischen. 300 Lastenräder habe das Zusmarshauser Unternehmen schon produziert, erklärt Pressesprecherin Jana Heiß.
Sie haben nicht nur einen Elektromotor, sondern auch Neigetechnik. So komme der Fahrer besser durch enge Gassen und in Hinterhöfe, er könne Wege durch Fußgängerzonen und Parks, die für Fahrräder freigegeben sind, abkürzen. Durch die zwei Räder vorne laufe es stabil und bleibe auch ohne Ständer stehen. Das Dreirad hat eine Motorunterstützung bis 25 Stundenkilometer. Sortimo hat es zusammen mit dem E-Bike-Hersteller HNF Heisenberg entwickelt. Die Reichweite beträgt je noch Beladung und Motornutzung 40 bis 60 Kilometer. Das Rad hat natürlich seinen Preis: Es gibt es ab 5889 Euro – plus Aufbau und anderes Zubehör. Für den Ladeboden gibt es verschiedene Boxen und Körbe. Die große Kiste hat ein größeres Fassungsvermögen als der Kofferraum eines Kleinwagens. Darin haben zum Beispiel Werkzeug, Material, Zeitungen oder Päckchen Platz.
Ein großes Thema im Stadtverkehr sind die Paketdienste. Durch Onlinebestellungen sei das Verkehrsaufkommen in den vergangenen Jahren extrem gestiegen, erklärt Braun. Deshalb wollen nun auch verschiedene Postdienstleister das Cargo-Bike ausprobieren. Nächste Woche testet die Logistic Factory der Mediengruppe Pressedruck zwei Lastenräder von Sortimo, sagt Geschäftsführer Marko Herkner. Damit sollen im Stadtgebiet Augsburg Sendungen der Logistic Mail Factory und die Augsburger Allgemeine verteilt werden. Die Pakete, Briefe und Zeitungen werden zuvor mit einem Elektrotransporter zum Depot gebracht. „Wir wollen die Stadt autofreier machen“, erklärt Herkner. In der Testwoche sollen die Zusteller auch ausprobieren, ob es für die Räder noch einen speziellen Aufbau braucht.
Sortimo ist natürlich nicht das einzige Unternehmen, das solche Gefährte entwickelt. Bei der Deutschen Post gibt es ebenfalls ein Pilotprojekt: In Frankfurt werden von der DHL Pakete mit E-Lastenrädern mit Containeraufsatz zugestellt. Und allein in Schwaben seien die Briefträger der Post mit mehr als hundert E-Bikes und 25 E-Trikes im Einsatz, sagt Pressesprecher Dieter Nawrath – vor allem in Zustellbezirken mit weiten Strecken und Steigungen und für Kollegen mit Behinderung.